EU-Wahlergebnis Irland: Sinn Féin ist Wahlverliererin

Wegen des komplizierten irischen Wahlsystems liegen die Europawahlergebnisse erst jetzt vor. Der Rechtsruck hat auch vor dem Staat nicht Halt gemacht.

Sinn Fein Vorsitzende McDonald mit der Spitzenkandidatin Funchion vor der Presse.

Sinn-Féin-Vorsitzende McDonald (rechts) mit der Spitzenkandidatin Funchion vor der Presse Foto: Brian Lawless/PA/ap

DUBLIN taz | Es ist vollbracht. Eine Woche nach den Europawahlen in Irland, bei denen knapp 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben, stehen die 14 Abgeordneten fest. Dass es so lange gedauert hat, liegt am irischen Wahlsystem. Man macht in Irland nämlich kein Kreuzchen, sondern nummeriert die Kandidaten in der Reihenfolge der Präferenz.

Hat ein Bewerber die erforderliche Quote – sie wird aus der Zahl der Wähler geteilt durch die Anzahl der Sitze im jeweiligen Wahlkreis ermittelt – überschritten, werden die überschüssigen Stimmen auf die Kandidaten zweiter Wahl übertragen. Hat niemand die Quote erreicht, wird der schwächste Kandidat eliminiert und seine Stimmen werden verteilt. Aufgrund der vielen Bewerber mussten die Stimmen diesmal bis zu zwanzig Mal gezählt werden.

Rechtsruck auch in Irland

Der Rechtsruck hat auch vor Irland nicht Halt gemacht. Als letzter Abgeordneter wurde am Freitagvormittag Ciaran Mullooly gewählt, ein ehemaliger Fernsehreporter. Er gehört der erst im November letzten Jahres gegründeten Partei Independent Ireland an. Sie tritt für die „Sicherung der irischen Grenzen“, die Senkung der Kohlendioxidsteuer sowie den „Schutz der Landwirte und Fischer vor EU-Vorschriften“ ein. Bei den Kommunalwahlen, die gleichzeitig mit der Europawahl stattfanden, gewann die Partei 23 Sitze.

Die Kombination aus einer hohen Zahl an Geflüchteten, einem schnellen Bevölkerungswachstum, einer Zweiklassenwirtschaft und einer katastrophalen Wohnungsbaupolitik hat dazu geführt, dass auch andere rechtsextreme Parteien bei den Kommunalwahlen Sitze gewannen. Noch ist diese Bewegung zersplittert, aber sie beginnt, sich zu profilieren.

Weitere Wahlgewinner sind die parteilosen Kandidaten, die ihren Stimmanteil in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt haben, sowie die beiden Regierungsparteien Fianna Fáil und Fine Gael, die Irland seit der Staatsgründung vor gut hundert Jahren abwechselnd regiert haben. Inzwischen verfügen sie aber über keine absolute Mehrheit, so dass sie eine große Koalition eingehen mussten. Trotz aller Probleme konnten sie ihren Stimmanteil halten und gewannen jeweils vier der 14 Europa-Mandate, während der Steigbügelhalter der Koalition, die Grünen, ihre beiden Europaabgeordneten verloren.

Dramatischer Absturz von Sinn Féin

Größter Verlierer der Europa- und Kommunalwahlen ist aber Sinn Féin, der ehemalige politische Flügel der schon lange aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Die Partei kam nur auf gut elf Prozent der Stimmen. Dabei lag sie bei Umfragen vor wenigen Monaten noch bei über 30 Prozent – zehn Prozent mehr als Fianna Fáil und Fine Gael. Da Sinn Féin in Nordirland stärkste Partei ist, träumte man bereits von einem vereinten Irland.

Der Absturz war dramatisch. Es war eine Fehleinschätzung, zu viele Kandidaten in einigen Wahlkreisen aufzustellen, die sich gegenseitig die Stimmen wegnahmen. Das war eine Reaktion darauf, dass bei den Wahlen 2020 nicht genug Kandidaten aufgestellt und dadurch Sitze verschenkt wurden.

Drei Wochen vor den Parlamentswahlen im Vereinigten Königreich – Sinn Féin stellt in Nordirland 14 Kandidaten auf – wächst die Kluft zwischen der Dubliner Führung und den Aktivisten in Belfast. Die werfen der Parteiführung vor, gegen den Willen der Basis alles daran zu setzen, um der politischen Mitte ein vereintes Irland schmackhaft zu machen.

Die Ablehnung der Ausweisung der israelischen Botschafterin in Irland im vergangenen November kostete Sinn Féin Stimmen bei jüngeren Wählern, ebenso wie die Reise der beiden Parteichefinnen Mary Lou McDonald und Michelle O’Neill zur St. Patrick’s-Day-Feier nach Washington. Die Parteibasis hatte wegen der Israelpolitik der USA zum Boykott aufgerufen.

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