Nach Messerangriff in Großbritannien: Rechtsextreme Mobs auf den Straßen

Am Montag hatte in Großbritannien ein Teenager drei Mädchen getötet. Seitdem demonstrieren englandweit gewaltbereite Rechte.

Ein Mann mit tatowirten Armen zeigt auf das Gesicht eines Polizisten, er macht einen sehr wütenden Eindruck

„Genug ist genug“-Protest in Whitehall London am 31. Juli 2024 Foto: Jordan Pettitt/ap

LONDON taz | Der neue britische Premierminister Keir Starmer hatte sich am Donnerstagnachmittag mit Polizeichefs aus ganz England getroffen. Aktueller Anlass dieses eilig anberaumten Treffens waren anhaltende Proteste britischer Rechtsextremer an verschiedenen Orten in ganz England am Mittwoch.

In einer anschließenden Pressekonferenz sagte Keir Starmer, die Unruhen würden von einer kleinen Minderheit angeführt. Er nannte die Randalierer „rüpelhafte Kerle“, die Po­li­zei­be­am­t:in­nen angriffen, die noch am Vortag mit der Messerattacke konfrontiert worden waren. Diese Menschen hätten gezeigt, wer sie seien, mit Angriffen von Moscheen, Nazigrüßen am Weltkriegsdenkmal der britischen Gefallenen und Feuerwerkskörper auf ein Churchill-Denkmal. Churchill.

Er versprach, dass die Polizeieinsatzkräfte koordiniert gegen diese Aktionen vorgehen würden, die keine Proteste seien, sondern gewalttätige Unruhen, die den Ermittlungen der Tat vom Montag im Weg stünden und die betroffene Gemeinschaft zu doppelten Opfern machten. Soziale Medien müssten sich verantworten, so Starmer.

Bereits am Dienstag hatten Rechtsextreme im nordenglischen Badeort Southport unter anderem vor einer Moschee randaliert, nachdem am Montag ein Mann bei einer Ferien-Tanzveranstaltung drei kleine Mädchen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt hatte.

Mehr als 100 Menschen wurden allein in London festgenommen, nachdem im Voraus festgelegte Einschränkungen des Demonstrationsrechts gebrochen worden waren und sich einige der De­mons­tran­t:in­nen gewalttätig verhalten hatten.

Feuerwerkskörper und ein brennendes Polizeiauto

Im nordostenglischen Hartlepool versuchte sich ein wütender Mob einer Moschee zu nähern. Die Menschen warfen mit Gegenständen und Feuerwerkskörpern und setzten ein Polizeiauto in Brand. Im nordwestenglischen Manchester wurde ein Hotel, in dem Asyl­be­wer­be­r:in­nen untergebracht waren, zum Ziel einer Meute aus etwa 40 Rechtsextremen. In beiden Orten wurden zahlreiche Menschen festgenommen.

Auslöser der seit Dienstag anhaltenden Proteste und Ausschreitungen war der Messerangriff in Southport. Ein 17-Jähriger wurde am Donnerstag des mehrfachen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Der Angeklagte ist ein im walisischen Cardiff geborenen Teenager, dessen Eltern aus Ruanda stammen und der zuletzt in einem Dorf in der Nähe von South­port lebte.

Fake-News über angeblichen Bootsflüchtling

In Fake-News und Gerüchten war fälschlich verbreitet worden, dass es sich bei dem Jugendlichen um einen erst im letzten Jahr per Boot nach England geflüchteten Mann handeln sollte. Ein solches Täterprofil hätte perfekt in das Bild rechter und rechtsextremer Zirkel gepasst, die Einwanderung immer wieder als Gefahr und Bedrohung darstellen.

Zur Demo in London hatte Tommy Robinson, Aktivist und Mitgründer der rechtsextremen Gruppe „English Defence League“, gemeinsam mit dem ultrarechten Schauspieler Laurence Fox aufgerufen. Die beiden hatten sich bereits vor dem Messerangriff in Southport am vergangenen Samstag in einer rechtsextremen „patriotischen“ Demonstration am Londoner Trafalgar Square zusammengetan.

Dort hatte Robinson einen Film mit falschen Informationen bezüglich eines syrischen Flüchtlings gezeigt, gegen den er ein Verleumdungsverfahren verloren hatte. Der Flüchtling war 2018, noch als Schüler, ­Opfer eines auf Video aufgenommenen rassistischen Angriffes in der nordenglischen Stadt Huddersfield geworden. Tommy Robinson und andere Rechtsextreme versuchen seitdem mit falschen Informationen über das Opfer die Täter zu verteidigen.

Wegen des Filmes hatte die Staatsanwaltschaft im Juni ­gegen Robinson ein Verfahren eingeleitet. Die öffentliche Vorführung am Samstag stellte somit einen weiteren möglichen Rechtsbruch dar, weswegen Robinson am Montag zusätzlich vor Gericht erscheinen sollte. Doch er reiste stattdessen ins Ausland. Manche sprechen von Flucht.

Bootsflüchtlinge als politisches Dauerthema

Die Asyl suchenden Bootsflüchtlinge sind ein politisches Dauerthema in Großbritannien. Die neue Labour-Regierung, welche gerade das Abschiebungsprogramm nach Ruanda gestoppt hat, gab an, dass die konservative Regierung 6,4 Milliarden Pfund (knapp 7,6 Milliarden Euro) mehr als bislang angenommen für die Unterbringung von Asylsuchenden ausgegeben hatte. Das hatte zu einem angeblich vorher nicht bekannten 26,5-Milliarden-Defizit im Staatshaushalt geführt. Insbesondere die drei neuen Reform-UK-Abgeordneten, darunter Nigel Farage, problematisieren das Thema Migration ständig, seit sie ins Parlament gekommen sind.

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