Demonstration vor EM-Stadion: Markenrechte und Menschenrechte

Ak­ti­vi­st*in­nen testen das Demo-Verbot vor den Stadien aus. Siehe da: es ist doch erlaubt, im Uefa-Bannkreis zu demonstrieren.

Demonstrant mit Pappschildern auf einem bevölkerten Weg, der zum Stadion führt

Gegen die Laufrichtung: Ak­ti­vis­t*in­nen demonstrieren für das Recht auf Demonstrationen Foto: akj Freiburg

Es geht also doch. Auch im unmittelbaren Umkreis von den EM-Stadien in Deutschland kann demonstriert werden. Rund zehn Studentinnen und Studenten, die dem Arbeitskreis kritischer Ju­ris­ten*­in­nen in Freiburg und Heidelberg angehören, hatten am Sonntag in Stuttgart die Probe aufs Exempel gemacht. Sie standen vor der Partie zwischen Schottland und Ungarn direkt am Eingang des Sicherheitsbereichs, etwa 100 Meter vom Stadion entfernt, mit Pappschildern und verteilten Flugblätter auf englisch und deutsch.

Grund der Aktion war ein Demonstrationsverbot der Uefa, das der Verband den Gastgeberstädten vor der EM vermeintlich vertraglich auferlegt hatte. Recht versteckt im Kapitel über „Verhinderung von Ambush Marketing“, das die exklusiven Uefa-Sponsoren vor trittbrettfahrender Konkurrenz schützen soll, wird in den Verträgen von „clean zones“ im Fünfhundert-Meter-Umkreis der Stadien gesprochen. Und dort sind eben nicht nur die falschen Limonadenaufkleber unerwünscht, sondern auch ausdrücklich politische und religiöse Demonstranten. Ist die Uefa mittlerweile der Überzeugung, dass diese ebenfalls die Reinheit des Events, das allen Regeln der Kommerzkunst gehorchen soll, beschmutzen?

„Fuck Uefa“, hätte so mancher schottische Anhänger, die am Demonstrationsort besonders zahlreich vorbeiströmten, ausgerufen, nachdem sie etwas mehr über das Anliegen dieses auffälligen Grüppchen, das so gar nicht in die von der Uefa gebrandete Umgebung passte, wussten. „Die Kernbotschaft haben sie verstanden. Ob alle den genauen Hintergrund begriffen haben, kann ich nicht sagen“, erzählt Felix Frank, einer der Initiatoren der Demonstration.

Die Uefa-Auflagen seien in jedem Fall verfassungswidrig. Über einen Artikel des Spiegel wären sie auf die Problematik aufmerksam geworden. Die meisten Sta­di­ongän­ge­r*in­nen hätten Verständnis für die Aktion gezeigt, berichtet Frank. Die Stuttgarter Behörden, welche die Demonstration letztlich genehmigten, versuchten die Geschichte kleinzuhalten. Die Gefahr eines Demonstrationsverbots, ließ man wissen, habe nicht bestanden. Von Anfang an habe man die Uefa wissen lassen, dass Einschränkungen von Demonstrationen nur im Rahmen der deutschen Gesetze möglich seien.

Schönere Orte für Grundrechte

Ganz so einfach, war es dann aber nicht, wie Felix Frank und seine Mitstreiterin Laura Weh berichten. Nach der Anmeldung der Demonstration vor zwei Wochen hätten die Behörden sich nach ein paar Tagen gemeldet. Es gebe Schwierigkeiten. Die Partie der Schotten gegen Ungarn sei ein Hochrisikospiel. Die ungarischen Fans seien ja bekannt. „Dann haben sie uns erst andere weiter entfernt liegende Orte in Richtung U-Bahn angeboten, die viel schöner seien, um unsere Grundrechte auszuüben.“ Der eine lag etwa 500 Meter vom Stadion entfernt, der andere befand sich zwar innerhalb der eigentlich verbotenen Zone, aber abgelegener.

Am Sonntag selbst versuchten dann Uefa-Bedienstete noch einzuschreiten. Laura Weh erzählt „Ordner kamen auf uns zu und sagten, das sei nicht erlaubt. Sie forderten uns zum Gehen auf.“ Das Ganze habe sich kurz hochgeschaukelt. Es habe Gespräche über Funk gegeben und die Polizei wurde verständigt.

Auf Anfrage der taz erklärte die Medienabteilung der Uefa, der Verband habe keine Einwände gegen die Demonstration gehabt. „Eine Einschränkung von Demonstrationen muss vor allem im Kontext der Verhinderung von Ambush-Marketing und unbefugter Assozierung mit dem Turnier gesehen werden. Diese Regelungen aus den Tournament Requirements, die selbstverständlich nur im Einklang mit geltendem Recht umzusetzen sind, wurden im weiteren Verlauf der Vorbereitung auf die UEFA EURO 2024 seit dem Start des Bewerbungsprozesses und im Gespräch mit den Städten konkretisiert.“

Bei größeren Demonstrationen direkt vor dem Stadion müssten grundsätzlich noch sicherheitstechnische Aspekte bedacht werden.

Widersprüchliche Verlautbarungen

Lezteres ist nachvollziehbar, aber weshalb Demonstrationen in sicherheitsverträglicher Größe im Zusammenhang mit Ambush-Marketing gesehen werden müssen, bleibt rätselhaft. Zumal sich die Uefa Monate vor dem Turnier damit gebrüstet hat, erstmals eine Menschenrechtserklärung mit dem DFB und der deutschen Bundesregierung unterzeichnet zu haben.

Darin bekennt sich die Uefa zum Recht auf Meinungsfreiheit. So heißt es: „Es ist uns wichtig, dass unterschiedliche Meinungen und unabhängiger Journalismus gehört, respektiert und bewahrt werden. Wir sind überzeugt, dass wir durch die Wahrung dieser Freiheiten während der UEFA EURO 2024 eine offene, integrative und respektvolle Gemeinschaft fördern. Diese Menschenrechtserklärung bietet den notwendigen Rahmen.“

Es gibt wahrlich sehr widersprüchliche Verlautbarungen der Uefa. Das Personal in Stuttgart musste erst in Kenntnis darüber gesetzt werden, dass sich ihr Arbeitgeber nun weit toleranter geben möchte, als das aus den Verpflichtungserklärungen mit den Gastgeberstädten herausgelesen werden kann.

Die kritischen Ju­ris­t*in­nen werteten ihre Aktion schon deshalb als Erfolg, weil sie Aufmerksamkeit auf die fragwürdigen Vertragswerke der Uefa lenken konnten. Eine Gruppe aus Frankfurt hat sich bereits bei ihnen gemeldet, die beim Achtelfinale auch eine Demonstration direkt vor dem Stadion anmelden möchte.

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