Nordrhein-Westfalen: So viele Wohnungslose wie noch nie

In NRW haben so viele Menschen wie noch nie keine Wohnung. Das Landessozialministerium begründet das mit dem Zuzug ukrainischer Kriegsgeflüchteter.

Obdachlosenunterkunft mit Schirmen, Planen, Holzverschlägen abgedeckt

Provisorische Unterkunft von Obdachlosen in Düsseldorf Foto: Kai kitschenberg/imago

DÜSSELDORF taz | Die Zahl der Wohnungslosen in Nordrhein-Westfalen ist so hoch wie noch nie. Das teilte das zuständige Sozialministerium des Landes mit. Demnach hatten bis Ende Juni dieses Jahres insgesamt 108.590 Menschen und damit knapp 39 Prozent mehr Menschen an Rhein und Ruhr keine reguläre Wohnung mit eigenem Mietvertrag als zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr. Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, dass „Wohnungslosigkeit nach Hunger die schlimmste Form von Armut“ ist.

Wie das CDU-geführte Sozialministerium in Düsseldorf auf Anfrage weiter berichtet, ist der deutliche Anstieg der Zahl der wohnungslosen Menschen seit 2022 mit den „anhaltenden Fluchtbewegungen, insbesondere aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine“ zu erklären. Allein im vergangenen Jahr waren fast drei von zehn wohnungslosen Menschen (30.880 Personen, 29,3 Prozent) in NRW Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine.Da fast alle geflüchteten Menschen zumindest zunächst in zentralen Landesunterkünften oder in kommunalen Unterkünften unterkommen und damit keine eigene Wohnung haben, werden sie in der Wohnungsnotfallberichterstattung erfasst. Anerkannte Geflüchtete machen den Großteil mit 62,8 Prozent der Wohnungslosen im 18 Millionen Einwohner zählenden Nordrhein-Westfalen aus. Neben Geflüchteten aus der Ukraine gab es laut Sozialministerium auch wieder einen verstärkten Zuzug Geflüchteter aus außereuropäischen Ländern

Sozialpädagoge Johannes Dörrenbächer von der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe fiftyfifty mit Sitz in Düsseldorf merkt allerdings an, dass zumindest in Düsseldorf vermehrt Menschen auch unter dem freien Himmel schlafen. Darunter seien wenige bis keine ukrainischen Geflüchteten. „Alleine auf die Fluchtbewegungen kann man den großen Anstieg der Wohnungslosenzahlen also nicht beziehen.“

Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind laut Dörrenbächer „sehr unterschiedlich“. Er kritisiert die Wohnungspolitik der schwarz-grünen Landesregierung, die den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt weiterhin dem freien Markt überlasse. „Mit immer aggressiveren Methoden verdrängen Investoren Mie­te­r:in­nen aus ihren Wohnungen. Häufig werden Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und dann kann es zu Eigenbedarfskündigungen kommen. Das ist ein lukratives Geschäft für Investoren.“

Vor allen in den Ballungsräumen ist die Not groß

Eigenbedarfskündigungen häufen sich besonders im Raum Düsseldorf, berichtet Dörrenbächer. „Hier könnte das Bauministerium etwas unternehmen und einen sogenannten Genehmigungsvorbehalt beim Umwandeln von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen erlassen.“

Hinzu komme, dass Menschen, die Sozialleistungen erhalten, kaum Chance hätten, eine bezahlbare Wohnung in den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr zu finden. Und: Da die Zahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen laut Berichten von unterschiedlichen Krankenkassen immer weiter steigt, sei diese Gruppe besonders von Wohnungs- und Obdachlosigkeit gefährdet, so Dörrenbächer.

Die Mehrzahl der Wohnungslosen in Nordrhein-Westfalen leben lautSozialministerium in Städten. Zum einen ist in vielen Ballungsräumen des Landes der Wohnungsmarkt sehr angespannt. Zum anderen bieten Großstädte in der Regel ein größeres und vielseitigeres Angebot von Hilfseinrichtungen und Unterkunftsmöglichkeiten, was für wohnungslose Menschen aus ländlichen Gebieten attraktiv sein kann.

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