Zensierte Plakatwand in Hamburg: Polizei malt Rote Flora an

An­ti­fa­schis­t*in­nen geben an einer Plakatwand Tipps, wie jeder gegen die AfD aktiv werden kann. Die Polizei sieht einen Aufruf zu Straftaten.

ein lila-blaues Plakat an einer bunten Wand, Teile sind schwarz übermalt

Polizeilich zensiertes Wandplakat an der Roten Flora: 13 Tipps gegen die AfD übermalt Foto: Katharina Schipkowski

Was tun gegen die AfD? Das fragen sich nicht nur Linke seit Jahren. Im ganzen Land werden Brandmauern errichtet und eingerissen, Verbotsbestrebungen diskutiert und verworfen, hier wird demonstriert, dort zum Sommerinterview eingeladen. Richtige Antworten, was den Wahlerfolg der Rechten wirksam und schnell stoppen könnte, hat niemand.

Die Ak­ti­vis­t*in­nen luden die Polizei zum Spielen ein, indem sie die Plakatwand zu einer Theaterbühne ummalten

Wenn dann doch mal jemand konkrete Vorschläge präsentiert, ist es allerdings auch nicht recht. Jedenfalls der Hamburger Polizei nicht. Die hat eine entsprechende Plakatwand an der Roten Flora nun schon zum zweiten Mal mit schwarzer Farbe übergemalt.

Was hatten die Flo­ris­t*in­nen vorgeschlagen? „13 Dinge, die du gegen die AfD tun kannst“ und „12 Dinge, die du dabei beachten solltest“ listete der „Antifaschistische Werkzeugkasten“ an der großen Plakatwand im Schanzenviertel auf. Darunter die einzelnen Punkte: „Oute Veranstaltungsorte, Nazis und AfDler, gründe eine Antifa-Gruppe oder tritt einer bei, sprich mit deinem Umfeld, greife AfD-Immobilien an, unterstütze Betroffene von rechter Gewalt, mache Wahlmaterial der AfD unschädlich.“ Die Hamburger Polizei schickte umgehend die „Soko Wand und Farbe“ und malte die beiden Listen noch am gleichen Tag schwarz über.

Die Flora dürfte das erwartet haben, jedenfalls reagierte sie ebenfalls schnell und klebte die Listen erneut auf die Wand, diesmal mit dem Zusatz: „Bullen, das Spiel verliert ihr mal wieder“. –„Das wollen wir erst mal sehen“, sagte man sich wohl bei der Polizei und griff erneut zur Wandfarbe. Außerdem leitete der Staatsschutz ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten ein.

Beim letzten Mal gab die Polizei auf

So kann sich die Behörde natürlich auch beschäftigt halten. Wahrscheinlich ist das aus Sicht der An­ti­fa­schis­t*in­nen gar nicht so verkehrt, denn dann richtet sie wenigstens in der Zeit an anderer Stelle keinen Schaden an.

Am Dienstagnachmittag stand es 2:2 im Match „Flora gegen Bullen“. Beim letzten größeren Match hatte die Polizei nach zweimaligem Übermalen aufgegeben. Da hatte sie die Schwelle, sich zum Kasper zu machen, aber schon überschritten. Das „Pimmelgate“ war im Jahr 2021 eine peinliche Nummer für Innensenator Andy Grote (SPD) und die Polizei gewesen. Die Be­am­t*in­nen waren mit einer Razzia in die Wohnung eines Twitter-Users eingedrungen, der Grote online als Pimmel bezeichnet hatte.

Der Tweet des Anstoßes, „Andy, du bist so 1 Pimmel“, wurde später auf Aufkleber gedruckt und an die Flora-Wand gemalt, wogegen die Polizei mit allen verfügbaren Kräften vorging, sprich: Aufkleber abknibbelte und die Wand übermalte. Die Ak­ti­vis­t*in­nen luden die Polizei zum Spielen ein, indem sie die Plakatwand zu einer Theaterbühne ummalten: Vorhang auf für die Soko „Wand und Farbe“. Die Be­am­t*in­nen agierten wie bestellt, malten noch einmal über, ließen den letzten Pimmelspruch aber schlussendlich stehen und zogen sich als Verlierer zurück.

Soweit, so erwartbar also das Vorgehen auch in dieser neuen Runde „Bullen vs. Flora“. Doch während die Polizei weiter Polizei-Dinge tut, steht für die An­ti­fa­schis­t*in­nen ein ernstes Anliegen hinter der 13/12-Liste. In erfahrener Voraussicht haben sie eine Homepage eingerichtet, auf der sie die Tipps und Handlungsaufforderungen gegen die AfD ausführen. „Sie“, das sind in diesem Fall gar nicht (nur) die Flora-Nutzer*innen, sondern laut der Homepage ein bundesweiter Kreis aus antifaschistischen Gruppen und Einzelpersonen.

Man habe sich über die Großdemos gegen die AfD Anfang des Jahres gefreut, schreiben die Ak­ti­vis­t*in­nen – man wisse aber auch, dass es damit nicht getan sei. Stattdessen sei eine starke antifaschistische Bewegung nötig. „Warte nicht darauf, dass andere etwas tun“, schreiben sie. „Die Bewegung müssen wir alle sein.“ Recht haben sie. Und solange die Polizei keine besseren Vorschläge gegen die AfD präsentiert, sollte sie die vorhandenen zumindest stehen lassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben