Gemeinwohlorientierte Mietenpolitik: So billig könnte deine Wohnung sein

Eine neue Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt: Für günstige Mieten braucht es vor allem Eigentümer:innen, die nicht auf Profit aus sind

Stressfrei wohnen ohne Profitzwang: Wohnblock der Gewobag in Reinickendorf

Wie hoch darf eine faire Miete in Berlin sein? Ist es die im Mietspiegel festgehaltene ortsübliche Vergleichsmiete, die 2024 im Mittel bei 7,21 Euro nettokalt pro Quadratmeter lag? Oder sollte sie, wie die 30-Prozent-Faustregel nahelegt, nicht mehr als ein Drittel des Einkommens betragen? Oder ist eine Wohnung das wert, was Menschen bereit sind zu zahlen? Das wären rund 15 Euro pro Quadratmeter, wenn man die durchschnittlichen Angebotsmieten in Berlin betrachtet.

Die Au­to­r:in­nen der Studie „Keine Profite mit der Miete“, die am Montag bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Friedrichshain vorgestellt wurde, haben einen weiteren Vorschlag: Der Preis fürs Wohnen sollte nicht höher sein als die Kosten, die es verursacht. Und die sind gar nicht mal so hoch, wie die vier Au­to­r:in­nen um den Stadtsoziologen Andrej Holm nachrechneten. Das Ergebnis: Mehr als 5,42 Euro netto kalt pro Quadratmeter müsste Wohnen nicht kosten. Dabei sind Instandsetzung, Modernisierungen und eine zuverlässige Verwaltung schon mit inbegriffen.

Die Ergebnisse der Studie dürfte besonders Enteignungs-Befürworter:innen freuen: „Eine Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände mit dem Ziel, Wohnungen nach Kostenmieten zu bewirtschaften, könnte die Mietpreisspirale stoppen“, sagt Alrun Kaune-Nüßlein, Sprecherin der linksparteinahen Stiftung.

Um den Wert zu ermitteln, verglichen die Au­to­r:in­nen drei Fallbeispiele, in denen Unternehmen schon jetzt Immobilienbestände abseits von reinem Profitinteresse verwalten. Untersucht wurden die sechs landeseigenen Wohnungsbauunternehmen (LWU) und eine Auswahl an vier Genossenschaften aus Berlin. Dazu das städtische Unternehmen Wiener Wohnen, das in der österreichischen Hauptstadt 210.000 Wohnungen verwaltet. Mit seinem hohen Anteil an kommunalen günstigen Wohnungen gilt Wien international als Positivbeispiel für soziale Wohnungspolitik.

Neubau vs. Bestand

Die Au­to­r:in­nen analysierten, wie sich die Bestandsmieten im Jahr 2022 bei den einzelnen Unternehmen zusammensetzten – darunter Personalausgaben, Instandsetzungskosten, Zinsen und weitere Betriebskosten – und bildeten dann einen Mittelwert. Dabei stießen sie auf interessante Unterschiede. So sind die Ausgaben der Genossenschaften für Instandsetzung deutlich höher als die der kommunalen Unternehmen. „Die Wohnungsbaugenossenschaften sind sehr auf die Zufriedenheit der Mie­te­r:in­nen orientiert“, erklärt Autorin Itziar Gastaminza Vacas. Kostenintensiver Neubau sei hingegen kein Unternehmensziel.

Anders als bei Berlins LWU: Die vergleichsweise hohe Durchschnittsmiete erklärt sich auch durch die ambitionierten Neubauziele. Da die Unternehmen wirtschaftlich bleiben müssen, werden die Neubauvorhaben mit den Bestandsmieten quersubventioniert. „Im Moment gilt die Logik: Wir müssen Mieten erhöhen, wenn wir ankaufen und neu bauen wollen“, sagt Andrej Holm. Das Argument, dass Neubau die Bestandsmieten durch eine Entlastung des Marktes senken würde, werde innerhalb des Unternehmens ins Gegenteil verkehrt.

Die Wiener Wohnen hingegen ist explizit nicht zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet, sondern soll in erster Linie günstigen Wohnraum bereitstellen. Neubau lagert das kommunale Unternehmen an ein Tochterunternehmen aus. Bei Bestandsmanagement und Neubau handelt es sich in Wien um komplett unabhängige Finanzierungskreisläufe.

Ein Modell, das sich die Au­to­r:in­nen auch für Berlin vorstellen können: „Es müssen andere Wege her, Modernisierung und Bestandserweiterung zu finanzieren“, fordert Sebastian Gerhardt. Besonders die umfassenden energetischen Sanierungen könnten nicht allein durch Mieterhöhungen refinanziert werden. Aufgegriffen hat die Forderung bereits die Linkspartei. Der Abgeordnete Nikolas Schenker fordert eine Erhöhung des Eigenkapitals der LWU, um Neubau und Modernisierung zu stemmen: „Ein nicht-profitorientierter Wohnungsmarkt ist der Schlüssel, um bezahlbare Mieten darzustellen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben