Signale der Härte

Kanzler Scholz will Asylverfahren im Ausland weiter ausloten, trotz Kritik. Auch an Bezahlkarte und Bargeldlimit wird beim Bund-Länder-Treffen weiter festgehalten

Deuten die Worte des Kanzlers unterschiedlich: Niedersachsens Ministerpräsident Weil (SPD) und sein hessischer Amtskollege Rhein (CDU) Foto: Hannes P.Albert/dpa

Von Frederik Eikmanns

Bundeskanzler Olaf Scholz will die umstrittenen Asylverfahren in Drittstaaten weiter prüfen. Das kündigte er nach den Beratungen mit den Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen der Länder am Donnerstagabend an. „Es ist fest vereinbart, dass wir den Prozess fortführen und in diesen Fragen auch weiter berichten werden“, so Scholz.

Die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen interpretierten Scholz’ Ankündigung höchst unterschiedlich. Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) sagte: „Wir werden jetzt nicht bei Gutachten stehen bleiben, das begrüße ich sehr.“ Sein SPD-Amtskollege aus Niedersachsen, Stephan Weil, sagte dagegen: „Dass das eine Lösung unserer strukturellen Probleme sein wird, das glaube ich nicht.“ Thüringen und Bremen kritisierten die Absprachen in einer Protokollerklärung mit Verweis auf drohende Menschenrechtsverletzungen und Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit. Auch der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour äußerte sich skeptisch.

Erste Ergebnisse der weitergehenden Prüfung will Scholz Anfang Oktober vorstellen – nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Ein Prüfbericht aus dem Bundesinnenministerium, der vorab öffentlich geworden war, kam zu dem Fazit, dass Verfahren im Ausland zwar rechtlich möglich wären, praktisch aber kompliziert, teuer und menschenrechtlich problematisch seien.Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte dazu am Freitag, die Verfahren könnten ein „weiterer Baustein“ der Migrationspolitik sein, aber die Zahl der Geflüchteten in Deutschland wohl nicht substanziell senken.

Ak­ti­vis­t*in­nen fürchten, dass Geflüchteten fern der Öffentlichkeit in den Drittstaaten schwere Menschenrechtsverletzungen drohen könnten. Sie kritisieren zudem absehbar hohe Kosten und Verwaltungsaufwand. „Die Auslagerung von Asylverfahren ist weder rechtlich noch praktisch machbar“, teilte Amnesty International mit. Wiebke Judith von Pro Asyl sprach von einer „Scheinlösung“ und einem „Irrweg“.

Trotzdem drängt die Union seit Monaten auf solche Pläne und verweist auf Vorhaben von Großbritannien und Italien, die Asylverfahren nach Ruanda und Albanien auslagern wollen. Darauf angesprochen verwies Scholz am Donnerstag darauf, dass es bei den britischen und italienischen Plänen jeweils nur um wenige tausend Geflüchtete gehen soll. Dies habe mit den Problemen, vor denen Deutschland stehe, „nur ein bisschen was zu tun“.

Scholz berichtete den Ländern auch über die Bemühungen der Bundesregierung, Straftäter und Gefährder künftig wieder nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Er sagte, man sei „auf einem guten Weg“. Men­schen­rechts­ak­ti­vis­t*in­nen kritisieren auch diese Pläne scharf: Abgeschobenen drohe Folter und Todesstrafe. Zudem dürfe die internationale Ächtung der Regime in Kabul und Damaskus nicht aufgehoben werden.

Keine Beschlüsse gab es zu den staatlichen Leistungen für Geflüchtete aus der Ukraine. Bisher erhalten sie Bürgergeld. Union und FDP hatten vor dem Gipfel gefordert, neu ankommenden Ukrai­ne­r*in­nen künftig nur noch Beträge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auszuzahlen, die in den ersten 36 Monaten deutlich unter dem Bürgergeld liegen.

Nur 50 Euro Bargeld

Vor dem Treffen mit Scholz hatten sich die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen bereits auf ein gemeinsames Bargeldlimit für die Bezahlkarte geeinigt, über die Asyl­be­wer­be­r*in­nen künftig ihre staatlichen Leistungen erhalten sollen. Boris Rhein sprach von einem „wichtigen Zeichen“. Allerdings blieb zunächst unklar, ob wirklich alle der 14 Länder, die sich an dem Kartenmodell beteiligen wollen, auch die Umsetzung der jüngsten Beschlüsse planen. Bremen, Thüringen und Rheinland-Pfalz sprachen sich für ein höheres Limit­ aus.

Bleibt es flächendeckend bei 50 Euro, wäre das eine weitere Niederlage für die Grünen in den Ländern, die das Kartenmodell ohnehin skeptisch sehen. So oder so verloren haben die Asylbewerber*innen, die mit den Karten künftig keine Überweisungen mehr tätigen können und nur noch begrenzten Zugang zu Bargeld haben.

Einzig positives Ergebnis der Bund-Länder-Beratungen ist der Beschluss, eine dauerhafte Kommission gegen Antiziganismus einzurichten. Der Zentralrat der Sinti und Roma begrüßte die Entscheidung. Vorsitzender Romani Rose sagte, dies mache deutlich, „dass die Bundesregierung auch die Gefahren des Antiziganismus verstärkt in den Fokus nimmt“. Der Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler, sprach von einem „starken Zeichen“.