Parlamentswahlen in Belgien: Rechts mit weniger Extremen

Bei den belgischen Wahlen schneidet der rechtsextreme Vlaams Belang schlechter ab als erwartet. Gemäßigte Nationalisten erstarken.

Ein Mann im blauen Anzug reckt die Arme in die Luft und wird von Umstehenden beklatscht

Belgiens Wahlsieger Bart De Wever von der gemäßigt-nationalistischen Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) Foto: Nicolas Maeterlinck/dpa

AMSTERDAM taz | Mit einer großen Überraschung endeten am Sonntag die belgischen Parlamentswahlen: Entgegen ihres deutlichen Vorsprungs in allen Umfragen wurde der rechtsextreme Vlaams Belang (VB) nicht stärkste Partei. Bei 97 Prozent ausgezählten Stimmen kommen die radikalen flämischen Na­tio­na­lis­t*in­nen auf 20 Sitze. Damit bleiben sie hinter der konservativen, ebenfalls flämisch-nationalistischen Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) (24) zurück.

Dennoch konnte sich VB im Vergleich zu 2019 um zwei Sitze verbessern. Alle anderen flämischen Parteien folgten mit deutlichem Abstand. Wahlen zum föderalen Parlament in Brüssel erfolgen getrennt nach Sprachlisten.

Bei den frankophonen Parteien lag – auch dies überraschend – der liberale Mouvement Réformateur (MR, 19 Sitze) dank deutlicher Gewinne vor dem üblicherweise dominierenden Parti Socialiste (PS, 16) und der neuen humanistischen Partei Les Engagés (15), die gleich zehn Sitze hinzugewann.

Kleinere Gewinne gab es auch für die flämischen So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen von Vooruit (12 Sitze) sówie die marxistische PVDA-PTB (14 Sitze), die als einzige Partei auf beiden Seiten der Sprachgrenze aktiv ist. Abgestraft wurden die flämischen Liberalen Open VLD des bisherigen Premierministers Alexander De Croo, die nur noch sieben Sitze behalten, sowie die frankophonen Ecolo (vier Sitze).

Sozialdemokratischer Süden trendet nach rechts

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im nördlichen Landesteil Flandern die traditionelle Vormachtstellung der Rechten bestätigt wurde, sich die Kräfteverhältnisse allerdings entgegen den langfristigen Umfragen wieder zugunsten der gemäßigteren N-VA verschoben. Beide streben eigentlich ein unabhängiges Flandern an, wobei die N-VA inzwischen ein konföderales Modell weitgehend autonomer Regionen anstrebt. Dieses Thema dürfte mit dem Wahlsieg wieder zurück auf die Tagesordnung kommen.

Im französischsprachigen, stark sozialdemokratisch und gewerkschaftlich geprägten Süden hingegen ist ein deutlicher Trend zu Mitte-rechts-Parteien sichtbar, wobei die extreme oder populistische Rechte dort elektoral keine Rolle spielt.

Auffällig ist, dass die Linkspartei PVDA-PTB zwar alles in allem ihr Rekordergebnis erzielte, auf den frankophonen Listen allerdings nicht nennenswert von der Schwäche des PS profitieren konnte. Mit den Verlusten der grünen Parteien beiderseits der Sprachgrenze liegt Belgien im europäischen Trend.

Die Ergebnisse der parallel ausgetragenen Wahlen in den Regionen – Wallonien, Flandern sowie das zweisprachige Brüssel – bestätigen diese Entwicklung. In Wallonien liegt der liberale MR deutlich vor dem sozialdemokratischen PS.

In Flandern haben N-VA und VB einen derartigen Vorsprung vor dem Rest des Spektrums, dass sie auf die Hälfte der Parlamentssitze kommen. VB-Chef Tom Van Grieken forderte seinen N-VA- Counterpart Bart De Wever auf, die „historische Chance“ auf eine nationalistische Regionalregierung zu nutzen. Ganz anders stellt sich die Lage in der Hauptstadtregion Brüssel dar, wo die niederländischsprachigen Grünen deutlich vorne liegen.

Entsprechend dem belgischen Prozedere wird der N-VA-Vorsitzende De Wever ab Montag seine Kol­le­g*in­nen zu Gesprächen einladen, um mögliche Koalitionsmodelle zu eruieren.

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