Tour de France Femmes: Mal was Neues probieren

Bei der Frankreichrundfahrt machen Athletinnen auf sich aufmerksam, die sich sonst eher auf dem Holzoval der Bahn oder im freien Gelände austoben.

Puck Pieterse (li.) im siegt in Lüttich im Schlusssprint vor Demi Vollering (re., im Gelben Trikot) und Katarzyna Niewiadoma Foto: AP/Dejong

Cyclocross-Europameisterin Puck Pieterse holt einen Etappensieg bei der Tour de France Femmes. Verfolgungsolympiasiegerin Chloe Dygert schrammt knapp daran vorbei. Gravelweltmeisterin Kasia Niewiadoma schielt auf das Gelbe Trikot. Und selbst die aktuelle Straßendominatorin Demi Vollering will sich in Zukunft zumindest mal im Training auf einem Cyclocross-Rad ausprobieren.

Das ist der neue Trend im Frauenradsport: Einfach nur Straßenrennen zu fahren ist langweilig. Daher machen bei der Tour de France Femmes Athletinnen auf sich aufmerksam, die sich sonst auch gern auf dem Holzoval der Bahn, den Buckel- und Lehmpisten im freien Gelände und sogar bei den legendären Strandrennen in Belgien und den Niederlanden austoben.

Puck Pieterse sorgte bei dieser Austragung der Tour für den bisher aufregendsten Moment. Im Finale der 4. Etappe kämpfte sie im Sprint Demi Vollering nieder. Die Frau in Gelb wusste nicht recht, wie ihr geschah. Normalerweise gewinnt Vollering solche Etappen, bei denen es hüglig ist und nur kleine, ganz erlesen besetzte Gruppen von Athletinnen den Sieg unter sich ausmachen. Aber bei dieser Etappe, die über ikonische Rampen der Ardennenklassiker Lüttich–Bastogne–Lüttich und Amstel Gold Race führte, war eben die erst 22-jährige Tour-Debütantin Pieterse vorn. Sie war natürlich überglücklich, sprach von „einem Traum, der in Erfüllung ging“.

Allerdings musste sie gar nicht lange träumen. Erst in dieser Saison stieg sie ernsthaft in den Straßenradsport ein. Vorher wurde die Niederländerin Europameisterin im Cyclocross, gewann zwei Mal den Weltcup. Und wenn ihr im Olympischen Mountainbike-Rennen nicht ein Defekt dazwischengekommen wäre, dann hätte sie aus Paris die Silbermedaille mitgenommen. So aber wurde es nur der undankbare vierte Platz. „Sie war danach sehr enttäuscht“, blickte Vollering, die sich bei Olympia disziplinübergreifend um ihre junge Landsfrau gekümmert hatte, zurück.

Puck Pieterse ist erst

in dieser Saison

ernsthaft in den Straßenradsport eingestiegen

„Ich habe ihr dann gesagt, solche Rennen würde es in einer Karriere geben, aber es kommen dann auch wieder andere Rennen, wo man viel zurückbekommt.“ Dass die Trösterin ein paar Tage später die Gelackmeierte war, Pieterse sie bei der Tour bezwang, verärgerte Vollering keineswegs. Sie freute sich mit Pieterse und bescheinigte ihr eine große Zukunft. „Sie hat viel Talent, aber auch noch viel Luft nach oben. Ich bin neugierig, was sie an den langen Anstiegen zeigen kann. Wir werden dann sehen, wie sich das im Hinblick auf die Gesamtwertung entwickelt“, meinte sie über die Gesamtzweite nach vier Etappen.

Pieterse verdankte ihren Sieg auch der exzellenten Vorarbeit ihrer Teamkolleginnen Yara Kastelijn und Pauliena Rooijakkers. Die beiden sind ebenfalls erfahrene Geländefahrerinnen. Kastelijn, im letzten Jahr Etappensiegerin bei der Tour de France Femmes, ist unter anderem Europameisterin im Cyclocross. Rooijakkers ist vierfache Europameisterin und vierfache Landesmeisterin im Beach Race. Das sind Rennen im tiefen Sand vor allem an den belgischen und niederländischen Küsten. Es handelt sich um eine noch junge, aber rasant an Popularität gewinnende Disziplin, die zu Mountainbike, Cyclocross und Gravel hinzukommt.

Vom Gelände auf die Straße

„Es ist cool zu sehen, wie wir uns als Team entwickelt haben. Begonnen haben wir als ein Haufen von Cyclocross-Spezialistinnen, die auch die Straße ausprobieren wollten“, strahlte Pieterse. Ihr Rennstall Fenix-Deceuninck wurde von den Brüdern Christoph und Philip Roodhooft vor allem in der Absicht gegründet, Geländespezialistinnen auch zu einem Straßenprogramm zu verhelfen. Gleiches bewerkstelligten sie bei den Männern um Superstar Mathieu van der Poel.

In Sachen Gesamtwertung muss Vollering neben dem Team der Geländespezialistinnen vor allem mit der aktuellen Gravelweltmeisterin Kasia Niewiadoma rechnen. Die wurde zwei Mal Dritte bei der Tour. Erst über den Ausflug auf die Schotterstrecken bekam die Kapitänin des deutschen Rennstalls Canyon SRAM das Gefühl für Siege zurück. Forsch kündigte sie für das große Finale am Sonntag in den Alpen an: „Ich will in Alpe d’Huez gewinnen. Ich will, dass mein Name auf einer der Schikanen auf dem Weg nach oben steht.“

In ihrem Team kann sie dabei auf Unterstützung einer weiteren Mehrfachbegabung zählen. Chloe Dygert ist frisch gebackene Olympiasiegerin in der Mannschaftsverfolgung auf der Bahn. Auf der 3. Etappe verpasste sie als Zweite des Zeitfahrens nur um fünf Sekunden den Tagessieg. Mit großer Spannung darf man im nächsten Jahr auch auf die Rückkehr der Vielseitigkeitskönigin Pauline Ferrand-Prevot in den Straßenradsport schauen. Die Mountainbike-Olympiasiegerin von Paris war vor zehn Jahren schon Weltmeisterin auf der Straße. Dann sattelte sie aufs Gelände um, holte sich Regenbogentrikots im Cyclocross, Mountainbike und Gravel. Nun aber hat die Frauentour erneut ihr Interesse für die Straße geweckt. „Ich will in den kommenden Jahren die Tour gewinnen“, kündigte sie an.

Vielleicht als Antwort darauf hat Vollering, Titelverteidigerin bei der Tour, über die bei Olympia erfahrene Nähe zur Geländespezialistin Pieterse Lust auf Cyclocross bekommen. „Vielleicht probiere ich das im Training mal“, sagte sie. Für Vielseitigkeit ist es eben nie zu spät.

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