Nötigungsvorwurf gegen Ex-Polizeichef: Strobl kürzt Beamtensold
Baden-Württembergs Innenminister sanktioniert den suspendierten Polizeiinspekteur – und ist offenbar optimistisch, ihn ganz loszuwerden.
STUTTGART taz | Das baden-württembergische Innenministerium verhängt gegen den ehemals höchsten Polizisten des Landes vorläufig die beamtenrechtliche Höchststrafe. Andreas Renner, 51, der im Juli letzten Jahres vom Amtsgericht Stuttgart vom Vorwurf der sexuellen Nötigung einer ihm untergebenen Polizeibeamtin freigesprochen wurde, wird nun offiziell mit sofortiger Wirkung des Dienstes enthoben. Bisher war der damalige Polizeiinspekteur nur suspendiert. Dabei wird ihm der Beamtensold in erheblichem Umfang gekürzt. Laut Gesetz kann diese Kürzung bis zu 50 Prozent betragen.
Renner war nach Bekanntwerden der Vorwürfe im November 2021 bereits vom Dienst beurlaubt worden, hatte aber weiter seinen Beamtensold von fast 8.500 Euro brutto erhalten. Nach seinem Freispruch kündigte das Innenministerium jedoch gleich an, ein Disziplinarverfahren gegen Renner weiterzuführen, um mögliche nichtstrafbare Dienstvergehen des Polizeiinspekteurs zu prüfen. Dafür wurden zwei Richter an das Ministerium abgeordnet.
Das Beamtenrecht verlangt von Staatsdienern ein Verhalten, das das Ansehen und Vertrauen in das Amt, das sie ausüben, nicht schädigt. Das Strafverfahren gegen den ehemaligen Polizeiinspekteur hatte ergeben, dass Renner in der Vergangenheit Nacktbilder von sich in sexuellen Posen an untergebene Polizeibeamtinnen verschickt hatte. Zudem hatte er Kolleginnen im Innenministerium nach deren Aussagen offen sexuelle Avancen gemacht.
Im Untersuchungsausschuss des Landtags war zudem eine Anekdote aus seiner Zeit als stellvertretender Chef des Landeskriminalamts bekannt geworden. Während die Corona-Maßnahmen Kontakte einschränkten, hatte Renner offenbar in seinem Büro mit Kollegen eine Party gefeiert. Eine Beamtin, die die leeren Flaschen entsorgte, war von einer Polizeistreife zu Rede gestellt worden.
Verfahren wegen Bestechlichkeit
Die jetzige Entscheidung sei das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen im Disziplinarverfahren, erklärte das Innenministerium, das offenbar optimistisch ist, Renner am Ende ganz aus dem Beamtenverhältnis entfernen zu können. Auf das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft Stuttgart wollte das Ministerium offenkundig nicht warten.
Dort läuft noch ein Verfahren wegen Bestechlichkeit. Renner soll in einem Videotelefonat der Beamtin, die gegen ihn die Vorwürfe der sexuellen Nötigung erhoben hatte, berufliche Vorteile in Aussicht gestellt haben, falls sie eine sexuelle Beziehung mit ihm eingehe. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft eine Anklage inzwischen seit fast einem Jahr.
Die Opposition von FDP und SPD hatte längst gefordert, Renner zumindest vorläufig die Bezüge zu kürzen, und warf dem Innenminister Untätigkeit vor. Renners Strafverteidigerin bezeichnete die Disziplinarmaßnahme als „rein politische Entscheidung“, die jeglicher rechtlichen Grundlage entbehre. Renner hat dagegen beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht.
Leser*innenkommentare
Janix
Naja, Arbeitsrecht schützt vor Willkürkündigung. Vor dem Abschluss des Disziplinarverfahrens wird man eigentlich keinen Schnellschuss machen wollen.
Und doch klingt dies wie beschrieben wie nicht ok.
Und ihn zu etwas weniger Sensiblem versetzen und mit viel Verhaltensstraining?
Gostav
@Janix Es gibt im Beamtenrecht die Treupflicht:
Der Beamte hat sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass sie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, das ihr Beruf erfordert.
Dem nach haben sie alles zu unterlassen, was dem Ansehen des Staat es, der Dienstbehörde oder dem Berufsbeamtentum schaden könnte.
Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen (§ 77 BBG).
„Schuldhaft" heißt, die Pflichten wurden vorsätzlich oder fahrlässig verletzt.
Auch ein Verhalten außerhalb des Dienstes kann ein Dienstvergehen darstellen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles besonders geeignet ist, Achtung und Vertrauen in das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsam zu beeinträchtigen.
Disziplinarmaßnahmen gegen Dienstvergehen reichen über eine Zurückstufung in der Laufbahn bis zur Entfernung aus dem Dienst.
Der sollte seine Handlung nicht vergoldet bekommen, denke ich.