piwik no script img

Kanzlerdämmerung West

SPD-Abgeordnete aus NRW votieren gegen Neuwahlen

Ausgerechnet die sonst kanzlertreue NRW-SPD brockt Gerhard Schröder Ärger ein. Erst fahren die Genossen bei der Landtagswahl eine desaströse Niederlage ein – und läuten damit wohl das Ende von Rot-Grün im Bund ein. Dann erklärt der SPD-Unterbezirk Dortmund, dass der Kanzler besser nicht zu einer Wahlkampf-Großveranstaltung in Dortmund antreten solle – er sei nun mal „im Moment kein Zugpferd“ und den Wahlkämpfern eher hinderlich.

Und schließlich probt die mächtige, 60 Abgeordnete starke NRW-Landesgruppe im Bundestag auch noch den Aufstand: Die Sozialdemokraten sprechen sich öffentlich gegen die angekündigten Neuwahlen aus. Schröder sei schließlich „ein guter Kanzler“: „Es gibt keinen Grund, ihm das Vertrauen zu entziehen“, erklärte Landesgruppenchef Hans-Peter Kemper. Gegenüber der Welt sagte er, „kein einziges Argument“, spreche für Neuwahlen.

Als der Parteivorstand am Mittwoch über den Plan abstimmte, votierten denn auch Kempers NRW-Parteikollegen Ulla Burchardt und Christoph Zöpel gegen Münteferings Antrag. Ihm sei nicht klar, wie die Strategie zum Erfolg führen könnte, sagte Zöpel der taz. Außerdem gebe es „Indizien, dass die neoliberale Hegemonie in Europa bald an ihr Ende“ komme – das hätte auch Rot-Grün 2006 zum Erfolg verhelfen können.

An der SPD-Basis in NRW teilen viele diese Zweifel. Die Sozialdemokraten sind nach dem Debakel bei der Landtagswahl nicht nur wahlkampfmüde, sondern auch ratlos – und pessimistisch. Die Abstrafung durch die Wähler am 22. Mai hat sie mürbe gemacht, vor allem die Hartz-Reformen machen ihnen zu schaffen: „Wenn wir weiter machen wie bisher, wird es schwierig. Wenn wir alles umschmeißen, haben wir bei der Wahl auch keine Chance“, sagt ein Bundestagsabgeordneter aus dem Ruhrgebiet. Dass der alte Wahlkampf-Haudegen Schröder das Ruder nochmal herumreißen könnte glauben nur die wenigsten. Nicht umsonst hält sich selbst unter Genossen hartnäckig das Gerücht, Franz Müntefering werde Schröder noch als Kanzler(-Kandidat) ablösen. Wie blank die Nerven in der SPD liegen, beweist die Reaktion von Partei-Vize Michael Müller: Das Gerücht sei doch nur „eine Latrinenparole“. ULLA JASPER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen