Krieg im Gazastreifen: „Zumindest haben wir noch Mehl“

Wenn sie irgendwann an den Krieg zurückdenkt, werde sie auch ans Backen denken, schreibt die 18-jährige Malak. Die Not habe sie zur Bäckerin gemacht.

Menschen stehen in einem Laden an.

Anstehen in einer der wenigen noch geöffneten Bäckereien im Gazastreifen im April 2024 Foto: Mahmoud Issa/reuters

In palästinensischen Familien ist es üblich, gemeinsam zu kochen. Doch aktuell fehlt es uns an grundlegenden Dingen wie Zucker oder Salz, an Fleisch, Obst und Gemüse sowieso. Im Frühjahr hatten wir auch kein Mehl mehr und verwendeten stattdessen Tierfutter, das wir gemahlen hatten, um es zum Backen zu verwenden. Ich war so glücklich, als wir Ende Februar endlich wieder Mehl für echtes Brot auftreiben konnten. Zwei Monate hatten wir uns danach gesehnt.

Vor dem Krieg hatten wir zu Hause nie Brot selbst gebacken. Ich stamme aus einer Familie von Akademiker*innen, weshalb es für meine Geschwister und für mich immer wichtig war, gute Noten zu schreiben. Brot aus der Bäckerei zu kaufen, war immer der schnellste und stressfreiste Weg. Doch auch die Bäckereien sind mittlerweile durch Luftangriffe zerstört worden oder stehen leer.

Die alltägliche Angst erdrückt mich manchmal so sehr, dass ich mir denke, es wäre besser, durch einen Luftangriff zu sterben als ständig Explosionen hören zu müssen. Seit Oktober habe ich so viele Menschen verloren, die ich geliebt habe, zum Beispiel meine beiden Cousins Jusuf und Mahmud sowie meine beste Freundin Dima.

Dann wiederum versuche ich das Beste aus der Situation zu machen und schreibe ein Gedicht oder halte meine Gefühle auf meinem Laptop oder meinem Smartphone fest. Ich liebe es, Gedichte oder Essays zu schreiben. Es war mein großer Traum, nach meinem Schulabschluss die Universität zu besuchen. Doch nun sind alle Universitäten Gazas zerstört.

Zumindest haben wir momentan aber noch Mehl. Der Krieg hat mich zur professionellen Bäckerin gemacht, auch wenn ich mich einmal beim Backen verbrannt habe und die Narbe an meiner Hand immer noch sichtbar ist. Vielleicht bleibt sie, so wie die Erinnerungen, die wir als Familie durch das Backen nun haben. Meine beiden jüngeren Brüder sehen immer gespannt zu, wenn wir den Teig kneten und formen. Das Funkeln in ihren Augen und ihr Lächeln sind unbeschreiblich.

Eine Person beim Brotbacken.

Malak Hani al-Sweirki beim Brotbacken Foto: privat

Ich bin durch den Krieg auch zur begnadeten „Kneterin“ geworden, nicht nur, weil ich das Kneten des Brotteigs zu lieben gelernt habe. Wir müssen auch unsere Kleidung mit unseren Händen waschen, weil wir oft keinen Strom haben – wobei die Stromversorgung in Gaza auch schon vor dem Krieg ein großes Problem war.

Erst vor einigen Tagen entschied ich mich, etwas Ungewöhnliches zu tun. Ich entschloss mich früh aufzustehen, etwas Eyeliner aufzutragen und wie vor dem Krieg meine schöne Kleidung anzuziehen, die für das Backen eigentlich ungeeignet ist. Ich sang dabei ein Lied der libanesischen Sängerin Fairuz, das ich sehr mag. Übersetzt lautet der Titel in etwa „Die Schönheit, die früh morgens aufstand, um zu backen“. Ich stellte mir vor, jene Schönheit aus dem Lied zu sein.

Protokoll: Elias Feroz

Malak Hani al-Sweirki (18) absolvierte letztes Jahr ihre Abschlussprüfung an der Oberschule und belegte im landesweiten Punkteranking mit 99,4 Prozent den zweiten Platz. Mit ihren Eltern, ihren beiden jüngeren Brüdern und ihrer älteren Schwester lebt sie in al-Tuffah im Norden des Gazastreifens. Im Dezember floh sie mit ihrer Familie Richtung Westen, kehrte aber in ihr Heimatdorf zurück, nachdem sie feststellte, dass es auch dort nicht sicher ist.

In der Reihe „Gaza-Tagebuch“ berichten unsere Au­to­r*in­nen von ihrem Leben im Gazastreifen. Alle Beiträge finden Sie hier.

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