Studie zu Schwangerschaftschaftabbrüchen: Stigmatisierende Erlebnisse

Eine Hamburger Studie über psychische Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs ergab, dass Är­zt:in­nen die Frauen oft abwerten. Psychosoziale Hilfe fehlt.

Das Ultraschallbild eines Fötus.

Wichtiger Aspekt bei der psychische Dimension von Schwangerschaftsabbrüchen: das Verhalten der Ärz­t:in­nen Foto: dpa | Hendrik Schmidt

BREMEN taz | Welche Rolle spielen die Bedürfnisse von ungewollt Schwangeren in ihrer medizinischen Versorgung? Und welche in der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch? Diese Fragen stellte ein Forschungsteam am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE), geleitet von der Psychologin Jördis Zill, die dort der Arbeitsgruppe „Patient:innenzentrierte Versorgung: Evaluation und Umsetzung“ vorsitzt.

Seit 2020 befragten die Wissenschaftlerinnen des UKE sowohl Betroffene als auch Ärz­t:i­nen und Be­ra­te­r:in­nen im Rahmen der sogenannten CarePreg-Studie, die am 26. Juni mit einem Abschluss-Symposium endet. Teilweise überschneiden sich die Forschungsfragen – und die Antworten – mit denen einer anderen Studie zur Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch des von der Fachhochschule Fulda koordinierten Elsa-Forschungsverbunds. Deren Ergebnisse wurden vor zwei Monaten vorgestellt.

Beide Studien hat das Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben und finanziert. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte 2019 fünf Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt, „die psychischen Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs“ untersuchen zu lassen. Nach Recherchen des Spiegel war das der mit Abstand teuerste Forschungsauftrag, den das Gesundheitsministerium innerhalb von zehn Jahren vergeben hatte.

Für die CarePreg-Studie wurden 240 ungewollt Schwangere im Laufe von zehn Monaten drei Mal online befragt. Einmal zum Zeitpunkt der Entscheidung für oder gegen ein Austragen der Schwangerschaft, einmal kurz nach dem Abbruch, einmal ein Jahr nach der ersten Befragung. Zehn Personen entschieden sich für ein Austragen der Schwangerschaft. Die Ergebnisse dieser Befragung sind noch nicht veröffentlicht; Studienleiterin Jördis Zill nennt vorab ein paar ausgewählte Daten. Überraschend hoch sei der Anteil von Frauen, die Stigmatisierungserfahrungen gemacht hätten, sagt Jördis Zill im Gespräch mit der taz. Acht Prozent hätten dies in der Beratung vor dem Abbruch erlebt, 17 Prozent in der medizinischen Versorgung.

Manche Ärzt:in­nen verunsichern die Frauen durch falsche Behauptungen

Dabei lasse sich keine Aussage über den Zusammenhang zwischen Wohnort und Stigmatisierungserfahrung treffen, sagt Jördis Zill. Der Grund: Zwar wurden Frauen aus 14 Bundesländern befragt, die Datenmengen für die einzelnen Regionen sind aber zu klein für eine repräsentative Auswertung. Die Hälfte der Befragten lebt in Regionen, in denen es laut der Elsa-Studie eine bessere Versorgung im Sinne der Erreichbarkeit und Zahl der Einrichtungen gibt, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen.

Das Konzept der Pa­ti­en­t:in­nen­zen­trie­rung sei auch in verschiedenen anderen Kontexten untersucht worden, sagt Jördis Zill. In keinem seien Stigmatisierungserfahrungen derart in den Vordergrund getreten. „Das müsste man sich im Rahmen weiterer Forschung eigentlich genauer angucken, weil solche Erlebnisse zu zusätzlichen psychischen Belastungen führen können.“

In einer Veröffentlichung des UKE-Teams über die Vorstudie benennen befragte Ärzt:innen, die Abbrüche durchführen, wie Frauen von Kol­le­g:in­nen stigmatisiert werden, wenn sie eine Schwangerschaft abbrechen wollen. So würden manche, die selbst keine Abbrüche durchführten, ihren Pa­ti­en­t:in­nen falsche Informationen geben. Dazu gehöre die Behauptung, ein Abbruch sei nur erlaubt, wenn zuvor der Herzschlag des Embryo oder Fötus abgehört wurde.

Im Rahmen der Online-Befragung der Betroffenen hatten die Forscherinnen daher danach gefragt, ob ihnen beim Feststellen der Schwangerschaft mittels Ultraschall angeboten worden war, den Monitor wegzudrehen. Das verneinte die Hälfte. Weiteren 14 Prozent wurde dies nicht angeboten, sie sahen aber auch keinen Ultraschall.

Handlungsempfehlungen angekündigt

Nach den Daten des UKE ist die psychische Belastung zum Zeitpunkt der Feststellung der Schwangerschaft am höchsten und nimmt dann ab – das deckt sich mit den Ergebnissen der Elsa-Studie. Ein Jahr nach dem Abbruch sagten laut Jördis Zill 86 Prozent der Teilnehmenden, dass ihre Entscheidung für den Abbruch weitestgehend richtig war, etwa drei Prozent verneinten dies komplett. Der Rest habe Antworten gegeben, die sich nicht eindeutig zuordnen ließen. Manche seien sich etwa nicht sicher gewesen.

Etwa die Hälfte der Frauen habe angegeben, sich rund um den Schwangerschaftsabbruch mehr Angebote zu psychosozialer Unterstützung gewünscht zu haben. Von diesen habe wiederum etwa die Hälfte nicht genau gewusst, wo sie Informationen zu solchen Angeboten hätten finden können. Eine Möglichkeit sind die anerkannten Konfliktberatungsstellen, die vor dem Abbruch den Schein ausstellen, dass die Frau dort die verpflichtende Beratung in Anspruch genommen hat. „Für 80 Prozent der Befragten war das wichtigste Ziel, dort diese Bescheinigung zu bekommen.“

Die UKE-Forscherinnen werden im Laufe der nächsten Wochen mit Versorgenden entwickelte Handlungsempfehlungen in Hinblick auf Pa­ti­en­t:in­nen­zen­trie­rung geben. Darin werde es unter anderem um die Verfügbarkeit mehr evidenzbasierter Informationen zur Wahl der Abbruch- und Narkosemethoden gehen sowie um den systematischen Aufbau von psychosozialen und medizinischen Versorgungsstrukturen, sagt Jördis Zill.

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