Polizei in Schleswig-Holstein: Im Schießen ungeübt

Po­li­zis­t:in­nen im Norden bekommen zu wenige Schießtrainings. Damit sie trotzdem eingesetzt werden können, wurden die Anforderungen herabgesetzt.

Polizeischüler bei einer Schießübung in der Raumschießanlage in der Berliner Polizeiakademie.

In Schleswig-Holstein nicht für alle Po­li­zis­t:in­nen möglich: Einsatztraining wie hier 2020 bei der Berliner Polizei Foto: Britta Pedersen/dpa

HAMBURG taz | In Schleswig-Holstein fallen die obligatorischen Schießübungen für Po­li­zis­t:in­nen häufig aus. Die Schießstände sind marode und für Einsatztrainings fehlt es an Personal. Das kam durch eine SPD-Anfrage heraus.

Laut dem Berliner Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit sind allein in diesem Jahr bundesweit sieben Menschen durch Po­li­zeischüsse gestorben. Oft sind die Opfer psychisch krank. Regelmäßig gibt es Kritik sowohl am Schusswaffengebrauch als solchem als auch daran, wie häufig er tödlich ausgeht.

Die Situation ist in Schleswig-Holstein besonders alarmierend. Von den sogenannten Raumschießanlagen, die für Schießtrainings nötig sind, befinden sich viele in einem derart schlechten Zustand, dass keine Schießtrainings durchgeführt werden können. In Kiel beispielsweise ist die Raumschießanlage seit mittlerweile zweieinhalb Jahren geschlossen, acht weitere Anlagen sind nur eingeschränkt nutzbar. Dies geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des SPD Abgeordneten Niclas Dürbrook hervor.

Po­li­zis­t:in­nen hätten ihn auf die Probleme hingewiesen, so Dürbrook. Seither verfolge er das Thema aufmerksam. Seiner Ansicht nach ist die Lage in Schleswig-Holstein im bundesweiten Vergleich einmalig: „Probleme gibt es in anderen Bundesländern auch, aber laut unserer Kenntnis ist die Situation nirgendwo auch nur ansatzweise vergleichbar“, so Dürbrook.

In Lübeck bekam je­de:r Dritte gar kein Training

Denn zusätzlich zu den nicht nutzbaren Trainingsanlagen geht es auch um die Einsatztrainings, die Po­li­zis­t:in­nen zweimal jährlich absolvieren müssen. Keine einzige Polizeidienstelle in Schleswig-Holstein konnte im letzten Jahr ausreichend viele Trainings für alle Po­li­zei­be­am­t:in­nen anbieten. In Lübeck zum Beispiel nahmen nur 797 von 1.179 Po­li­zis­t:in­nen teil. Das heißt rund 400 Beamte haben in dieser Polizeidirektion 2023 an gar keinem Training teilgenommen, obwohl sie sogar zwei mal jährlich vorgesehen sind.

Damit die Po­li­zis­t:in­nen trotzdem eingesetzt werden können und nicht komplett ausfallen, wurde „Ende 2022 eigens der Schießerlass angepasst“, so Dürbrook, „damit Beamte ihre Dienstwaffe auch dann weiterführen dürfen, wenn sie das Schießtraining nicht wie vorgeschrieben absolvieren konnten“. Das bedeutet, dass diese Po­li­zis­t:in­nen im Zweifel in Extremlagen geschickt werden, die sie teilweise über ein Jahr nicht trainiert haben.

Das kritisiert auch die Gewerkschaft der Polizei. Sie fordert, viel Geld in die Hand zu nehmen, um die Anlagen zu modernisieren und Personal für Einsatztrainings zu organisieren, das entsprechende Training durchführen kann. Ihr Vorsitzender in Schleswig-Holstein, Torsten Jäger, macht klar: „Unsere Kolleginnen und Kollegen dürfen nicht ohne Trainings in Einsätze gehen.“

Die Probleme in Kiel, Lübeck, Heide, Itzehoe und Co. bestehen nicht erst seit kurzem. Niclas Dürbrook hat im Frühjahr 2023 aufgrund der von Po­li­zis­t:in­nen an ihn herangetragenen Berichte die erste Kleine Anfrage gestellt. Das Problem müsste aber schon länger bekannt sein, die Schießanlage in Heide etwa ist seit fünfeinhalb Jahren nur eingeschränkt nutzbar.

Das Innenministerium vertröstet aufs nächste Jahr

Auf taz-Nachfrage verweist das Innenministerium auf vorgesehene Sanierungen und laufende Planungen zu längerfristigen Bedarfen. Ergebnisse sollen im dritten Quartal 2025 vorliegen. Die Schießausbildungen würden bis zur vollendeten Sanierung auf Schießanlagen anderer Polizeidirektionen oder auf externen Plätzen, beispielsweise von der Bundeswehr, durchgeführt.

Auch mit Blick auf die Einsatztrainings sieht das Innenministerium keine Gefahr für die Sicherheit im Land, da schon in der ursprünglichen Ausbildung der Be­am­t:in­nen „ein wesentlicher Schwerpunkt auf das Einsatztraining gelegt“ werde. „Sobald die Polizistinnen und Polizisten ihren Dienst auf den Dienststellen verrichten, gelten sie als fertig ausgebildet und sind folglich auch handlungsfähig in den Einsatzlagen“, so das Ministerium. Außerdem würden „Präsenzdienststellen“ bei den Trainings priorisiert. Trotzdem könne es aufgrund von Einsatzlagen und Krankheit der Be­am­t:in­nen dazu kommen, dass Po­li­zis­t:in­nen an einem Training nicht teilnehmen könnten. In Lübeck betraf das immerhin je­de:n Dritte:n.

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