Englische Nationalmannschaft bei der EM: Das Rätsel des Turniers

England qualifiziert sich fürs Achtelfinale. Auf Torgefahr wartete man im Spiel gegen Slowenien vergebens. Trainer Southgate steht weiter unter Druck.

Ein englischer Nationalspieler versteckt sein Gesicht in seinem Trikot

Die Reaktion des englischen Nationalspielers Jude Bellingham auf das 0:0 gegen Slowenien am vergangenen Dienstag Foto: Martin Meissner/ap

KÖLN taz | Mit einem einzigen Satz zum gerade beendeten Spiel hat Gareth Southgate sogleich einen guten Überblick über die dürftige Vorrunde der Engländer gegeben. „Das war heute definitiv eine Verbesserung“, lobte Gareth Southgate das torlose Remis gegen Slowenien, das zumindest den ersten Gruppenplatz und die Qualifikation fürs Achtelfinale bescherte. Und wer noch einmal einordnen wollte, gegen wen diesem Ensemble aus so begnadeten Fußballern diese Steigerung gelungen war, der musste nur zuvor dem slowenischen Trainerkollegen Kek Matjaz zugehört haben.

Bei einem Land mit nur zwei Millionen Einwohnern sei die Auswahl nicht groß, gab er zu bedenken. Einige Nationalspieler seien in ihren Vereinen nicht gesetzt und alle drei, vier Tage Fußball auf so hohem Niveau seien sie im Unterschied zu den Engländern überhaupt nicht gewöhnt. In der zweiten Hälfte sei man zwar stark unter Druck geraten. „Aber Jan hatte gar nicht so viel zu tun.“ Drei Paraden schrieb die Uefa dem Torhüter Jan Oblak freundlicherweise zu. Wirklich strecken musste sich der 31-Jährige aber nie.

Es ist vielleicht das bislang größte Rätsel dieses Turniers, wie einfach es für jeden Außenseiter ist, diese hoch veranlagten Engländer auf ihr Niveau herunterzuziehen. Ursächlich dafür könnte sein, dass Southgate, der einstige Innenverteidiger, seinem Team einen gewissen Kontrollzwang übertragen hat. So hob der 53-Jährige den für ihn wohl größten Fortschritt hervor, dass man gegen Slowenien die zweite Halbzeit komplett unter Kontrolle gehabt habe – offensiv wie defensiv.

Auf überraschende Momente, die unumgänglich risikobehaftet sind, wartete man allerdings auch in dieser Partie meist vergebens. Wenn sich beispielsweise einmal der schnelle Bukayo Saka mit einem unerwarteten Laufweg rechts anbot, wurde der Ball knapp links neben ihm dem Gegner in die Füße gespielt. Eingespielt wirkt diese Elf nur, wenn sie in ihrem Schema bleibt.

Englands Erfahrungsschatz des Scheiterns

Hat England keinen Plan B oder C? Diese Frage begleitet Southgate bei dieser EM. Am Dienstag beantwortete er sie in der Kölner Arena so: „Ich denke, die Wechsel, die wir heute vorgenommen haben, hatten einen positiven Einfluss auf das Spiel.“ Mit der Hereinnahme des erst 19-jährigen Kobbie Mainoo zur zweiten Halbzeit, der den defensiver ausgerichteten Conor Gallagher ersetzte, veränderte South­gate zwar leicht die Statik des Spiels. Cole Palmer verstärkte später etwas den Schwung in der Offensive. Genießen konnten die Partie aber nur diejenigen, denen Aufregung vom Arzt strengstens untersagt ist.

Während sich ein großer Teil der englischen Fans mit Gesängen eben einfach selbst unterhielt, äußerten andere in der Kölner Arena vernehmbar ihren Unmut. „Es ist eine seltsame Atmosphäre gewesen“, befand Southgate. „Ich habe keine andere Mannschaft gesehen, die sich für das Achtelfinale qualifiziert hat und ähnlich viel Kritik bekommen hat.“ Dass die Vorwürfe aber sich vor allem gegen ihn richten, ist Southgate nicht entgangen. „Ich kenne das Narrativ, das von den Medien über mich verbreitet wird. Aber es ist besser, wenn es bei der Kritik um mich geht und nicht um die Mannschaft.“

Mit der hohen Erwartungshaltung in der Heimat habe all das zu tun, nachdem das Team in den letzten sechs, sieben Jahren den Menschen wieder Spaß beim Zuschauen bereitet hätte. „Wir müssen jetzt sehr vorsichtig vorgehen, dass es so weitergeht, dass es so bleibt.“ South­gates Achtsamkeit könnte durchaus biografische Gründe haben. Der Druck vor der Partie habe ihn an seine eigene Vergangenheit als englischer Nationalspieler erinnert, bekannte er. Der Erfahrungsschatz des Scheiterns ist in England besonders groß. Aber zu viel Sensibilität und Kontrollbedürfnis könnten kontraproduktiv wirken.

Vielleicht hätten Spieler wie Jude Bellingham, Harry Kane, Phil Foden oder eben Saka gerade in den Gruppenbegegnungen Phasen des Sich-Ausprobierens jenseits der Kontrollräume gutgetan. Im Achtelfinale wird die Risikofreude von Southgate nicht wachsen. Ein Fortschritt zur Partie gegen die Slowenen wäre vermutlich die realistischste Erwartungshaltung. Viel ist das aber eben nicht.

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