Rom*­nja zum Auszug gedrängt: Kalte Entmietung erfolgreich

100 Menschen müssen in Niederschöneweide auf Anweisung des Bezirks ein Wohnhaus verlassen. Der Vermieter hatte es lange verfallen lassen.

An einer Entnahmestelle wird mit einem Kanister Wasser geschöpft

Monatelange Realität: Wasserentnahmestelle vor dem Haus Foto: dpa

BERLIN taz | Etwa 100 Menschen, überwiegend Rom*nja, müssen derzeit ihr Wohngebäude in der Fennstraße 31 in Niederschöneweide verlassen. Der Bezirk Treptow-Köpenick ließ am Dienstag den Strom abstellen und eine Wasserstelle vor dem Haus abmontieren, um die Be­woh­ne­r:in­nen zum Auszug zu drängen. Am kommenden Mittwoch ist der letzte Termin, an dem das Haus endgültig geräumt werden soll.

Das Bezirksamt sah sich zu der Maßnahme veranlasst, da aufgrund von Statik- und Brandschutzproblemen, das Haus nicht mehr bewohnbar sei. Zuletzt wurden erhebliche Wasserschäden mit durchfeuchteten und abgesackten Böden festgestellt.

Der Eigentümer, eine IPG V GmbH, ließ das Gebäude seit Langem verfallen. Im Februar wurden Wasser und Heizung abgestellt; auch der Müll wurde zeitweilig nicht mehr abtransportiert. Monatelang mussten die Be­woh­ne­r:in­nen frieren und das Wasser von einem Notversorgungshahn vor dem Haus schöpfen.

Die zuständige Bezirksstadträtin Claudia Leistner (Grüne) war am Dienstag vor Ort. Der taz berichtete sie, dass 13 Familien mit insgesamt 33 Personen in Hotels und Notunterkünften untergebracht wurden. Etwa 20 Personen hätten sich selbst neue Unterkünfte gesucht. Auch die Menschen, die jetzt noch im Haus sind, erhielten Ersatzwohnraum, so Leistner. Aufgrund der Gefährdungssituation, auch für die vielen Kinder, habe man „handeln müssen“. Welchen Aufenthaltsstatus die Menschen hätten, spielten für die Unterstützungsmaßnahmen keine Rolle.

Vertrag zwischen Bezirk und EIgentümer

Das Bündnis gegen Antiziganismus und für Roma*-Empowerment (Bare) sprach von einer „faktischen Zwangsräumung als Ergebnis einer letztlich erfolgreichen ‚kalten Entmietung‘“. Sprecher Thomas Herr sagte der taz, dass viele Be­woh­ne­r:in­nen bereits eine „lange Odyssee“ hinter sich hätten und immer wieder „von einer prekären Wohnsituation zur nächsten wechseln müssen“, ohne Chancen auf reguläre Mietverträge.

Er kritisierte einen Vertrag, den der Bezirk im Juni mit dem Eigentümer abgeschlossen hat und der die Umsetzung der Be­woh­ne­r:in­nen vorsieht. „Dieser Vertrag hat die Mieterrechte kassiert und kommt nur dem Eigentümer zugute“, so Herr.

Für das Haus im Milieuschutzgebiet gibt es eine Genehmigung für ein „Wohnen auf Zeit“. Die Be­woh­ne­r:in­nen hatten allesamt befristete Mietverträge, die, so stellte es die vor einigen Monaten eingesetzte Mietrechtsberatung Asum fest, zum Teil jedoch unwirksam seien. Viele der Be­woh­ne­r:in­nen hatten seitdem keine Miete mehr bezahlt. Der Vertrag regelte zudem, dass sich der Eigentümer an den Kosten für die Ersatzunterbringung beteiligt; obgleich für viele Menschen die Kosten durch das Jobcenter oder das Sozialamt übernommen werden.

Claudia Leistner zufolge habe man sich in Gesprächen mit den Eigentümervertretern dafür eingesetzt, dass das Haus wieder für dauerhaftes Wohnen genutzt wird. Zusicherungen hierfür aber gibt es keine, stattdessen Spekulationen darüber, dass dort nach einer Sanierung Ferienwohnungen entstehen könnten. Dieses Szenario bezeichnet die Stadträtin als „unbefriedigend“.

Der Bezirk habe „begrenzte Einflussmöglichkeiten und unzureichende rechtliche Möglichkeiten“. So habe man zwar mit Anordnungen zur Mängelbeseitigung gearbeitet, gegen die der Eigentümer aber Widerspruch eingelegt hatte. Es brauche andere gesetzliche Mittel auf Landes- oder Bundesebene, um „auf solche Häuser anders zugreifen zu können“, so Leistner.

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