piwik no script img

Weniger Geld für IntegrationZurück ins Schneckenhaus

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Die Bundesregierung kürzt bei Integrationskursen und bei der Entwicklungszusammenarbeit. Das dürfte sich innenpolitisch als Bumerang erweisen.

Daran soll gespart werden: Integrationskurs in der VHS Velbert Foto: Uwe Moeller/imago

M anchmal reicht es, ein paar Fakten nebeneinanderzustellen, die sich dann praktisch selbst kommentieren: Im Haushalt für nächstes Jahr will die Ampel bei Integrationskursen für Geflüchtete sparen; insgesamt soll hierfür weniger als halb so viel Geld da sein wie noch 2024. Auch bei der Entwicklungszusammenarbeit soll gespart werden – nimmt man die nun vorgesehenen Kürzungen mit denen aus den vergangenen Jahren zusammen, sinken die Mittel hier seit Anfang der Legislaturperiode um ein Viertel. Mehr Geld – und zwar Milliarden – wird es dagegen für die deutschen Sicherheitsbehörden und die Bundeswehr geben.

Soll das der Kurs sein, um Geflüchteten Perspektiven zu bieten, ein politisch aufgewühltes Land zu befrieden und in einer krisengeplagten Welt souverän aufzutreten? Es wirkt mehr wie ein Versuch, die innenpolitisch brisanteste Debatte weiter anzuheizen und sich angesichts des globalen Elends vollends in ein Schneckenhaus zurückzuziehen. Das wäre in vielerlei Hinsicht fatal.

Die Integrationskurse für Geflüchtete sind ja nicht nur ein netter Service. Mit Sprachunterricht und Einführung in das Leben in Deutschland sind sie vielmehr essenziell für das, was die Politik und Gesellschaft von Geflüchteten einfordern: Integration. Wer hier sparen will, schadet nicht nur den Geflüchteten, die dann langsamer Deutsch lernen und so etwa beim Job-Einstieg vor noch größeren Hürden stehen. Die Einsparungen riskieren auch, die ohnehin nicht mehr allzu hohe Unterstützung in der Bevölkerung für die Aufnahme von Geflüchteten weiter zu untergraben.

Absurde Begründung

Besonders absurd ist, dass das Bundesinnenministerium die Kürzungen mit Qualitätsmängeln bei den Kursen begründet – mit weniger Geld wird es bestimmt nicht besser. Die Einsparungen für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe wiederum werden zunächst die Menschen in den Krisenherden des Globalen Südens treffen, die so weniger Unterstützung erhalten. Aber auch das dürfte mittelfristig auf die deutsche Innenpolitik durchschlagen, dann nämlich, wenn sich aufgrund der Krisen mehr Menschen auf die Flucht nach Europa begeben.

Schon klar: Irgendwo muss gespart werden, solange FDP-Finanzminister Christian Lindner jede Reform der Schuldenbremse blockiert. Aber es gilt eben, Prioritäten zu setzen. Und Hilfe für Menschen im Globalen Süden, Bekämpfung von Fluchtursachen und Unterstützung für Geflüchtete sollten dabei weit oben stehen. Alles andere ist moralisch falsch und innenpolitisch dumm. Die Ampelfraktionen sollten die Sparpläne in den anstehenden Verhandlungen dringend streichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
Themenschwerpunkte Migration, Flucht und Antisemitismus
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Selbst Lehrkraft in Integrationskursen kann ich nur vor Kürzungen in dem Bereich warnen.



    Integration gelingt über Sprache und die lernt man nicht in Billiglohn-Hilfsjobs, in die man Geflüchtete gerne so schnell wie möglich verschieben würde - auch wenn sie einen akademischen Abschluss + Berufserfahrung haben.



    Mit besseren Deutschkenntnissen können sie in anspruchsvolleren Bereichen arbeiten und auch bei den vielen Assistenz-Tätigkeiten oder einer angestrebten Ausbildung sind ordentliche Sprachkenntnisse unerlässlich.



    Schon jetzt sind die Bedingungen für Kursträger und deren Mitarbeiter*innen sehr angespannt, wie von Hierbamala beschrieben. Noch weniger Mittel dafür? Wer kann dann diese sehr fordernde Arbeit überhaupt noch leisten? Und wie sollen sich "sprachlose" Migrant*innen hier integrieren??



    Ein Blick in die Praxis würde manchen politisch Verantwortlichen vielleicht helfen...

  • Es sit frustrierend, dass diese populistischen Entscheidungen getroffen werden- noch entlarvender, wenn da ganze mit angeblichen Qualitätsmängeln begründet wird. Die vom BAMF, ergo dem BMI spitz auf Knopf erstatteten Kosten (nach Anwesenheit der TN, nur im Ausnajmefall mit Grundpauschale usw.) für Integrationskurse ermöglichen i.d.R. nur die Beschäftigung von Lehrkräften auf Honorarbasis, die ihre Ausbildung und Anerkennung meist schon selbst finanziert haben und nun, wenn sie davon leben möchten, 2 Kurse á 20-25 Unterrichtsstunden pro Woche anbieten müssen. Da die Kurse nicht sicher finanziert sind, kann kaum ein Träger fest anstellen.

    Wenn der Staat Schulbildung so messen und vorhalten würde wie außerschulische, müsste er die Schulen auch dichtmachen...

    erst selbst für prekäre Lage sorgen und das dann als Grund für Kürzung nehmen: Chuzpe, die Regierung! Und Verachtung für alle, die subsidiär für ihn arbeiten.

  • Natürlich muss man bei den Kursen hingucken, dass sich da nicht einfach irgendwelche Träger retten, die aber möglichst wenig Leistung erbringen (und abverlangen) wollen! Ich habe da zufällig eine kluge Sprachlehrerin als Quelle.

    Insgesamt aber wären Sprachkurs und Schikanenabbau die zwei Hebel, um mehr Fachkräfte nach Deutschland zu locken bzw. aus Unterqualifizierten rasch auch ökonomisch hier produktive Menschen zu machen. Investieren statt Probleme in die Zukunft schieben - wer verrät es der FDP?

    • @Janix:

      Auch mit einer klugen Sprachlehrerin an der Seite: Integrationskurse sind schon recht stark reglementiert und schließen ja mit einer Prüfung ab (anders als in den vielen anderen Maßnahmen, die es so gibt). Dauerhaft fällt das auf, wenn da schlecht vorbereitet wird.