Klimaneutrales Schleswig-Holstein: „Jeder will beim Gewinnerteam sein“

Schleswig-Holstein will bis 2040 und damit früher als der Bund klimaneutral werden. Wie das gehen soll wurde bei einer Klimakonferenz diskutiert.

Kühe grasen in Brokdorf auf einer Wiese, während ein großes Containerschiff auf der Elbe vorbeizieht.

Bringen unvermeidbare biologische Prozesse mit sich: Kühe im schleswig-holsteinischen Brokdorf Foto: dpa | Marcus Brandt

RENDSBURG taz | Knapp zwei Monate lang hat ein zufällig zusammengestelltes Bürgerforum über das Erreichen der Klimaziele in Schleswig-Holstein diskutiert. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Klimaschutzminister Tobias Goldschmidt (Grüne) nahmen die Ergebnisse bei der ersten Klimakonferenz des Landes am Mittwoch in Neumünster entgegen. Das Bürgerforum war im Mai einberufen worden, um Lösungen zum Erreichen der Klimaziele zu diskutieren.

„Es war anstrengend, aber immer ergebnisorientiert“, berichtete der Lübecker Michael Gleißner, der dem Bürgerforum angehörte. Dessen Ergebnisse sind ambitioniert und sie können Rückenwind geben für das, was sich die schwarz-grüne Landesregierung vorgenommen hat: Bis 2040 und damit fünf Jahre früher als der Bund sollen von Schleswig-Holstein keine schädlichen Treibgase mehr ausgehen; gleichzeitig sollen neue Unternehmen ansiedelt werden.

Schwarz-bunte Kühe, Dörfer mit Einfamilienhäuschen und Autos vor der Tür: Was das Bild Schleswig-Holsteins prägt, macht beim Klimaschutz die größten Schwierigkeiten. Landwirtschaft, Wohnen und Verkehr müssen in den kommenden Jahren deutlich Treibhausgas einsparen. Auch Industrie, Energieerzeugung und Abfallwirtschaft gehören zu den Sektoren, die die Landesregierung als wichtig definiert hat.

Bereits im Sommer 2023 haben die zuständigen Ministerien Pläne vorgelegt, wie sie die Sparziele erreichen. Daraus entstand der Entwurf des Klimaplans 2030, der den Weg zum klimaneutralen Industrieland ebnen soll. Insgesamt produzierte Schleswig-Holstein im Jahr 2022 eine Gesamtmenge von 27,2 Tonnen klimaschädlicher Gase aller Art, sogenannte CO2-Äquivalente. Sie sollen bis 2030 auf 14,4 Tonnen und bis 2040 auf Null sinken.

Kühe, Einzelhäuser und Autos machen beim Klimaschutz die größten Probleme

Während es beim Ausbau erneuerbarer Energie vergleichsweise gut vorangeht, bleibt es in anderen Bereichen schwierig, und die Pläne der Ministerien sind unterschiedlich ehrgeizig. Beispiel Verkehr: Der zuständige Staatssekretär Tobias von der Heide (CDU) berichtete zwar vom Bau von Radwegen und Landstromanlagen in den Häfen. Aber genau wie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erwartet von der Heide, dass künftig noch mehr statt weniger Güter auf der Straße transportiert werden. Offen sei, ob Lastwagen künftig mit Wasserstoff, Strom oder „alternativen Treibstoffen“ – die es bisher kaum oder nicht gibt und die energieaufwendig wären – betrieben würden.

Auch Anne Benett-Sturies, Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, sah eine geringe Chance für grundlegende Änderungen: „Wir sind das Land der Milchwirtschaft.“ Dabei produziert die Tierhaltung am meisten Treibhausgas. „Solche biologischen Prozesse lassen sich optimieren, aber nicht unterbinden“, sagte Benett-Sturies.

Setze das Land alles um, sei die geplante Einsparung bis 2030 erreichbar, sagte Julia Repenning vom Öko-Institut in Freiburg. „Aber nach hinten raus wird es schwierig.“ Die nun geplanten Maßnahmen reichten zurzeit nicht aus, um das Ziel 2040 zu erreichen. Trotzdem sah Repenning Hoffnung: „Die Prozesse sind dynamisch.“

Bei der Konferenz in Neumünster ging es auch um psychologische Faktoren: Es brauche positive Erzählungen statt Drohkulissen, um die Menschen zu überzeugen. „Wir hängen Bayern ab“ – so einen Slogan wünschte sich die Kommunikations-Coachin Bärbel Boy, um die Schleswig-Holsteiner:innen für Klimaschutz zu begeistern: „Jeder mag Wettbewerb und will beim Gewinnerteam sein.“

Geschehen müsse etwas, sonst werde die Durchschnittstemperatur um 2,5 Grad ansteigen, warnte Daniela Jacob, Professorin am Helmholtz-Zentrum Hereon. Jacob geht – wie auch andere Wis­sen­schaft­le­r:in­nen – davon aus, dass weiterhin eine gewisse Menge CO2 produziert werden wird, die unterirdisch gespeichert werden müsse. Dennoch sei der wichtigste Hebel „sparen, sparen, sparen“. Die Transformation biete eine „Riesenchance für innovative Technologien und Arbeitsplätze“.

Parallel zu den ökologischen ließen sich soziale Fragen lösen, glaubt Frauke Wiese von der Europa-Universität Flensburg. Mehr Wohnraum steigere das Wohlbefinden nicht, aber Wohnprojekte oder Quartiersmodelle könnten gegen Einsamkeit helfen.

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