Orange findet’s nicht lustig

Die frei erhältliche Droge Lachgas wird bei Jugendlichen immer beliebter. Das sorgt nun in der Müllverbrennung der BSR für Probleme

Von Claudius Prößer

Die BSR hat ein Problem mit Sprengkraft: Lachgaskartuschen, die in den Kesseln der Müllverbrennung in Ruhleben explodieren. Rund 250 der Metallflaschen landen laut BSR mittlerweile jeden Tag in der Müllverbrennung, täglich kommt es im Schnitt zu vier bis fünf Explosionen von Behältern, die nicht vollständig geleert sind. Das stark gestiegene Aufkommen ist aber auch ein Anzeichen dafür, wie sehr der Konsum von Lachgas als Partydroge zugenommen hat.

Lachgas – wissenschaftlicher Name: Distickstoffmonoxid – ist ein hochproblematisches Treibhausgas aus natürlichen und menschengemachten Quellen. Genutzt wird es schon seit Langem als mildes Anästhetikum, aber auch als Droge, die beim Inhalieren einen kurzen euphorisierenden Rausch auslöst. In Deutschland ist es leicht erhältlich: Im Gegensatz etwa zu den Niederlanden, wo der private Besitz von Lachgas seit 2023 verboten ist, kann man hier die Substanz im Supermarkt, im Späti oder online erwerben – offiziell immer zum Aufschäumen von Sahne.

Seit Kurzem bieten Hersteller auch Großzylinder mit 500 oder gar 2.000 Gramm aromatisiertem Lachgas an. Letztere Menge entspricht über 250 der kleinen Kartuschen, die tatsächlich manchmal noch in Sahnespendern landen. „Sie werden sich beim Zubereiten von Desserts, Cupcakes usw. wohl fühlen“, heißt es auf einer Onlineproduktseite verschwörerisch. Es sind diese Gasflaschen – in knalligen Farben und manchmal sogar mit trendiger Trageschlaufe –, die der BSR nun Probleme bereiten.

17 Prozent der Schü­le­r*in­nen zwischen 15 und 18 haben Lachgas probiert

Studie des Gesundheitsministeriums

„Wir haben Risse in den Flächen, durch die die Leitungen zur Dampferzeugung gehen“, erklärt BSR-Sprecherin Kirstin Härtig, „dadurch haben wir auch Risse in den Leitungen selbst und dadurch tritt Wasserdampf in den Verbrennungsraum aus.“ Die BSR erzeugt mit der Verbrennung gemischten Mülls Hochdruckdampf, der im benachbarten Kraftwerk Reuter zur Strom- und Fernwärmeerzeugung genutzt wird. Bei Austreten des Dampfes verliert das System Wasser, und der Kessel muss zur Reparatur heruntergefahren werden.

Dass Lachgas überhaupt zu Explosionen führt, scheint auf den ersten Blick widersprüchlich, denn das Gas ist an sich nicht brennbar. Allerdings spaltet es sich bei hohen Temperaturen, wie sie in einem Verbrennungskessel entstehen, in Stickstoff und Sauerstoff auf – und der sorgt dann für eine heftigere Oxidation, sprich: Verbrennung anderer Stoffe. Es gibt sogar Motoren und Raketentreibsätze, die Lachgaseinspeisung für einen erhöhten Schub nutzen.

Die BSR hat nun einen Antrag bei der Senatsumweltverwaltung gestellt, Lachgasbehälter aus den Straßenmüllbehältern heraussammeln zu dürfen, um zu verhindern, dass diese in der Verbrennung landen. Die Senatsverwaltung hat eine schnelle Genehmigung in Aussicht gestellt.

Sprühsahne liegt bei Jugendlichen scheinbar voll im Trend Foto: Annette Birschel/dpa

Ebenso problematisch wie diese technischen Herausforderungen dürfte die Tatsache sein, dass Lachgaskonsum gerade bei Jugendlichen immer verbreiteter ist. Laut einer Studie hatten schon 2022 etwa 17 Prozent der deutschen Schü­le­r*in­nen zwischen 15 und 18 mindestens einmal Lachgas probiert. Jugendliche berichten von Partys, auf denen eine Lachgaskartusche mit Luftballons ganz selbstverständlich dazugehört.

Die Senatsgesundheitsverwaltung verfolgt nach eigener Aussage „sehr aufmerksam die Berichterstattung“, nach der sich Fälle gesundheitlicher Schäden häuften. Es lägen allerdings noch zu wenige Daten in Bezug auf die Risiken vor, sagte ein Sprecher zur taz. Im Prinzip ist eine Lachgasinhalation zwar ungiftig, durch unkontrollierte Anwendung kann es aber zu einem Sauerstoffmangel mit Bewusstlosigkeit kommen. Bei häufigem Konsum drohen zudem Schäden von Knochenmark und Nervensystem, da Lachgas die Aufnahme des lebensnotwendigen Vitamins B12 verhindert. Die Senatsverwaltung befürwortet deshalb neben mehr Aufklärung die Prüfung von Abgabeverboten oder Warnhinweisen. Dies müsse aber auf Bundesebene passieren, so der Sprecher.