Neue Berlusconi-Doku: Krimineller mit Köpfchen
Silvio Berlusconi hat Italien nachhaltig korrumpiert. Eine Arte-Doku erzählt nun seinen rasanten Aufstieg nach.
Wer über Italien mitreden will, kommt an Francesca Melandris großem Roman „Alle, außer mir“ nicht vorbei. Am Ende dieses Panoptikums der italienischen Geschichte im 20. Jahrhundert klärt eine Notiz über die wahren Hintergründe einer Abstimmung im römischen Parlament am 5. April 2011 auf.
Die Autorin hatte sich die künstlerische Freiheit genommen, einen (einzigen!) Abgeordneten der den damaligen Ministerpräsidenten Berlusconi stützenden Mehrheit bei einer wichtigen Abstimmung ausscheiden zu lassen. Um eine Affäre mit einer minderjährigen Prostituierten zu vertuschen, hatte Berlusconi die Polizei angerufen und behauptet, bei der siebzehnjährigen „Ruby“ – unter deren Namen die Geschichte in die Skandalchronik einging – handele es sich um die Nichte des damaligen ägyptischen Präsidenten. Die Mehrheit im italienischen Parlament – unter ihnen die gegenwärtige Regierungschefin Giorgia Meloni – ließ diese absurde Lüge, diesen groben Missbrauch staatlicher Autorität, ohne Zögern durchgehen.
Es ist vielleicht angebracht, an diesen beschämenden Tiefpunkt zu erinnern, um zu verdeutlichen, wie nachhaltig die Verwüstung ist, die Berlusconi in Italien hinterlassen hat; und als Anmerkung zur Dokumentation „Berlusconis Aufstieg“ ist ein solcher Hinweis unumgänglich: Denn alle, die in diesem Film ganz entspannt für Berlusconi Partei ergreifen, sind Kriminelle oder zumindest Menschen, denen auch nur die Hand zu geben man unbedingt vermeiden möchte.
„Berlusconis Aufstieg“, in der Arte-Mediathek bis 9. September
Der Film klärt darüber in völlig unzureichender Art im Abspann auf und ist damit Teil des moralischen Bankrotts, der inzwischen fast das gesamte politische System und einen Großteil der Gesellschaft Italiens prägt.
Berlusconis Genialität als Medienunternehmer wird hingegen schlüssig aufgezeigt. Fernsehen war für ihn all das, was rund um die Werbung passiert. Und als Urvater des postmodernen Populismus erkannte er, dass die Menschen nicht mehr als Staatsbürger, sondern als Konsumenten angesprochen werden möchten.
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