: Schulfrieden à la Schleswig-Holstein
ABITUR Kurz vor dem Start in die heiße Wahlkampfphase streiten Parteien über Bildung und Schulen
„Die beste Bildung in Europa“ sollen die Kinder in Schleswig-Holstein erhalten, wenn die SPD erst regiert – so versprach es der Spitzenkandidat Torsten Albig im Februar. Auch für die politische Konkurrenz sind Schule und Kita Kernthemen. So lieferten sich Regierungs- und Oppositionsparteien im Landtag einen Schlagabtausch zu Lehrerzahlen und Standortsicherung im ländlichen Raum. Und trotz Osterferien und der politischen Pause vor dem Beginn in die heißeste Wahlkampfphase geht der Streit weiter. Aktueller Aufhänger ist die Frage, wie lange der Weg zum Abitur dauert. Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) wirft den Sozialdemokraten „Irrtümer, Unwissen und aktive Verdummung“ vor.
Eigentlich versprechen alle Parteien „Schulfrieden“, also keine weiteren Änderungen mehr am System, das unter der schwarz-roten Koalition grundlegend umgebaut wurde: Haupt- und Realschulen verschwanden, an ihre Stelle traten Gemeinschafts- und Regionalschulen als weiterführende Schulen neben dem Gymnasium.
Doch Bildungsminister Klug hat an einigen Schrauben gedreht, vor allem zu Ungunsten der Gemeinschaftsschulen, in denen alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden und in denen alle Abschlüsse möglich sind. Bis zum Abitur dauert es dort neun Jahre: Ein Anreiz für Eltern, die ihren Kindern das „Turbo-Abitur“ nach acht Jahren ersparen wollen.
Aber unter Schwarz-Gelb wurden nicht nur die Regeln für den gemeinsamen Unterricht aufgeweicht, sondern auch die Gründung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen erschwert. Darüber hinaus dürfen inzwischen Gymnasien entscheiden, ob sie den längeren oder kürzeren Weg zur Hochschulreife – G 8 oder G 9 – anbieten. Es geht sogar beides an einer Schule.
Damit stünde das Land, „was G 9 angeht, an der Spitze der Bewegung“, verkündet das Ministerium. In anderen Bundesländern mache die SPD „unsere Rolle vorwärts nach“. Die SPD in Schleswig-Holstein will aber „eine Gemeinschaftsschule, die in neun Jahren zum Abitur führt und ein Gymnasium, das das in acht Jahren tut“, sagte Albig im Februar. Bereits in der Landtagsdebatte warf die Koalition der SPD vor, sie wolle Schulstandorte schließen und das Ende der Gymnasien einläuten. Das wies Fraktionschef Ralf Stegner zurück. Der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Martin Habersaat, sagt: „Wir können es schaffen, flächendeckend beides anzubieten – G 8 am Gymnasium und G 9 an der Gemeinschaftsschule.“
Beide großen Parteien wollen neben dem Gymnasium nur noch eine weitere Schulart erhalten. Unklar ist nur, welches der Modelle sich durchsetzt. Die CDU steht für flächendeckende Regionalschulen mit „mehr Differenzierungsmöglichkeiten“ – also mehrere Schulen unter einem Dach. Dagegen will die SPD die „Regionalschulen schrittweise zu Gemeinschaftsschulen weiterentwickeln“ und setzt auf gemeinsames Lernen. Dazu plant die Partei, die Mindestschülerzahl von 300 auf 240 zu senken und neue gymnasiale Oberstufen aufzubauen – die Kostenfrage blieb unbeantwortet.
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Anke Erdmann, sieht die Idee kleinerer Mindestgrößen an Gemeinschaftsschulen kritisch. Sie erinnerte in der Landtagsdebatte daran, dass schon vor der Wahl 2009 Schulfrieden versprochen wurde: Die Zusage könnte also eine Kampfansage an die Schulen bedeuten. ESTHER GEISSLINGER
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