Weniger Bürokratie

In Polen finden Ukrai­ne­r*in­nen schnell Jobs

Ukrainerinnen kann man in Polen überall treffen – als Kassiererin im Supermarkt, als Krankenschwester im Spital, als Schauspielerin auf Polens Bühnen, Ukrainer arbeiten zumeist auf dem Bau, als Lkw-Fahrer oder im erlernten Beruf. Die meisten sind Geflüchtete, die nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 im Nachbarland Zuflucht suchten. Aber in Polen leben auch viele Arbeitsmigranten aus der Ukraine, die schon vor dem Krieg gekommen sind. Zusammen sind es nach Angaben der polnischen Ausländerbehörde vom Januar 2024 knapp 1,5 Millionen UkrainerInnen, die einen legalen Aufenthaltsstatus in Polen haben. Die einen als Arbeitsmigranten, die anderen – knapp 950.000 – mit einem speziellen Schutzstatus als Kriegsflüchtlinge. Die meisten Geflüchteten sind Mütter mit Kindern.

Polens öffentliche Verwaltung stand im Februar 2022 plötzlich vor der Aufgabe, für diese vielen Menschen eine Unterkunft zu finden, ihre Gesundheitsversorgung zu sichern, den Arbeitsmarkt für sie zu öffnen, sowie Plätze für ukrainische Kinder in Kitas und Schulen zu schaffen. Am schwersten tat sich Polen mit der Schulbildung. Erst in diesem Jahr tritt zum 1. September eine allgemeine Schulpflicht für ukrainische Kinder in Kraft und wird sogleich mit dem Bezug des Kindergeldes in Höhe von 800 Zloty (knapp 190 Euro) sowie dem sogenannten Schulbuchgeld für den „guten Start“ ins neue Schuljahr in Höhe von 300 Zloty (rund 70 Euro) verbunden. Bisher lernten die meisten ukrainischen Kinder in Polen online weiter an ihrer alten Schule in der Ukraine oder gingen auf in Polen neu gegründete ukrainische Privatschulen.

Als sehr gut gelungen gilt dagegen die Öffnung des Arbeitsmarktes und die Gesundheitsversorgung der Geflüchteten. Über 755.000 der in Polen lebenden Ukrainerinnen – egal ob MigrantInnen oder Geflüchtete – stehen in Lohn und Brot und zahlen Steuern in Polen. Die dazu notwendigen Gesetze hatte der polnische Sem, das polnische Abgeordnetenhaus, unmittelbar nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine und dem Beginn der Massenflucht nach Polen beschlossen. Alle ukrainischen Geflüchteten bekamen völlig unbürokratisch eine Personenkennzahl und damit eine Krankenversicherung, die die sofortige Arbeitsaufnahme ermöglichte. Ukrainische Berufsabschlüsse sind in Polen schon länger anerkannt. Nur Ärzte, Juristen und einige andere Berufsgruppen müssen Fächer an einer polnischen Universität nachbelegen und mit einem Examen nachweisen, dass sie die jeweilige Fachsprache auch auf Polnisch beherrschen.

„Learning by doing“

Bei den meisten anderen Berufsgruppen heißt die Devise Learning by doing, dazu gibt es ein breites Angebot an kostenlosen Internetsprachkursen, aber auch Kurse vor Ort mit Kinderbetreuung, die von NGOs organisiert werden. Da in der Westukraine viele Menschen polnisches Fernsehen schauen, sind ohnehin in den meisten Fällen schon Sprachgrundlagen vorhanden. Auch ist das Ukrainische dem Polnischen sehr ähnlich. Nur russischsprachige UkrainerInnen, beispielsweise aus dem Donbas, haben es in Polen schwer, ein Bein auf den Boden zu bekommen. Aufgrund der russischen Sowjetverbrechen an Polen während und nach dem Zweiten Weltkrieg und der neuen russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine ist den Polen alles Russische zutiefst verhasst.

Das bürokratisch aufwändige Genehmigungsverfahren zur Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte wurde ersatzlos gestrichen und – um Sozialneid zu verhindern – der Mindestlohn auf heute 4.300 Zloty (1.005 Euro) angehoben.

Viele Geflüchtete, die schon in der Ukraine im Homeoffice arbeiteten, tun dies in Polen weiterhin. Ihr Gehalt wird dann meist auf ein Devisenkonto auf einer polnische Bank überwiesen. Zudem gründen viele UkrainerInnen in Polen eigene Unternehmen. Zeitraubende Ämtergänge können sie sich dabei zumeist sparen, da die Digitalisierung in Polen sehr weit fortgeschritten ist. Vieles lässt sich mit einer App im Internet erledigen.

Dennoch erwägen viele ukrainische Geflüchtete, Polen in Richtung Westeuropa zu verlassen. Das liegt aber nicht an einer höheren Sozialhilfe im Ausland, sondern an der fehlenden Rechtssicherheit in Polen. Viele ukrainische Geflüchtete haben Angst, wegen mangelnder Papiere in die Ukraine abgeschoben und dort dann zur Armee eingezogen zu werden. Gabriele Lesser, Warschau