Dann kostet die Wurst eben 8,40 Euro

Das Metal-Festival in Wacken gehört künftig einem Finanzinvestor, der auch an Waffenproduktion und vielen fossilen Projekten beteiligt ist. Fans und Medien befürchten einen Ausverkauf des Festivals. Das greift seinen Kunden schon länger tief in die Tasche

Bezaubernd konservativ und meist lieb: Metal-Fans sitzen in Wacken in der Sonne Foto: Axel Heimken/dpa

Von Benjamin Moldenhauer

Männer ackern ehrlich an ihren Gitarren. Metal lebt, bei allen Avant-Rock-Verbindungen der vergangenen zehn, zwanzig Jahre, sehr von den Versprechen des Erdigen und Bodenständigen. Eine bezaubernd konservative Unternehmung. Der Gender Trouble, der viele Menschen, für die Normalität ein positiv besetzter Begriff ist, zurzeit stresst, berührt das Genre eher peripher. Pop ist potenziell queer, Metal potenziell eher nicht, Rob Halford hin, Rob Halford her. Halford ist Sänger der britischen Band Judas Priest und hatte sich 1998 als homosexuell geoutet.

Eine Außenseitermusik ist Metal aber auch. Man bekommt den Mythos in Highschool-Komödien immer wieder vorgeführt: Der Metal-Fan ist eine Ein-bisschen-windschief-in-die Welt-Figur, lieb meist, aber notgedrungen immer eine Idee eigensinniger als der Rest.

Das Wacken-Festival ist eins der größten Metal-Festivals der Welt und ein inzwischen mythisch aufgeladener Ort. Menschen, die öfter dort waren, sprechen gerne vom „holy ground“ und meinen das, wie oft im Metal, ironisch und ernst zugleich.

Gegründet wurde das Festival 1990 auf einem Acker in Wacken, gut zehn Kilometer nordwestlich von Itzehoe. Damals waren es gerade mal 800 Besucherinnen und Besucher, und der Eintritt lag bei 12 D-Mark. Seitdem ist Wacken expandiert und seit 2010 restlos ausverkauft. Die 85.000 Tickets für die diesjährige Ausgabe waren innerhalb von vier Stunden weg. Eine Gelddruckmaschine, der immer noch der Glanz des Selbstgemachten und des irgendwie süß Provinziellen anhaftet.

Vielleicht ist die Übernahme des britischen Veranstalters Superstruct Entertainment, der das Wacken-Festival seit 2017 ausrichtet, vor allem deswegen auf eigentlich allen Kanälen eine Meldung wert. Würde zum Beispiel Rock am Ring verkauft, würde das jenseits der eigenen Branche wohl kaum jemanden interessieren. Über den befürchteten Wacken-Sell-out an den Finanzinvestor KKR aber wird kräftig berichtet. Wahrscheinlich auch, weil der Gegensatz immer noch gut funktioniert: ein Festival mit handgemachter Musik und felsenfesten Ritualen vor und auf den Bühnen, das auf einem norddeutschen Acker stattfindet mit knorzigen Dorfbewohnern im Hintergrund, versus ein gesichtsloser Investor, wie es dann gerne heißt, quasi Heuschrecke.

Verbunden waren die Meldungen oft mit der bangen Frage, ob sich durch die Übernahme etwas ändern wird. Was die Veranstalter seit einer Woche routiniert verneinen, auch der taz gegenüber: Der „Eigentümerwechsel von Superstruct Entertainment hat aktuell keine Auswirkungen auf das Wacken Open Air“. Der Pressemitteilung des „US-Investors“ (Der Spiegel) ist zu entnehmen, dass die Nachfrage nach Live-Unterhaltung im vergangenen Jahrzehnt erheblich gestiegen sei und voraussichtlich weiter steigen werde, da sich die Verbraucherausgaben mehr und mehr von Gütern hin zu Erlebnissen verlagern. Man wolle Superstruct „in seiner nächsten Entwicklungsphase“ unterstützen und gleichzeitig „die kreative und kulturelle DNA des Unternehmens“ bewahren.

Aber auch wenn das Verbraucherinteresse sich wirklich mehr und mehr von Gütern hin zu Erfahrungen verlagern sollte, muss der Mensch was essen, und die Bratwurst kostete auf dem Wacken-Festival 2023 mal eben 6,40 Euro. Das Vier-Tages-Ticket wiederum gab es zum Preis von rund 52 Bratwürsten. Auf der Ebene kann es also nicht wesentlich schlimmer werden. Die Wurst könnte auch 8,40 Euro kosten und das Ticket dann 437, aber das ist nicht entscheidend und wäre, wenn es passiert, auch ohne neuen Investor passiert. Das Wacken-Festival hat sich schon vor einigen Jahren branchengängigen Abmelkprozessen am Kunden angeschlossen.

Eine Gelddruckmaschine, der immer noch der Glanz des Selbstgemachten und irgendwie süß Provinziellen anhaftet

Als weiteres Zeichen des drohenden Verfalls wird die Beteiligung von KRR am Axel-Springer-Verlag und am Rüstungskonzern Hensoldt gewertet. Außerdem ist KKR einer der weltweit größten Investoren in fossile Projekte. Das alles sind natürlich valide Punkte. Eigentlich nämlich nimmt man von solchen Leuten kein Geld, sondern zeigt ihnen freundlich, aber bestimmt die Tür.

Aber dann natürlich: 1,3 Milliarden Dollar Verkaufspreis. Und es ist ja auch schon wieder ganz stimmig, wenn Firmen mit Waffenkonzernverbindung Geld in ein Metal-Festival pumpen. Weil das Genre selbst ja auch recht kriegsaffin ist. Man erinnere sich an „War Ensemble“ von Slayer („When victory’s a massacre / The final swing is not a drill / It’s how many people I can kill“), „One“ von Metallica („Now that the war is through with me / I’m waking up, I cannot see“) und Megadeths „Peace Sells… But Who’s Buying?“. Gute Frage. Eben, niemand.