+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Zwei weitere Geiseln tot

Zwei weitere Geiseln in der Gewalt der Hamas wurden für tot erklärt. Nach dem israelischen Vorstoß auf Chan Junis wird von vielen Todesopfern berichtet.

Palästinenser*innen inspizieren die Überreste zerstörter Gebäude in Chan Junis

Zerstörte Häuser in Chan Junis Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

Viele Tote bei Vorstoß auf Chan Junis

Bei einem neuerlichen Vorstoß der israelischen Streitkräfte im südlichen Gazastreifen hat es palästinensischen Berichten zufolge viele Tote gegeben. Die Armee habe im Osten der Stadt Chan Junis angegriffen, sagten Augenzeugen. Mindestens 39 Palästinenser, unter ihnen Frauen und Kinder, seien ums Leben gekommen, weitere 80 hätten Verletzungen erlitten, teilten Krankenhausmitarbeiter in Chan Junis mit. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die israelische Armee hatte zuvor die Bewohner im östlichen Teil der Stadt dazu aufgerufen, das Gebiet unverzüglich zu verlassen. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse hätten ergeben, dass die islamistische Hamas von dort aus Raketenangriffe auf Israel durchführte. Die Armee würde dagegen entschieden vorgehen, für Zivilisten würde es gefährlich werden, teilte sie auf ihrem Telegram-Kanal mit. Zu diesem Zwecke seien auch die Grenzen einer humanitären Zone für Zivilisten geändert worden, weil die Hamas aus dem betreffenden Gebiet heraus Israel angegriffen habe. (dpa)

Zwei weitere Geiseln für tot erklärt

Israel hat zwei weitere Geiseln in der Gewalt der Hamas für tot erklärt, darunter ein polnisch-israelischer Doppelstaatsbürger. Militärvertreter hätten die Familien von Alex Dancyg (76) und Jagev Buchstab (35) informiert, teilte die Armee mit. Sie seien am 7. Oktober vergangenen Jahres „brutal in den Gazastreifen entführt worden“. Beide Männer seien nicht mehr am Leben, ihre Leichen würden von der Terrororganisation Hamas festgehalten.

Die Entscheidung, sie für tot zu erklären, basiere auf Geheimdienstinformationen und sei von einem Expertenforum gebilligt worden. Die Umstände ihres Todes in der Gewalt der Hamas würden untersucht.

Das Forum der Geiselfamilien teilte mit, man trauere um die beiden Männer. Der Historiker Dancyg stammte aus Polen und arbeitete in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Er hatte sich jahrelang für eine Vertiefung der Beziehungen zwischen Israel und Polen eingesetzt und war an der Vorbereitung von Schülerreisen beteiligt. Freigekommene Geiseln hatten berichtet, der passionierte Lehrer habe ihnen in der Gefangenschaft Geschichtsunterricht erteilt.

Das Forum schrieb: „Jagev und Alex wurden lebend gefangen genommen und hätten lebend zu ihren Familien und in ihr Land zurückkehren sollen.“ Ihr Tod spiegele auf tragische Weise die Konsequenzen der Verzögerungen bei den Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen und Freilassung der 120 Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge wider. Man fordere von der israelischen Regierung, einem Geisel-Abkommen umgehend zuzustimmen. „Mit jeder Woche, die vergeht, läuft die Zeit für die Geiseln ab.“ (dpa)

Israel ordnet Evakuierung im südlichen Gazastreifen an

Bei neuen israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach Angaben örtlicher Mediziner mindestens 16 Palästinenser getötet worden. Darunter seien sechs Kinder und vier Frauen, teilten Vertreter der Gaza-Gesundheitsbehörde am Montag mit. Dutzende weitere Menschen seien verletzt worden. Die Todesopfer habe es bei Panzerbeschuss und Luftangriffen in der Nähe der Stadt Chan Junis gegeben. Das israelische Militär ordnete zudem die Evakuierung einiger Gebiete im Bereich der im Süden des Palästinenser-Gebiets gelegenen Stadt an.

Die Menschen seien aufgefordert, ihre Häuser zu räumen und sich in die als Auffanglager ausgewiesene sogenannte humanitäre Zone Al-Mawasi zu begeben. Gesundheitseinrichtungen seien davon nicht betroffen. Israel begründete sein Vorgehen mit neuen Angriffen militanter Palästinenser vom östlichen Teil von Chan Junis aus, bei denen unter anderem Raketen abgefeuert worden seien. Von palästinensischer Seite wurde dies bestritten und als Vorwand für weitere israelische Angriffe bezeichnet.

Unter den Toten in der Nähe von Chan Junis war nach palästinensischen Angaben auch eine Familie. „Eine Familie, mitsamt Kindern, wurde in Stücke gerissen, während sie schlief“, sagte ein Mann in einem Krankenwagen, der die Leichen transportierte. Die Medien der im Gazastreifen herrschenden radikal-islamischen Palästinenser-Organisation Hamas sprachen sogar von 26 Toten. (rtr) |

EU erwägt mehr Druck auf Israel wegen Siedlungen

In der Europäischen Union werden Überlegungen konkreter, den Druck auf Israel wegen der jüdischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten zu erhöhen. Zudem soll die Regierung in Jerusalem dazu gebracht werden, die Zwei-Staaten-Lösung für einen dauerhaften Frieden zu akzeptieren.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte die 27 EU-Mitgliedsstaat am Montag auf, eine härtere Haltung gegenüber Israel einzunehmen, nachdem der Internationale Gerichtshof die Besetzung des Westjordanlands für illegal erklärt hat. „Wir müssen jetzt diskutieren, was wir machen, was die Konsequenzen sind“, forderte er vor dem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Das gelte auch für die Situation in Gaza, wo es eine humanitäre Katastrophe durch die israelischen Angriffe gebe. Fast 40.000 Menschen seien getötet worden.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock verwies darauf, dass die EU nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) eine Verantwortung habe. „Klar war bereits vor dem Gutachten, dass die Siedlungspolitik der israelischen Regierung völkerrechtswidrig ist und dass die Siedlungspolitik einer Zwei-Staaten-Lösung im Wege steht“, betonte sie. Auch wenn das Gutachten nicht bindend sei, wäre die israelische Regierung gut beraten, „endlich den Weg freizumachen für eine Zwei-Staaten-Lösung“, die neben dem israelischen auch einen palästinensischen Staat umfasst. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu lehnt dies seit langem ab.

Die Richter des IGH waren in ihrem Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass Israel dazu verpflichtet sei, den Palästinensern Reparationen für die durch die Besatzung verursachten Schäden zu zahlen. Israel hatte 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem besetzt und baut dort seither Unterkünfte für jüdische Siedler. Der IGH ist das höchste Rechtsorgan der UN und wird daher auch Weltgericht genannt. (rtr) |

Israel greift nach Beschuss Hisbollah-Stellungen an

Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israels Armee und der Hisbollah im Libanon gehen weiter. Erneut reagiert Israel auf Beschuss des Nordens des Landes.

Tel Aviv/Beirut – Die israelische Luftwaffe hat nach Beschuss durch die proiranische Hisbollah erneut Stellungen der Miliz im Südlibanon beschossen. Wie die israelische Armee am Abend mitteilte, sei eine Raketenabschussanlage bombardiert worden. Zudem seien ein Beobachtungsposten und „Terror-Infrastruktur“ der Hisbollah angegriffen worden. Nähere Details wurden nicht genannt. Die Angaben konnten unabhängig nicht überprüft werden. Zuvor soll die Hisbollah den Norden Israels mit Raketen und Drohnen angegriffen haben.

Israel und die libanesische Schiitenmiliz liefern sich seit dem Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. Zuletzt nahm deren Intensität deutlich zu. Auf beiden Seiten gab es Tote. Die Hisbollah handelt nach eigenen Aussagen aus Solidarität mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen. Seit langem wird befürchtet, dass sich der Konflikt ausweiten könnte. (dpa) |

Netanjahu entsendet Delegation für Geisel-Gespräche am Donnerstag

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will am Donnerstag eine Delegation für Gespräche mit der radikal-islamischen Hamas über ein Geisel-Abkommen entsenden. Das teilt das Netanjahus Büro mit. Netanjahu habe am Sonntag ein Treffen mit der Delegation und hochrangigen Mitgliedern des israelischen Verteidigungsapparats abgehalten.

In der Erklärung wurde das Ziel der Delegation nicht genannt. Die von Katar und Ägypten geführten und von den USA unterstützten Bemühungen um einen Waffenstillstand haben bisher zu keiner Einigung geführt. Beide Seiten des seit mehr als neun Monaten andauernden Gaza-Konflikts geben sich gegenseitig die Schuld an der festgefahrenen Situation. (rtr) |

Isrealisches Militär will Ultraorthodoxe einberufen

Das israelische Militär hat Einberufungsbescheide an 1000 Mitglieder der ultraorthodoxen Gemeinschaft verschickt. Damit soll die Armee aufgestockt werden, was jedoch die Spannungen zwischen religiösen und säkularen Israelis weiter anheizen könnte. Der Oberste Gerichtshof des Landes hatte Ende Juni entschieden, dass auch ultraorthodoxe Juden wehrpflichtig sind und zur Armee müssen. Strenggläubige Juden waren in Israel bislang vom Militärdienst befreit.

Das israelische Militär bietet Soldaten, die im Gazastreifen Dienst tun, Impfstoff gegen Kinderlähmung an. Die Soldaten würden bei den routinemäßigen Truppenwechseln geimpft, obwohl dies nicht obligatorisch sei, teilt das Militär mit. In Testproben in Gebieten des Küstenstreifens waren zuvor Reste des ansteckenden Polio-Virus gefunden worden. In Zusammenarbeit mit internationalen Gruppen würden zudem genügend Impfstoffe bereitgestellt, um mehr als eine Million der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens zu impfen.

Während der neunmonatigen israelischen Militäroffensive, die durch den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst wurde, ist ein Großteil der Gesundheitsinfrastruktur im Gazastreifen zerstört worden. Hilfsorganisationen haben davor gewarnt, dass die Bevölkerung ohne angemessene Gesundheitsversorgung besonders anfällig für den Ausbruch von Krankheiten ist. (rtr) |

Huthis wollen Angriffe fortsetzen

Die jemenitische Huthi-Miliz hat angekündigt, ihrer Angriffe auf Israel fortzusetzen. Dabei sehe man sich an keine Regeln der Kriegsführung gebunden, sagt Huthi-Sprecher Mohammed Abdulsalam dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira. Es gebe „keine roten Linien“ bei der Reaktion der Huthis auf Israels Vorgehen. „Alle sensiblen Einrichtungen auf allen Ebenen werden ein Ziel für uns sein“, sagte er.

Bei dem israelischen Luftangriff im Bereich der jemenitischen Hafenstadt Hodeidah am Samstag sind laut Vertretern örtlicher Gesundheitsbehörden sechs Menschen getötet worden. 80 weitere Menschen seien verletzt worden, sagten die Insider.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will nach Angaben seines Büros am Dienstag mit Präsident Joe Biden zusammentreffen. Netanjahu werde am Montagmorgen in die USA aufbrechen, teilt das Büro mit.

Die Huthis im Jemen haben nach eigenen Angaben die israelische Hafenstadt Eilat mit mehreren ballistischen Raketen beschossen. Die israelische Flugabwehr hat nach Angaben des Militärs eine aus dem Jemen abgefeuerte Boden-Boden-Rakete am Sonntag abgefangen. Sie sei mithilfe des Abwehrsystems Arrow 3 abgeschossen worden, bevor sie israelisches Hoheitsgebiet erreicht habe.

In der südisraelischen Stadt Eilat heulen die Luftschutzsirenen. Die Einwohner rennen in die Schutzräume, berichtet das israelische Militär. Die am nördlichen Roten Meer gelegene Stadt wird immer wieder von den Huthi-Rebellen im Jemen angegriffen.

Saudi-Arabien sei nicht an den Angriffen auf Hodeidah im Jemen beteiligt, erklärt der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Turki al-Malki. Saudi-Arabien werde niemandem erlauben, seinen Luftraum zu infiltrieren. Im Krieg zwischen den vom Iran unterstützten schiitischen Huthi-Rebellen und der von Sunniten und anderen Gruppen dominierten Regierung Jemens in Sanaa steht Saudi-Arabien auf der Seite der Regierung. Das erzkonservative Königreich, das an den Norden des Jemens grenzt, begreift sich als Schutzmacht der Sunniten. (rtr) |

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