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Investitionen in ErneuerbareSchuldenbremse hilft Klimaschutz

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Weil sie klimaschädliche Investitionen verhindert, unterstützt die Schuldenbremse den Klimaschutz. Gelder gäbe es genug, sie müssten nur klüger ausgegeben werden.

Solange der Flug billiger ist als die Bahnfahrt, werden der Bahn Kunden fehlen Foto: Lutz Wallroth/zoonar/imago

D ass konservative Ökonomen die Auflösung der Schuldenbremse verlangen, verwundert nicht: Sie wollen einfach so weitermachen wie bisher. Der Staat soll mit seiner Investitionstätigkeit der schwächelnden Wirtschaft auf die Beine helfen und Wirtschaftswachstum generieren. Michael Hüther, Chef des konzernfreundlichen Instituts der deutschen Wirtschaft, begründete das in der taz mit der „Dekarbonisierung“: „Rund 200 Millionen veranschlagen wir für öffentliche Investitionen in den Klimaschutz“.

Überraschenderweise fordern linke Ökonomen das Gleiche: Für mehr Klimaschutz müsse die Schuldenbremse aufgehoben werden, so der Linke Rudolf Hickel. „Die aktuellen Herausforde­rungen – aufgrund der Klimanotlage, aber auch der ­anderen Krisen – lassen sich unter dem ­Regime der Schuldenbremse fiskalisch nicht ­bewältigen.“ Was ist da los?

Klimaschutz bedeutet weniger: weniger Treibhausgase. Weniger Zersiedelung, weil unbebauter Boden Kohlendioxid speichert, der frei wird, wenn dort ein Parkplatz entsteht. Weniger landwirtschaftlich genutzte Fläche, weil beim Umbruch der Bodenkrume Treibhausgas emittiert wird.

Weniger Fleisch, weniger Tempo auf der Autobahn, weniger Flüge, weniger Energieverbrauch, weniger Konsum, vor allem weniger Ressourceneinsatz. Nur wenn wir weniger von allem nutzen, besteht die Chance, die gefährlichen Kippelemente im Weltklimasystem stabil zu halten.

Mehr ist Weniger?

Klimaschutz bedeutet weniger: weniger Zersiedelung, weniger Fleisch, weniger Flüge, weniger Tempo, weniger Konsum

Stellt sich die Frage: Können wir dieses „Weniger“ durch den Einsatz von mehr Geld erreichen? Natürlich könnte der Staat einen staatseigenen Energiekonzern gründen, der massiv in die Erneuerbaren investiert. Genau solch einen Konzern hat die Ampel schließlich bereits gegründet, um die Infrastruktur für verflüssigtes Erdgas aufzubauen: Die bundeseigene Deutsche Energy Terminal GmbH betreibt Terminals in Stade, Brunsbüttel und Wilhelmshaven, damit die Fossil­konzerne weiter Gewinne machen können.

Sollte man also die Schuldenbremse auflösen, damit der Staat massiv in Windkraft, Speichertechnologie, Stromnetze oder die energetische Sanierung von bundeseigenen Immobilien investiert? Mit der FDP ist das zwar aktuell nicht machbar, zweifelsfrei dennoch ein verlockender Gedanke. Denn zum Klimaschutz gehören auch einige „Mehr“.

Also auch mehr Geld für den emissionsfreien Umbau der Wirtschaft? Hier sollten Ökonomen stutzen. Denn solche Programme sind sinnlos, solange die politischen Rahmenbedingungen die gleichen bleiben. Vattenfall hat am Standort Schwarze Pumpe genau so lange in die Erforschung der Abscheidung von Treibhausgasen investiert, wie es dafür Fördermittel gab. Die Deutsche Post hat genau so lange in E-Autos investiert, wie der Steuerzahler blechte. Solange fossiler Stahl vom Gesetzgeber nicht teurer als grüner Stahl gemacht wird, endet mit dem letzten Förder-Euro seine klimafreundliche Entwicklung.

Es sind die Rahmenbedingungen, die Klimaschutz voranbringen: Solange es ein Dienstwagen­privileg gibt, wird es im Verkehr nicht voran­gehen. Solange der Flug billiger ist als die Bahnfahrt, werden der Bahn Kunden fehlen. Wenn die deutsche Fleischindustrie mit Milliarden subventioniert wird, darf man sich nicht wundern, wenn die Landwirtschaft keine klimaverträglichen Alternativen entwickelt.

457 Milliarden sollten reichen

Braucht es mehr Geld für Förderprogramme, damit die private Transformation gelingt? Natürlich ist das hilfreich, um den deutschen Sparfuchs zu animieren, die Heizung klimafreundlich umzurüsten, ein Balkonkraftwerk anzuschaffen, den Umstieg auf Elektroautos zu beschleunigen. Aber brauchen wir dafür eine Auflösung der Schuldenbremse?

Mehr als 457 Milliarden Euro hat der Bund in diesem Jahr verplant, seit dem Covid-Jahr 2021 und dem Angriff auf die Ukraine sind die Ausgaben auf einem Rekordniveau. Laut Erhebung des Instituts für Weltwirtschaft ist fast jeder vierte Euro eine Subvention, ein Großteil davon ist nach Einschätzung des Umweltbundesamtes klimaschädlich. Geld für Klimaschutz wäre also da: Eine linke Position kann daher nicht sein, immer mehr auszugeben, sondern eine Umverteilung zu organisieren – sozial und klimagerecht.

Sicherlich ist es nicht ratsam, jede klimaschädliche Subvention sofort abzuschaffen. Beispielsweise ist die Förderung des sozialen Wohnungsbaus extrem klimaschädlich, solange dieser noch mit Beton und Ziegeln arbeitet. Die Wohnungsnot ist in vielen Großstädten ein akuteres Problem als die langsam einsetzenden Klimaschäden. Dass es genügend Geld im bundesdeutschen Finanzsystem gibt, um auch den Baubereich zukunftstauglich zu machen – beispielsweise durch Holz als Baustoff –, zeigt ein Blick auf den Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung: 2023 wurden laut Bundesrechnungshof nur 56 Prozent der dort veranschlagten Mittel ausgegeben, fast 16 Milliarden Euro sind noch übrig.

Spielraum für die Zukunft erhalten

Wer jetzt die Schuldenbremse für den Klimaschutz aufheben will, der will keinen Klimaschutz! Denn für eine nachhaltige Politik müssen verfügbare Ressourcen nach Klimagesichtspunkten klüger ausgegeben werden. Deutschlandticket und Tankrabatt, E-Auto-Prämie und Dieselprivileg, Förderung des Balkonkraftwerks und Subvention des Braunkohlebergbaus: Derlei Politik bringt nichts auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft – außer, dass wir den kommenden Generationen ihren Spielraum verkleinern, sich an die Folgen des Klimawandels anpassen zu können.

Im Gegenteil: Wir müssen jetzt die Schuldenbremse jedes Jahr um 1 Prozent anziehen, damit unsere Kinder und Enkel genug Finanzmittel zur Verfügung haben, um sich einst an den steigenden Meeresspiegel, die Hitze- und Dürrewellen, neue Krankheiten und notwendige neue Siedlungsstrukturen, den Verlust der Wirtschaftskraft und Produktivität, die Missernten und die Flut an Jahrhundertfluten anpassen zu können.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.