Leben zwischen KI und Supermarktregal: Wenn Kaffee zu Albträumen führt

Supermarkt oder Internet? Das kann beim Einkaufen zur existenziellen Frage werden. Und zu einer, die sich manchmal nur mit Kaffee durchstehen lässt.

In einem Supermarktregal stehen viele verschiedene Kaffeesorten

Die Qual der Wahl Foto: Manuel Geisser/imago

Im Supermarkt. Rechts Tee, hinten Trockenobst, dazwischen Kaffee. Ein übliches Supermarktregal, geschätzte 8 Meter Regallänge, multipliziert mit 7 Regalreihen übereinander, macht mehrere Dutzend Sorten von der Kaffeekapsel mit Pistaziennote bis zur ungemahlenen Bohne. Und es ist nicht nur Kaffee. Ob Nudeln oder Wein, Käse oder Kekse – bei fast jedem Produkt stehen regalmeterweise Varianten zur Auswahl.

Kann das Internet da mithalten? Suchmaschine aufrufen, „Kaffee kaufen“ ins Suchfeld eingeben. Es kommt: ein unübersichtliches Potpourri. Anzeigen vermischen sich mit Links zu Händlern und Herstellern, in der Mitte eine Karte mit kaffeeverkaufenden Läden, dazwischen immer wieder Bilder von einzelnen Kaffeeprodukten und ebenfalls mittendrin eine ziemlich willkürliche Auswahl von Fragen zum Thema Kaffee, zum Beispiel „Was hat Kaffee 1980 gekostet?“.

Wer das Unglück hat, mit Google zu suchen, wird dabei immer deprimierter. Denn die Suchmaschine setzt nicht mehr auf Ergebnisseiten – offensichtlich sind zu viele Menschen nicht über die erste Seite hinausgekommen –, sondern auf das sogenannte Infinity Scrol­ling, bei dem man immer weiter nach unten in die Unendlichkeit scrollt und dabei immer mehr und immer merkwürdigere Ergebnisse erhält. Das wäre in etwa so, als würden vor dem Supermarktregal noch riesige Werbeschilder hängen, dazwischen Wegweiser zum nächsten Café und daneben ein Lexikon mit dem Titel „Was Sie schon immer über Kaffee wissen wollten. Oder auch nicht“. Und dieses Supermarktregal würde nie enden. Klingt nach Albtraum? Ja. Was danach guttun könnte? Ein Kaffee. Aber den kann man dann wirklich nicht mehr sehen.

Dass Google sich in so einen Albtraum verwandelt hat, ist vor allem deshalb erstaunlich, weil die Älteren immer noch davon erzählen, welch Revolution die Suchmaschine am Anfang war: eine cleane Seite. Treffende Ergebnisse, so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Heute heißt es eher: So viel wie möglich. Vor allem viel SEO-Spam, also supersuchmaschinenoptimierte Seiten, auf denen aber außer Werbelinks und ziemlich inhaltsleerem Text nicht viel drauf ist. Sie schaffen es in die oberen Treffer und verstopfen die Ergebnislisten.

Wie gut, dass Suchmaschinen fast von vorgestern sind. Wer etwas wissen will, fragt einfach ChatGPT. Der Chatbot gibt auf Anfrage übersichtlich strukturiert eine Hand voll Kaffee-Empfehlungen. Und das ausnahmsweise sogar, ohne Nonsens oder Falsches zu generieren. So ähnlich aufgeräumt muss sich die Google-Suche in ihren Anfangszeiten angefühlt haben. Aber das kann nur eine Frage der Zeit sein: Mal schauen, wann Hersteller und Händler – und vermutlich nicht nur die von Kaffee – darauf kommen, dass sich auch für ChatGPT ein paar Optimierungsmaßnahmen für ihr Produkt lohnen könnten.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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