Podcast über DDR-Punker Otze: Vom Punker zum Mörder

Dieter Ehrlich begründete den Ostpunk – und mordete. Der Podcast „Otze – Stasi, Punk & Mord“ erzählt seine Geschichte.

Graffitis an einer Wand.

Punk in der DDR, hier an einer Wand in Ostberlin 1982 Foto: Ilse Ruppert/imago

Dieter Ehrlich schleicht sich 1999 in das Schlafzimmer seines Vaters und tötet ihn mit einer Axt. Anschließend versucht er die Leiche mit einer Kettensäge zu zerlegen. Es ist der furchtbare Höhepunkt des Verfallsprozesses von Ehrlich, den viele nur als Otze kennen, als Sänger der wichtigsten DDR-Punkband Schleim-Keim. Doch wie konnte es so weit kommen? Wie konnte die Schlüssel­figur der ostdeutschen Punkszene, der sich schon mal aus einem Besenstil und einem Fahrradrad eine Gitarre baute, zu einem Mörder werden?

Das fragen sich nicht nur alte Weg­beglei­ter*innen, sondern auch die Moderatorin und DJ Josi Miller und der Kulturjournalist Alex Barbian in ihrem achtteiligen Podcast „Otze – Stasi, Punk, Mord“. Beide sind in der Nachwendezeit in Ostdeutschland aufgewachsen, haben sich in linken Subkulturen bewegt und natürlich auch die Musik von Schleim-Keim gehört. Otze war nach längerem Psychiatrieaufenthalt 2005 längst an einem Herzinfarkt gestorben. Sein musikalisches Erbe aber, das blieb relevant.

Der Recherchepodcast nutzt den Mord als Aufhänger, ist aber zum Glück kein voyeuristischer True Crime. Stattdessen zeichnen die beiden ein differenziertes Bild ­einer winzigen Punkszene, die es in der DDR ­eigentlich nicht geben durfte. Sie durchforsten alte Akten, sprechen mit Zeit­zeu­g*­in­nen und Sub­kul­tur­ex­per­t*in­nen und sie besuchen den alten Stasi-Knast in Erfurt. Dort wurde Otze zum ersten Mal gebrochen, arbeitete später zwischenzeitlich für den Geheimdienst als IM „Richard“. Wohl auch die Scham darüber trieb ihn in eine Spirale aus Exzess und Gewalt. Barbian und Miller zeichnen das Bild einer ambivalenten Figur. Eines getriebenen Vorreiters des deutschsprachigen Punks einerseits, eines Gewalttäters, der sich nicht unter Kontrolle hatte, andererseits. Mit dem Podcast lässt sich viel lernen über die Dynamik von Subkultur in autoritären Staaten und über das Zugrundegehen an Repression. Johann Voigt

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