Weniger Geld für Integration: Zurück ins Schneckenhaus
Die Bundesregierung kürzt bei Integrationskursen und bei der Entwicklungszusammenarbeit. Das dürfte sich innenpolitisch als Bumerang erweisen.
M anchmal reicht es, ein paar Fakten nebeneinanderzustellen, die sich dann praktisch selbst kommentieren: Im Haushalt für nächstes Jahr will die Ampel bei Integrationskursen für Geflüchtete sparen; insgesamt soll hierfür weniger als halb so viel Geld da sein wie noch 2024. Auch bei der Entwicklungszusammenarbeit soll gespart werden – nimmt man die nun vorgesehenen Kürzungen mit denen aus den vergangenen Jahren zusammen, sinken die Mittel hier seit Anfang der Legislaturperiode um ein Viertel. Mehr Geld – und zwar Milliarden – wird es dagegen für die deutschen Sicherheitsbehörden und die Bundeswehr geben.
Soll das der Kurs sein, um Geflüchteten Perspektiven zu bieten, ein politisch aufgewühltes Land zu befrieden und in einer krisengeplagten Welt souverän aufzutreten? Es wirkt mehr wie ein Versuch, die innenpolitisch brisanteste Debatte weiter anzuheizen und sich angesichts des globalen Elends vollends in ein Schneckenhaus zurückzuziehen. Das wäre in vielerlei Hinsicht fatal.
Die Integrationskurse für Geflüchtete sind ja nicht nur ein netter Service. Mit Sprachunterricht und Einführung in das Leben in Deutschland sind sie vielmehr essenziell für das, was die Politik und Gesellschaft von Geflüchteten einfordern: Integration. Wer hier sparen will, schadet nicht nur den Geflüchteten, die dann langsamer Deutsch lernen und so etwa beim Job-Einstieg vor noch größeren Hürden stehen. Die Einsparungen riskieren auch, die ohnehin nicht mehr allzu hohe Unterstützung in der Bevölkerung für die Aufnahme von Geflüchteten weiter zu untergraben.
Absurde Begründung
Besonders absurd ist, dass das Bundesinnenministerium die Kürzungen mit Qualitätsmängeln bei den Kursen begründet – mit weniger Geld wird es bestimmt nicht besser. Die Einsparungen für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe wiederum werden zunächst die Menschen in den Krisenherden des Globalen Südens treffen, die so weniger Unterstützung erhalten. Aber auch das dürfte mittelfristig auf die deutsche Innenpolitik durchschlagen, dann nämlich, wenn sich aufgrund der Krisen mehr Menschen auf die Flucht nach Europa begeben.
Schon klar: Irgendwo muss gespart werden, solange FDP-Finanzminister Christian Lindner jede Reform der Schuldenbremse blockiert. Aber es gilt eben, Prioritäten zu setzen. Und Hilfe für Menschen im Globalen Süden, Bekämpfung von Fluchtursachen und Unterstützung für Geflüchtete sollten dabei weit oben stehen. Alles andere ist moralisch falsch und innenpolitisch dumm. Die Ampelfraktionen sollten die Sparpläne in den anstehenden Verhandlungen dringend streichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Habeck vor der Bundestagswahl
Friede, Freude, Wahlkampf