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Speisewagen im ZugZum Dahinschmelzen

Auf ein Fondue im Speisewagen der Schweizer Bahn. Denn dort kann man nicht nur gut speisen, sondern ist auch von tollem 80er-Interieur umgeben – noch!

Uniform in vintage: Die Fliege eines SBB-Speise­wagen-­Mitarbeiters

Manchmal erhascht einen das Glück ganz überraschend und dann auch noch in einem Moment aufkeimenden Frustes. Abends in Dortmund den Anschlusszug verpasst. Kommt man da überhaupt noch weg, nach Norddeutschland? Schnell eine Alternative suchen, ah, der EC 6 fährt gleich, Interlaken Ost–Hamburg-Altona.

Eingestiegen, Hunger verspürt, den Speisewagen gesucht und beim Betreten sofort hellwach gewesen, staunend dagestanden: Wow! Was für ein riesiges Zugrestaurant! Und die Einrichtung, so richtig schön Achtziger mit Chromstangen, schwarzen Ledermöbeln, acht huf­eisenförmigen 5er-Tischen und acht 2er-Tischen, insgesamt 56 Sitzplätze. „Der größte Speisewagen Europas“, sagt der Kellner mit dem Schild der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) überm Herzen, der mein Staunen bemerkt hat und gerade auf sehr elegante Art und Weise eine frische weiße Tischdecke auf einen der Tische fliegen lässt. Aus Stoff!

Über Speisewagen zu schreiben, da schwingt immer Wehmut mit. Weil sie lange für eine Art des Reisens standen, die es so heute nicht mehr gibt. Züge fuhren pünktlich, Züge hatten Speisewagen, Speisewagen führten ein schmackhaftes Angebot mit sich, es wurde frisch gekocht, es war nie die Spülmaschine kaputt, wahrscheinlich gab es nicht mal eine, weswegen es niemals – wie heute so oft bei der Deutschen Bahn – nur Pappgeschirr gab.

Speisewagen-Journalismus ist ein eigenes Genre inzwischen, Hauptakteur meist der etwas angejahrte Speisewagen der tschechischen České Dráhy im Eurocity zwischen (Hamburg–)Berlin und Prag, der von manchen so genannte Knödelexpress, weil es dort Knödel mit Braten und Soße gibt. Doch wenn der in diesem Sommer durch moderne Speisewagen ersetzt wird, in denen es andere, leichtere Kost geben wird, müssen Speisewagen-Journalisten und -Liebhaber auf den Schweizer EC 6 ausweichen, denn dort gibt es das Speisewagen-so-schön-wie-früher-Erlebnis noch.

Ende des Life-Cycles

Noch – denn mehr als zwei Jahre gibt ihm der Kellner nicht, die Wagen vom Typ WRm sollen ersetzt werden, was sie bei den SBB später bestätigen: Der habe „seinen Life-Cycle hinter sich“. WRm, das WR steht für Wagon-Restaurant, das kleine m für „Wagenlänge über Puffer mehr als 24,5 Meter“, wie die Pressestelle der SBB nachreicht.

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Wie sehr schade, zumindest um das Interieur. So gediegen, so stimmig. Nirgendwo sonst demonstrieren die Achtziger, dass es auch architektonisch an der Zeit für sie wäre, wiederentdeckt zu werden. Man traut den Schweizern ja – abgesehen vom Drall zu Rechtspopulisten – grundsätzlich zu, dass sie wissen, was sie tun, aber der WRm könnte ruhig noch etwas länger durchs Streckennetz geschickt werden. Zumal in Deutschland, wo er die zahnarztpraxismäßig korrekt eingerichteten Bordrestaurants der DB kontrastiert.

Käse-Fondue im Glastöpfchen

Tröstlich immerhin, dass die wohlige Atmosphäre nach Auskunft von Danie­la Corboz, Geschäftsführerin der SBB-Speisewagentochter Elvetino, erhalten bleibt: Die Neuen seien auch schick, wesentlich moderner, mit Sitzplätzen und Theke, „sehr offen, sehr einladend“ – nur halt nicht mehr so achtziger.

Aber: Die Hauptsache ist doch, es schmeckt. So wie im EC 6, wo kurz hinter Dortmund ein geradezu liebevoll im Glastöpfchen serviertes Käse-Fondue und dazu der vom Kellner empfohlene schwarze Tee auf dem Tisch stehen. Der Baedeker hätte hierfür mindestens die Empfehlung „Lohnt einen Umweg“ ausgesprochen, vielleicht sogar „Ist eine eigene Reise wert“. Einfach mal zwischen Interlaken Ost und Hamburg-Altona im Eurocity fahren.

Das Fondue wird es weiter geben, auch andere Schweizer Klassiker werden das Ende des WRm überdauern. Frau Corboz sagt, ihr Motto „Die SBB und die Schweiz auf dem Teller“ werde auch weiterhin gelten. Beim nächsten Mal probiere ich Ghackets mit Hörnli, was Corboz sehr anpreist, typisch schweizerisch: Hörnchennudeln, Hackfleischsauce und Apfelmus. Hoffentlich noch im WRm.

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2 Kommentare

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  • Und immerhin heißt es noch Speisewagen und nicht auf Blöddeutsch "Bordrestaurant"...

  • "Ghackets mit Hörnli, was Corboz sehr anpreist, typisch schweizerisch: Hörnchennudeln, Hackfleischsauce und Apfelmus." Wird auch von der Schweizer Armee gekocht, wo die Bundeswehr Erbsensuppe anbieten würde. Auch da sehe ich eine gewisse Schweizer Überlegenheit.