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Walfleischliebhaber spüren Aufwind

In der Internationalen Walfangkommission könnte die Stimmung zugunsten Japans und Südkoreas kippen. Derzeit Jahrestagung. Für einen Zwergwal erlösen Fischer bis zu 90.000 Euro. Und in Japans Schulen wird wieder Walfleisch serviert

Seltsam: Japan und Korea gehen 20-mal mehr Beifangwale ins Netz als anderen

AUS TOKIO MARCO KAUFFMANN

In der südkoreanischen Hafenstadt Ulsan begann gestern die Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission (IWC). Ulsan kann man getrost als Walstadt bezeichnen: Mit Walfleischlokalen, die das Säugetier auf elf verschiedenen Zubereitungsarten servieren, einem neuen Walmuseum und einem Walfestival. Als Nächstes plant Ulsan eine Walfleischfabrik. Für Tierschützer ist der Konferenzort eine Provokation.

Die IWC hat 1986 den kommerziellen Walfang verboten. Zu diesem Moratorium verpflichtete sich auch Südkorea. Allerdings dürfen Fischer jene Tiere verwerten, die sich versehentlich in ihren Netzen verfangen haben. Es hat sich gezeigt, dass in Südkorea und Japan mindestens 20-mal so viele „Unfälle“ gemeldet werden als in anderen Ländern. Tierschutzorganisationen vermuten, das Moratorium werde so unterlaufen. Die geplante Walfleischfabrik deute zudem darauf hin, dass Südkorea zum kommerziellen Walfang zurückkehren könnte. Laut offiziellen Angaben soll in der Fabrik Walfleisch „behandelt“ werden, die Anlage wird in ein Forschungszentrum integriert. Umweltaktivisten höhnen: reine Tarnung.

In Ulsan haben sich Einwohner zusammengetan. In einer Petition wurde die Regierung in Seoul aufgefordert, eine Fangquote von 100 Walen im Jahr zu bewilligen. Dies würde die regionale Wirtschaft beleben. Ungeachtet des Moratoriums gehen in südkoreanischen Gewässern jedes Jahr rund 80 Zwergwale ins Netz. Nach einer Inspektion durch die Meerespolizei, die zu überprüfen versucht, ob das Säugetier nicht mit Absicht gejagt wurde, darf der Fischer das Tier verkaufen. Bis zu 90.000 Euro werden dafür bezahlt.

Laut offiziellen Statistiken landen pro Jahr mehrere zehntausend Tonnen auf südkoreanischen Tischen. Die Walfleischliebhaber berufen sich dabei oft auf kulturelle Traditionen. Der Brauch erlebte während der japanischen Besatzung (1910–1945) eine Blüte.

Japan hat sich ebenfalls dem Moratorium gegen den kommerziellen Walfang angeschlossen, jagt aber die Meeressäugetiere offiziell zu „wissenschaftlichen Zwecken“. Laut Medienberichten wird die japanische Delegation an der vierwöchigen IWC-Tagung um mehr Freiheiten beim wissenschaftlichen Walfang kämpfen. Die japanischen Unterhändler fühlen ohnehin Aufwind: „In Ulsan könnte sich ein Wendepunkt abzeichnen“, sagte ein hochrangiges Mitglied aus der japanischen Delegation.

Eine Einschätzung, die von Befürwortern eines Verbotes geteilt wird. „Eine höchst riskante Situation“, nennt es Andreas Schneider, Ozeanexperte von Greenpeace. Tierschützer beschuldigen Japan, arme Länder mit Finanzhilfe zu ködern, um sie in der IWC gewogen zu machen.

Als Gegenstimme ist im Vorfeld der IWC-Konferenz Australien aufgetreten. Ministerpräsident John Howard legte dem japanischen Regierungschef in einem persönlichen Schreiben dar, er sehe keine Rechtfertigung für die Jagd auf Wale. Druck von außen werde die japanische Position nicht beeinflussen, kommentierte ein Beamter der Agentur für Fischereiwesen. Auch in Japan wird der Konsum des eigenartig schmeckenden Fleisches als Kulturtradition zelebriert. Nach 20-jähriger Unterbrechung wird das Säugetier seit kurzem wieder in Schulkantinen abgegeben, als Burger, Fleischbällchen oder süßsauer.

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