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Mietpreisentwicklung in NiedersachsenEine Bremse, die nichts bringt

André Zuschlag
Kommentar von André Zuschlag

Niedersachsens Landesregierung erweitert die Zahl der Wohnorte, an denen die Mietpreisbremse gilt. Die Mieten steigen trotzdem immer weiter.

Mieten runter? Schön wär's. Hausfassade in Berlin im Oktober 2023 Foto: Monika Skolimowska/dpa

M ie­te­r:in­nen in Rotenburg (Wümme), in Lingen oder in Bovenden bei Göttingen sollten jetzt wohl glücklich sein. Schließlich hat ihnen die rot-grüne Landesregierung doch Gutes getan und ihren Wohnorten und 54 weiteren attestiert, einen „angespannten Wohnungsmarkt“ zu besitzen. Deshalb greift bei ihnen nun auch die Mietpreisbremse und sie müssen sich künftig nicht mehr wegen massiv steigender Mieten sorgen. Danke, danke! Danke?

Leider nein. Wie Grüne und SPD in Niedersachsen dieses Instrument noch im Jahr 2024 tatsächlich für eine gute Idee halten können, ist schleierhaft. Es hat sich längst gezeigt, dass die Mietpreisbremse nichts bringt.

Der Mietmarkt hat im ganzen Land nun seit zwei Jahrzehnten bald eine Ralley hinter sich, von den großen Städten ausgehend bis hin aufs Land, bei der es nur in ganz kurzen Augenblicken so aussah, als würde sie enden. Stattdessen steigen und steigen die Mieten. Vor rund einem Jahrzehnt griff die Politik dann in mehreren Bundesländern und später auf Bundesebene die Idee einer Mietpreisbremse auf.

In Hannover gilt sie, auch in einer größeren Metropole wie Hamburg und in kleineren Städten wie Lüneburg oder Göttingen. Dass dort nun aber mie­te­r:in­nen­freund­li­che Zustände herrschen, kann niemand behaupten. Der Mietenspiegel in Hannover etwa liegt mittlerweile bei rund 8,50 Euro pro Quadratmeter und damit acht Prozent höher als noch im Jahr zuvor. Wer aktuell auf der Suche nach einer neuen Wohnung ist, muss diese Summe sogar noch für paradiesisch niedrig halten, denn der Mietenspiegel blickt immer nur auf die vergangenen Jahre zurück. Die dort ausgewiesenen Mieten sind also immer niedriger ist die, die gerade wirklich auf dem Markt angeboten werden.

Umverteilung zugunsten der Immobilienbesitzenden

Das liegt an der Ausgestaltung der Mietpreisbremse. Demnach darf bei der Wiedervermietung die Miete höchstens um zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Bei bestehenden Mietverhältnissen dürfen Ver­mie­te­r:in­nen die Miete innerhalb von drei Jahren nur um höchstens 15 Prozent bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen.

Man muss sich diese Prozentzahlen immer wieder vor Augen führen: 15 Prozent Mieterhöhung in drei Jahren sind zulässig. Nicht einmal Tariflöhne sind in der Vergangenheit auch nur in ähnlichem Maß gestiegen. Das hat zur Folge, dass immer mehr vom Geld für die Miete draufgeht und eine massive Umverteilung zugunsten der Immobilienbesitzenden stattfindet.

Nun wird bei der Mietpreisbremse als Argument angeführt, dass es ohne sie ja noch schlimmer wäre. Das könnte sogar richtig sein, so genau kann das niemand wissen. Die Frage ist aber: Was sagt das über Niedersachsens rot-grüne Regierung, wenn sie die Botschaft aussendet: Ohne uns wäre es halt noch schlimmer. Soll das ernsthaft der Anspruch zweier Parteien sein, die für sich reklamieren, soziale Politik betreiben zu wollen? Ein wenig scheinen sie es selbst zu wissen. Richtig optimistisch klingt der zuständige Bauminister Olaf Lies (SPD) jedenfalls nicht, wenn er sagt, nun könne die Mietentwicklung „mindestens gedämpft werden“.

Ideen, um das Problem der immer größeren Belastung der Mie­te­r:in­nen anzugehen, gibt es genug – da müssen wir noch nicht mal von Enteignungen sprechen. Schon eine Besteuerung jener Vermieter:innen, die zu hohe Mieten einstreichen und damit von den erheblichen Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt profitiert haben, wäre ein Ansatz. Dadurch wären Ver­mie­te­r:in­nen entweder künftig davon abgeschreckt, zu hohe Mieten zu verlangen – andernfalls flösse Geld in den Bau von Sozialwohnungen. Oder Mie­te­r:in­nen könnten mit höheren Zuschüssen entlastet werden.

Es braucht nur Parteien, die einen anderen Anspruch haben als den, dass es ja noch viel schlimmer sein könnte.

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André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
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2 Kommentare

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  • Danke für diesen engagierten Artikel. Wie ist das Problem der zu hohen Mieten und der riesigen Wohnungsnot zu lösen? Wenn große Summen von Geld vom Bund für den Ukrainekrieg und den Aufwuchs der Bundeswehr ausgegeben werden, muss es doch möglich sein, eine ebenso große Summe von Geld für die Bau von Sozialwohnungen zu investieren- und zwar flächendend in allen Bundesländern. Wohnungen, die nicht aus der Sozialbindung fallen, sondern Staatsbesitz sind.



    Sage keiner, dass geht nicht. In den siebziger war dergleichen in der BRD und der DDR möglich. Jetzt kommt es darauf an, ebenso viele Wohnungen zu bauen. Ein Sondervermögen von mindestens 100. Mrd Euro (Boris Palmer bei Lanz) für den Bau der Sozialwohnungen ist nötig. Vergeblich sucht man z. B. bei den Grünen eine Zahl wieviel Geld nötige wäre, genug Sozialwohnungen zu bauen. Ebenso bei den Grünen. Die Parteien überlassen das Thema lieber CDU, FDP und AFD, die allein auf den Markt setzen.

    • @Lindenberg:

      Ach ja, die Sondervermögen.

      Die 100 Mrd. für die Bundeswehr sind schon ziemlich weg, ohne dass irgendwas weltbewegendes sich dort getan hätte.

      200 Mrd. Doppelwumms für die Energiesubvention sind auch schon weg.

      Egal, nehmen wir halt noch mal für ein wichtiges Projekt eine oder besser gleich ein paar hundert Milliarden Sondervermögen. Das sind ja schließlich Vermögen und keine Schulden, nicht wahr?

      Und wenn das dann mit dem Wohnungsbau so gut geklappt hat, dann braucht es noch eine Billion für den Klimawandel.

      Ach und da wäre ja noch der Schutz der Investitionen in der Ukraine. Auch wichtig. Nochmal eine, wir wolle ja nicht kleinlich sein, 3/4 Billion.

      Sind aber alles Sondervermögen. Keine Schulden.