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Drohnen gegen 1.500 Hippies

Die „Rainbow Family“ findet keinen Platz für ihr Jahrestreffen mit Camping, Klampfen und Ritualfeuer. Behörden lassen Autos abschleppen und Zelte beschlagnahmen

Von Reimar Paul

Einen Pressesprecher? „So was haben wir nicht“, sagt der junge Mann, der sich John nennt. Aber klar, er könne ein bisschen was erzählen über die „Rainbow Family“ und ihre „Gathering“ genannte Zusammenkunft, „wie jede und jeder andere hier natürlich auch“. John steht auf einem Parkplatz an der Harzhochstraße. Er ist 23, trägt ein verwaschenes T-Shirt, eine Brille und ist aus Süddeutschland in den Harz gekommen.

Hunderte Leute – „ungefähr tausend“, sagt John, rund 1.500 sind es sogar nach Auskunft der Behörden – haben in der vergangenen Woche in einem Waldgebiet zwischen Bad Grund und Clausthal-Zellerfeld ihre Zelte aufgeschlagen. Junge und mittelalte Erwachsene vor allem, auch einige Kinder. Fotos im Internet zeigen viele Männer in kurzen Hosen und mit nackten Oberkörpern, Frauen in langen Röcken, manche tragen Reifen und Ringe.

Die Stimmung im Camp schildert John als entspannt. Die meisten Mitglieder der „Rainbow Family“, wie sich die Gruppe nennt, beteiligten sich an den gemeinsamen Aktivitäten, sammelten Holz und Reisig für die Feuer oder engagierten sich in der Koch-Crew. Ansonsten? „Wir klampfen auf der Gitarre oder hören den Spielenden zu, wir chillen hier oft auch nur rum“, erzählt John. Dass die Lokalzeitungen sie als Hippies bezeichnen, störe ihn nicht.

Die mehrwöchigen „Gatherings“, also die Versammlungen der „Rainbow Family“, finden jeden Sommer statt. Unter freiem Himmel, meist in abgelegenen Gebieten, immer im Sommer und möglichst in der Periode zwischen zwei Neumonden. Das erste Treffen dieser Art gab es 1972 in den Rocky Mountains. In Europa traf man sich erstmals 1983 in Norditalien. 2009 folgte dann in Thüringen das erste „Gathering“ auf deutschem Boden.

Feste Strukturen wie Mitgliederlisten oder Vorstände haben die „Rainbows“ nicht. Behörden beklagen deshalb, dass ihnen kein Ansprechpartner zur Verfügung steht. Was es gibt, sind Scouts, die vor den Zusammenkünften nach geeigneten Plätzen Ausschau halten, „Vocalizer“, die Informationen zu Ort und Anfahrt verbreiten –und eine Telegram-Gruppe.

In diesem Jahr hatten die Scouts zunächst ein Areal im Solling im Auge. Doch die Stadt Uslar erließ eine Allgemeinverfügung, mit der sie die ausgeguckte Wiese zwischen dem 14. und dem 20. August zur Sperrzone erklärte. Die „Rainbow Family“ disponierte kurzfristig um und zog in ein Landschaftsschutzgebiet im Harz, an der Grenze zwischen den Landkreisen Göttingen und Goslar.

Auf einer Lichtung, umgeben von großteils abgestorbenen oder doch schwer kranken Fichten, befindet sich der zentrale „Ritualplatz“. Etwas abseits davon der Küchenplatz. Als Schlafplätze dienen große Jurten, kleine Zelte oder auch, teils versteckt aufgespannt im Unterholz, Hängematten.

Der Landkreis Göttingen hat nach Angaben von Kreisrätin Marlis Dornieden am Montag vergangener Woche Kenntnis von dem Ortswechsel erhalten und einen Tag später, in Absprache mit dem Kreis Goslar, ebenfalls eine Allgemeinverfügung erlassen. Sie beinhaltet ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot für eine insgesamt 200 Hektar große Fläche. Begründet wird der Erlass mit dem in Landschaftsschutzgebieten geltenden Verbot von „wildem Campen“ und offenem Feuer – die Vollmondnacht vom 19. auf den 20. August wollte die „Rainbow-Family“ an einem großen „Ritual­feuer“ begehen.

Am Mittwoch lassen die Behörden erste Autos von Waldwegen abschleppen, beschlagnahmen Zelte. Hunderte Polizisten unterstützen den Einsatz. „Einige Leute haben das Camp verlassen, aber mindestens ebenso viele sind am Wochenende neu dazugestoßen“, berichtet Dornieden. Auch weil Bemühungen, eine Ausweichfläche zu finden, an den Folgetagen scheitern, starten Polizei, Feuerwehr und THW am Montag einen weiteren Großeinsatz. Er dauert bis Dienstagmorgen an.

Die Ziele seien erreicht worden, bilanziert Thomas Reuter, Einsatzleiter der Göttinger Polizeiinspektion: Das „Ritualfeuer“ sei verhindert, weitere Autos seien abgeschleppt und Zelte konfisziert worden. Für den heutigen Mittwoch kündigt Dornieden eine neue Allgemeinverfügung an. Wie viele Menschen sich derzeit noch in dem Areal aufhalten, konnte die Kreisrätin gestern nicht sagen. „Wir beobachten das Gebiet weiter, auch mit Drohnen“, sagt sie. „Und jeder, der sich dort aufhält, muss mit einem Verfahren rechnen.“

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