Auto trotz E-Bike: Statussymbol Elektrorad
E-Bikes tragen offenbar nicht dazu bei, dass es weniger Autos gibt. Wer braucht sie dann überhaupt noch?
![Eine Person fährt auf einem E-Bike Eine Person fährt auf einem E-Bike](/picture/7128409/624/35714403-1.jpeg)
Unterwegs mit dem Charme eines Treppenlifts Foto: bosch/dpa
Vor der Schule meines Sohns steht ein Felgenbrecher. Also einer dieser halbrunden Doppelbögen, in die man das Vorderrad seines Fahrrads schieben kann. Wenn man Glück hat, steht das Rad da später noch. Mit etwas Pech ist jemand dagegen gestoßen, das Rad ist umgefallen – und hat eine Delle in der Felge.
An diesem Symbolbild musealer Radinfrastruktur traf ich jüngst einen Mitschüler-Vater und sein auffällig schickes, neues Rad. Schlankes Design, hydraulische Scheibenbremse, im Rahmen integriertes Licht – und natürlich mit Motor. Der stolze Besitzer erklärte mir, das Bike sei im Angebot gewesen, „da konnte ich nicht widerstehen“. Seither legt er die gut ein Kilometer lange, flache Strecke zur Schule des Kinds mit dem E-Bike zurück.
Warum auch nicht? Wenn mehr als die Hälfte aller Autofahrten kürzer als fünf Kilometer sind und das angesagte Verkehrsmittel für „die letzte Meile“ der E-Roller ist, dann braucht ein Rad zur Erhöhung des Standings auch einen Antrieb jenseits eigener Körperkraft. „Bio-Bikes“, sprich Räder ohne Motor, sind die SMS unserer Zeit: Geht schon noch, nutzen aber nur noch Nerds. Wer vorne mit dabei sein will, trägt Helm mit integriertem Blinker und hat eine elektronische Schaltung am Bike.
Vor ein paar Jahren war der E-Bike-Gedanke für mich eine Verheißung: Menschen würden ihr Auto verkaufen, weil sie größere Einkäufe oder zwei, drei Kinder bequem per Rad transportieren könnten. Ältere, untrainierte Menschen trennten sich von ihrem Auto – schließlich kämen sie auch bei einem Wohnsitz auf dem Land mit dem E-Bike überall hin. Pizzabotinnen und Paketzusteller, niemand würde mehr ein Auto brauchen.
Falsche Visionen
Ich sah Städte voller Flaniermeilen und breiten Radwegen – auf denen entspannt der Dreijährige ebenso wie die Rennradfahrerin Platz fänden. Einen Pkw würde sich der moderne Städter nach Bedarf für den Urlaub oder den Ikea-Einkauf leihen.
Inzwischen habe ich eine ernüchternde Studie in meinem Bekanntenkreis angestellt. Von den Dutzenden E-Bikefahrern hat exakt keiner sein Auto verkauft. Eine Minderheit fährt einige Strecken per E-Bike, die früher mit dem Pkw absolviert wurden. Die Mehrheit hat jetzt schlicht einen Motor am Rad.
Wenn E-Bikes nicht dazu beitragen, dass weniger Autos fahren und parken, haben sie eben doch nur den Charme von Treppenliften. Klasse, dass es sie gibt. Aber man kann froh sein, (noch) keines zu brauchen. Ich habe eine Sammlung Bio-Bikes. Zur Infrastruktur Marke Felgenbrecher vor der Schule passt am besten das 100-Euro-Bahnhofsrad aus der Polizeiversteigerung.
Leser*innenkommentare
Karl Schmidt
Ein neues Rad ohne Motor zu kaufen ist doch heute etwas kurzsichtig. Wir haben beim Kauf darauf geachtet, dass es sich auch mit ausgeschaltetem Motor normal fahren lässt - und der ist auch normalerweise aus. Trotzdem gibt es ein paar Strecken, die wir ohne Motor entweder gar nicht fahren würden oder eben mit dem Auto. Und dafür ist es doch ganz praktisch, wenn ein Motor eingebaut ist.
Manche E-Bikes sind so vergurkt konstruiert, dass der ausgeschaltete Motor bremst. So was ist natürlich quatsch.
tomás zerolo
Hab' auch nur ein Bio-Bike. Und könnte mein Auto mangels desselben eh' nicht verkaufen.
Als kleiner Tipp: ab etwa 26 km/h hängen Sie die meisten e-Bikes ab, dann sind Sie die Plaggeister los. Ist gar nicht so schwer, wenn flach oder gar leicht bergab und kein Gegenwind (Reifen gut aufgepumpt!).
Danke für den Felgenbrecher! Den muss ich mir merken.
Uwe81
Und noch etwas: Ich muss meine kleinen Kinder nun auch noch im Wald ständig beiseite nehmen, weil Renter auf E-Bikes in Dauerschleife an uns vorbeiziehen.
Tarquin Winot
Diese Kolumne stellt die falsche Frage. Die richtige Frage ist nicht, ob Leute mit eBike ihre Autos verkaufen bzw. sich keine neuen Autos kaufen, sondern ob die Leute dank eBike *weniger Auto fahren*. Dafür gibt es meines Verständnis nach einiges an statistischer Evidenz. Anekdotisch kann ich sagen, dass meine Eltern (72 & 75) dank ihrer eBikes ihre Autofahrten sicher um 50% oder mehr reduziert haben.
Es wäre natürlich schön, wenn weniger Autos in den Städten herumständen, aber wenn Leute einfach aufs *Fahren* verzichten ist schon viel gewonnen, und wird mittelfristig mehr Unterstützung für mehr Radwege & verkehrsberuhigte Zonen schaffen.