Flüchtlingsunterkünfte in Berlin: Geschäfte mit dem Krieg

Berlins Senat kündigt einem Betreiber von Unterkünften außerordentlich wegen vertragswidrigem Verhalten. Linke fordert rein gemeinnützige Träger.

Ein Serco-Gefängnistransporter kommt am Zentralen Strafgerichtshof London, Old Bailey genannt, an

Waffenhandel, Gefängnisse, und Flüchtlingsunterkünfte: All das gehört zum Geschäftsbereich von dem Unternehmen Serco Foto: Jonathan Brady / dpa

Bei der Serco Group verdienen sie Geld an allen Enden: Der Konzern zählt laut Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri zu den 100 größten Rüstungskonzernen weltweit. Gleichzeitig betreibt das Unternehmen Flüchtlingsunterkünfte. Zuständig dafür sind die Tochterfirmen „European Homecare“ EHC und ORS. Auch in Berlin hatte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) drei Unterkünfte an die ORS vergeben. Die Verträge dafür hat das LAF laut Senat zum 28. März dieses Jahres kurzfristig und außerordentlich gekündigt. Der Hintergrund für die außerordentliche Kündigung sei „vertragswidriges Verhalten“, wie die Senatsverwaltung für Soziales in den Antworten auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Elif Eralp (Linke) mitteilt. Die Unterkünfte hat das LAF demnach inzwischen über Interimsverträge an andere Betreiber vergeben.

Der Tod eines Bewohners soll über mehrere Wochen unentdeckt geblieben sein

Zu den genauen Gründen für die außerordentliche Kündigung äußern sich weder die Senatsverwaltung noch das LAF. Denn es handele sich um ein laufendes Verfahren, man wolle „die eigene Rechtsposition nicht gefährden“, heißt es vom LAF und aus der Verwaltung. „Leider antwortet der Senat sehr schmallippig im Hinblick auf die Hintergründe der Kündigung der Verträge mit ORS“, kritisiert Eralp, es ließe sich nur vermuten, dass ein Gerichtsverfahren läuft. Der Senat bestätigt in der Anfrage allerdings auch, dass es einen Todesfall in einer der von ORS betriebenen Unterkünfte gegeben habe. „Es könnte sein, dass der mit der Kündigung in Verbindung steht“, sagt Eralp.

Recherchen von tagesschau.de und „Monitor“ legen den Zusammenhang ebenfalls nahe. Demnach soll es sich bei dem Toten um einen 24-jährigen Mann aus Guinea handeln. Sein Tod soll in der Einrichtung Ende letzten Jahres über mehrere Wochen unentdeckt geblieben sein. Tagesschau.de schreibt, dass eine mit dem Fall vertraute Quelle dies gegenüber Monitor berichtet habe. Die Unterbringungskosten für den Mann sollen zudem noch abgerechnet worden sein, als dieser bereits verstorben war. Tagesschau.de schreibt weiter, das Unternehmen wiederum habe „Monitor“ mitgeteilt, dass sie den Tod des Bewohners „umgehend nach Bekanntwerden“ gemeldet hätten.

Einige Ungereimtheiten

Linke-Politikerin Elif Eralp überzeugt das nicht. „Eigentlich gilt die Regel: wer sich drei Tage in Folge nicht in einem Heim für Geflüchtete persönlich meldet, wird dort abgemeldet“, sagt sie. Angesichts ihrer eigenen Informationen würden sich einige Ungereimtheiten ergeben. Eralp fordert mehr Transparenz und Aufklärung und kritisiert außerdem, dass der Senat überhaupt Unterkünfte an Unternehmen wie ORS vergibt.

Doch dass die Serco Group knapp ein Drittel ihres Umsatzes durch Waffenhandel erzielt, dass sie außerdem auch Abschiebegefängnisse und für Australien Gefängnisse für Flüchtlinge auf Inseln im Pazifik betreibt, all das ist für die Senatsverwaltung auch in der Zukunft kein Grund, dieses und ähnliche Unternehmen bei der Vergabe von Flüchtlingsheimen auszuschließen. Denn das darf laut den Spielregeln für solche Vergabeverfahren gar keine Rolle spielen, auch das schreibt die Senatsverwaltung in den Antworten auf Eralps Anfrage.

Eralp fordert daher, dass der Senat hier tätig wird. „Aus meiner Sicht ist problematisch, dass der Betrieb von Unterkünften Unternehmen überantwortet werden kann, die nicht gemeinnützig sind, sondern bei denen das Profitstreben und die Gewinn­erbringung im Vordergrund stehen“, sagt sie. „Solche sensible Bereiche der Daseinsvorsorge sollten von sozialen Einrichtungen oder der öffentlichen Hand selbst verantwortet werden und nicht von Tochterfirmen von Rüstungskonzernen.“

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