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Fest auf dem Berliner BreitscheidplatzAuf der Suche nach Europa

Kartoffelbällchen sind auf dem Breitscheidplatz genauso Thema wie Bevölkerungsdichten. Zwischen lauter Buden mag man Europa kulinarisch oder politisch finden.

Europa, symbolisch aufgefangen mit ein paar Sternen Foto: Boris Roessler/picture alliance/dpa

E in paar dunkle Wolken hängen noch am Himmel über dem Berliner Breitscheidplatz. Gerade ist ein schöner Regenguss niedergegangen, schön jedenfalls für solche Menschen, die einen Schirm dabeihatten, und im Rinnstein der Tauentzienstraße schwimmen die weißlich leuchtenden Blütenblätter des Japanischen Perlschnurbaums.

Bei der Gedächtniskirche haben hölzerne Buden sich aufgebaut, fast so, als wäre schon Weihnachtsmarkt, nur ohne jeden Lichter- oder anderen Glamour. Bei der nüchternen Installation handelt es sich um, so verraten an Bauzäunen befestigte Transparente, das „Europafest“. Hinter dem Zaun, der den Orga-Bereich abschirmt, lugt ein riesiges Weihnachtsmannbild hervor, denn sicherlich wäre es zu aufwändig, den großen Lkw, den es schmückt, stets passend zur Gelegenheit neu zu dekorieren.

Worin genau hier dieses Europa zu finden ist, das gefeiert werden soll, erschließt sich nicht sofort. Kulinarische Genüsse aus vielen europäischen Ländern verspricht die Event-Ankündigung, doch so genau genommen wird es damit nicht. Ungarische Langos gibt es, die frittierten Hefefladen, und französische Crêpes. Ich entdecke auch ein Angebot von holländischem Kibbeling auf der Karte eines Standes, der sich multilingual „Bacalao Fish and Chips“ nennt. Direkt daneben gibt es jamaikanisches „Jerk Chicken“, ein nepalesisches „Momo-Haus“ und einen Stand mit peruanischen Papas rellenas. Willkommen in Europa, amigas! Die gefüllten Kartoffelbällchen hätten mich im Prinzip reizen können, aber ich bin bereits am Langos-Stand schwach geworden, habe mir die Variante empfehlen lassen, die „am ungarischsten“ ist und fühle mich im Magen nicht so recht.

Das Europafest

auf dem Berliner Breitscheidplatz findet dieses Jahr erstmalig statt und dauert noch bis 4. August. Der Weihnachtsmarkt dort an der Gedächtniskirche startet am 25. November, es wird der 41. sein.

Die schlecht gelaunte Langos-Braterin hatte mir nicht verraten wollen, worin das Spezielle des speziellen Hefeteigs genau besteht („Das ist Betriebsgeheimnis!“), als ob ich Gastro-Spionin mir nicht jederzeit im Internet zweihundert Rezepte herunterladen könnte.

Die am authentischsten ungarische Variante besteht jedenfalls darin, den fetttriefenden Brotfladen mit Knoblauchpaste sowie einer Soße aus saurer Sahne zu beschmieren. Dann wird das Ganze mit sehr viel Käse bestreut. Natürlich schmeckt das himmlisch, wie auch nicht? Fett ist der beste Geschmacksverstärker.

Zur Anregung der metabolischen Prozesse verfestige ich meine Schritte, beschließe, den Platz zügig einmal ganz zu umrunden, und finde auf der anderen Seite der Gedächtniskirche doch noch Europa: Auf großen Schautafeln werden hier die Mitgliedsländer der EU einzeln porträtiert, was auf den ersten Blick ganz hübsch, aber bei genauer Betrachtung auch ein bisschen seltsam ist. Offenbar liegt diesem Straßenfest gar kein kulturelles, auch kein geografisches, sondern ein rein politisches Konzept von „Europa“ zugrunde? Ach, schade. Eigentlich hätte es mich zum Beispiel interessiert, zu erfahren, ob Finnland wirklich das europäische Land mit der geringsten Bevölkerungsdichte ist (dort leben laut Schautafel nur 16 Personen pro Quadratkilometer) oder nicht doch eigentlich Island. Ein schneller Blick ins Internet bestätigt den Verdacht: Gerade einmal vier Menschen teilen sich auf Island einen theoretischen Quadratkilometer. Zum Vergleich: In den Niederlanden sind es (laut Schautafel) 423; Deutschland liegt mit 237 ein gutes Stück dahinter.

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Zwischen den Schautafeln von Estland und den Niederlanden übrigens gerät der zügige Schritt unweigerlich ins Stocken. Über den Leerraum, der hier gelassen wurde, läuft eine zu Bronze geronnene Blutspur: Sie ist Teil des Mahnmals für die dreizehn Menschen, die im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016 ums Leben kamen.

Sie stammten aus sechs verschiedenen Ländern: aus Deutschland, Israel, Italien, Polen, Tschechien und der Ukraine. Seit jenem Datum wird jedes Fest auf dem Breitscheidplatz nur noch hinter viele Meter dicken, viele Tonnen schweren Lkw-Sperren begangen. Es fühlt sich eigenartig an. Aber auch das ist Europa.

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