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X-Chef Elon MuskImmer im Krieg

Twitter verwandelte er erst in X, dann in ein Shithole. Öffentlich stachelt er zum „Bürgerkrieg“ auf. Wie Elon Musk König der Cyberhetze wurde.

„Eines Tages, als ich klein war, warnten mich meine Eltern davor, mit Feuer zu spielen“: Elon Musk Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Es sind keine guten Wochen für Donald Trump. Kamala Harris und Tim Walz, das Kandidatenduo der Demokraten, hat das Momentum und in den Umfragen einen Raketenstart. Sie sprechen vor knallvollen Arenen, während zu Trump-Rallies oft nur ein paar tausend Fans kommen. Trump grämt das. Vor etwas mehr als einer Woche gab er eine groteske, wirre Pressekonferenz an seinem Landsitz Mar-a-Lago. Ein „Interview“, geführt von Elon Musk, auf dem Ex-Twitter Audiodienst „X-Spaces“ sollte kurz darauf wieder für etwas Schwung sorgen.

Am Ende wurde es eine Farce. Erst stürzte die Technologie ab und ließ sich lange nicht hochfahren, dann nuschelte der Republikaner-Kandidat unverständliches Zeug vor sich hin. Musk wiederum war ergriffen von der eigenen Bedeutung, zugleich peinlich unterwürfig, eine seltsame Mischung aus Devotheit und Gigantomanie. Zwischenzeitlich wurde im Duett auf Herrenreiterart verächtlich über Arbeiter gelacht, die für bessere Arbeitsbedingungen streiken, die „Kannst gleich gehen!“ zu hören bekommen, hohoho.

Elon Musk, der Tesla- und Space-X-Gründer und reichste Mann der Welt, dreht vollends frei. Vom Milliardär mit bizarren Ansichten hat sich der 53-Jährige zum verbissenen Aktivisten radikalisiert. Zuletzt stachelte er die britischen Pogrome von Rechtsextremen noch einmal an, die durch die Fake-Nachricht ausgelöst wurden, der Messerstecher, der drei kleine Kinder in einem Tanzstudio ermordet hatte, sei ein gerade eingewanderter, muslimischer Flüchtling. „Civil War is inevitable“ – „Bürgerkrieg ist unausweichlich“, trommelte Musk auf X.

„Eines Tages, als ich klein war, warnten mich meine Eltern davor, mit Feuer zu spielen“, verriet Musk einmal seinen Biografen. „Also nahm ich eine Schachtel Streichhölzer mit hinter einen Baum und fing an, sie anzuzünden.“ Musk erzählt die Anekdote, als wäre sie ein Schlüssel zu seinem Selbstbild.

Obsession für Bürgerkrieg

Überhaupt scheint er eine ziemliche Obsession für Bürgerkrieg zu haben, den er mit wohligem Schauder in schöner Regelmäßigkeit in Postings beschwört. Eine Angstlust, eine Geilheit nach Gewalt, die aber verbunden ist mit totaler Angst.

„Was wir auf unseren Straßen gesehen haben, ist ein organisierter, gewalttätiger Mob, und der hat keinen Platz, weder auf der Straße noch online“, so eine offizielle Londoner Regierungs-Reaktion. Großbritanniens Premier Keir Starmer legte noch nach: „Wenn man zu Gewalt aufruft, spielt es keine Rolle, ob dies online oder offline geschieht. Genauso kann jeder, der online eine Straftat begangen hat, die gleiche Reaktion erwarten.“ Amerikaner, die mit Falschmeldungen oder Gutheißung terroristischer Gewalt Pogrome schüren, könnten verhaftet oder aus dem Land ausgewiesen werden, erklärten britische Regierungsvertreter.

Musk verstand das auch auf sich gemünzt, heulte, die britische Regierung greife „die freie Meinung“ an und stellte sie mit der „Sowjetunion“ auf eine Stufe. Er wurde nicht namentlich erwähnt. Ein Haftbefehl ist für ihn noch nicht ausgestellt.

Der 228-Milliarden-Mann greift nicht nur persönlich als Aktivist und geistiger Brandstifter ein. Das zum X verkommene Twitter hat er in ein Fake-News-Shithole verwandelt, das nicht nur die Zwietracht schürt und Desinformation Raum gibt. Die Algorithmen begünstigen Aufstachelung.

Skurrilerweise dürfte Musk sich dabei selbst gleich mit radikalisieren. Wer dem Negativismus dauernd ausgesetzt ist, macht eine Gehirnwäsche durch.

Die Folgen sind verheerend, aber die Social-Media-Plattformen spielen Unschuldslämmer. Sie seien ja nur Plattformen, die die Infrastruktur zur Verfügung stellen – für die User könne man nichts. Würde man sie als „Medien“ behandeln, wäre das ganz anders: Dann wären sie, wie jeder Zeitungsherausgeber, für Lügen, Verleumdungen und Gewaltverherrlichung mitverantwortlich.

Nichtsdestoweniger hat die EU-Kommission gegen X bereits mehrere Verfahren wegen Verstoßes gegen den „Digital Service Act“ laufen. X, Telegram, Tiktok sind auf jeweils unterschiedliche Weise zu Brandbeschleunigern geworden. Musks radikale politische Agenda setzt dem ganzen nur die Krone auf.

Gern spricht Musk vom „Woke Mind Virus“, den er für eine neue Form des Kommunismus hält. Obsessiv postet er zum beliebten rechtsextremen Themenstrauß. AfD-Mann Björn Höcke tröstet er, weil der nicht ungestraft in SA-Manier „Alles für Deutschland“ brüllen darf. Natürlich konnte Musk auch die globale Cyberhetze gegen die algerische Boxerin Imane Khelif nicht vorbeigehen lassen, ohne sie extra anzustacheln. Besonders widerwärtig anzusehen ist, dass Elon Musk sogar seine eigene Trans-Tochter öffentlich mobbt, statt sich ihrer mit Zugewandtheit anzunehmen. Als Vater sei er „grausam“ und „gefühllos“ gewesen, sagt sie.

Musk ist nur einer von vielen Superreichen, die heutzutage einen Ideologiecocktail verrühren, der Autoritarismus, Kulturkampf, technologische Fortschrittlichkeit und ökonomischen Radikalliberalismus verbindet. Aber er hat sich in die totale Wirrköpfigkeit hineingesteigert.

Elon Musk verkörpert, so wie auch Peter Thiel, mit dem er einstmals gemeinsam Paypal gründete, den Typus der autoritären Libertären unter den Tech-Visionären der US-amerikanischen Westküste. Junge Männer, Nerds, mit einem gehörigen Schuss Gigantomanie und Arroganz, die sich als Mover und Shaker sehen, die die Welt durch Unternehmertum verändern – und die der Hype zu Multimilliardären machte. Die dabei aber, so empfinden sie das, von progressiven Moralisten, von faulen Sozialstaat-Abhängigen und von einem intervenierenden Staat behindert werden.

Die libertären Autokratiefans sind eine schräge Mischung aus anarchisch und autoritär, geprägt sind sie wohl auch durch ihren biografischen Hintergrund. Musk wurde in Südafrika sozialisiert, Thiel lebte eine Zeit lang im heutigen Namibia. „Nerds, die immer noch von weißen Erobererideen angetrieben werden, von dieser Idee von unentdeckten Ländern (die natürlich bewohnt waren), die sich im Westen der USA, wo die blutige Expansion europäischer Sied­le­r:in­nen endete, mit digital ideas und disruptive technologies niederließen“, wie der Dramatiker Thomas Köck in seinem diese Woche erschienenen Buch „Chronik der laufenden Entgleisungen“ bemerkt.

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Peter Thiel proklamierte bereits 2009: „Ich glaube nicht länger, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind.“ In der Demokratie neigt die Politik zur „Einmischung in anderer Leute Leben ohne ihre Zustimmung“. Letztlich vertritt Thiel eine rassistische und antidemokratische Ideologie, von der sein Biograf einmal sagte, sie „grenze an Faschismus“.

Radikale Libertäre und die faschistische Rechte sollten, möchte man meinen, eher Schwierigkeiten miteinander haben. Hier Individualismus, Freiheitspathos und Feindschaft gegen jede Form von Staatsmacht, dort ethno­na­tio­na­ler Gemeinschaftskult und Liebe zum Totalitären. Aber schon Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman, der Säulenheilige der Radikalliberalen, war nicht zufällig ein Bewunderer von Militärdiktatoren wie Augusto Pinochet. Friedman glaubte vielmehr, dass „eine demokratische Gesellschaft, wenn sie einmal gefestigt ist, die freie Wirtschaft zerstört“.

Thiel wiederum erklärte unlängst, das Christentum sei an „Woke“ schuld, weil es „immer die Seite der Opfer einnimmt“. Parteinahme für Opfer, Verlierer, Unterprivilegierte oder Unterdrückte, das sei die Pest, so die Ideologie: denn sie behindere die Tatkräftigen, mache den Winnern ein schlechtes Gewissen und gebe den vielen Schwachen eine Stimme. Bei Leuten wie Musk und Thiel wird diese Überzeugung noch mit einer Art Nietzscheanismus für simple Gemüter vermengt, einer Übermenschenfantasie.

Beim Interview mit Trump war Musk ergriffen von der eigenen Bedeutung, zugleich peinlich unterwürfig, eine seltsame Mischung aus Devotheit und Gigantomanie.

Musk bewundert entsprechend Javier Milei, den argentinischen „Libertären“, der mit 56 Prozent der Wählerstimmen zum Präsidenten gewählt wurde, einen ultraradikalen Schreihals, der nicht für einen schlanken Staat eintritt, sondern für die Zerstörung aller staatlichen Institutionen, der sich als „Anarchokapitalist“ versteht und die gelb-schwarze Fahne schwenkt.

Musk hat Milei angerufen und ihn seiner Unterstützung versichert – und, wie Milei später freimütig gestand, bei der Gelegenheit auch Interesse an Argenti­niens Lithiumvorräten geäußert. Ob Donald Trump, Jair Bolsonaro, Benjamin Netanjahu, Indiens Narendra Modi – kein radikaler, ultranationa­listischer Zündler, bei dem Musk es nicht mit seiner Ranschmeißerei versucht.

Charakteranalysen verweisen gern auf Musks Kindheit in Südafrika und seinen schwierigen Vater. „Rüde auf dem Schulhof oder im Zeltlager verprügelt zu werden, gehörte zu Musks bleibenden Kindheitserinnerungen, die von toxisch maskulinen Werten geprägt waren.“ (Nils Jacobsen) Musk kombiniert geniale Gedanken, manchmal naives, unverständliches Verhalten und Charakterzüge wie weitgehende Empathielosigkeit, die gelegentlich mit seinem Asperger-Autismus entschuldigt werden.

„Du musst dich nicht immer in einem Kriegszustand befinden“, soll Shivon Zilis zu Musk einmal gesagt haben, die Managerin und Venture-Kapitalistin, mit der Musk drei Kinder hat. Seine Replik: „Es ist aber Teil meiner Voreinstellungen.“

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