Berliner Bildungssystem: Erst Schule, dann ab nach Dubai

Viele Kinder tun sich beim Übergang in die Oberschule schwer. An einer Grundschule in Wedding sollen sie mithilfe eines Workshops unterstützt werden.

Eine Schülerin meldet sich im Unterricht

Melden, nicht Dazwischenrufen gilt auch beim Workshop Foto: Marijan Murat / dpa

BERLIN taz | Ein bisschen verschlafen wirkt das von Grünflächen umgebene Gelände der Gottfried-Röhl-Grundschule im Wedding. Die Pause ist gerade vorbei, die Kinder sind schon wieder im Gebäude verschwunden. In der Klasse 6A ist es vorbei mit der Stille: Es wird durcheinander gerufen, die Schü­le­r:in­nen kabbeln sich. Der Klassenlehrer ruft zur Ruhe auf und natürlich zum unvermeidlichen „Handys wegpacken!“.

Hier findet am Donnerstag das Projekt „Abschied Neubeginn“, statt, das Schü­le­r:in­nen am Ende der Grundschulzeit den Übergang zur weiterführenden Schule erleichtern soll. Denn „viele Kinder erleben diesen Wechsel als sehr stressig und sind mit einer Mischung aus Vorfreude und Angst konfrontiert“, heißt es von Or­ga­ni­sa­to­r:in­nenseite.

Die Aktion ist Teil der Bildungskampagne „Kinder beflügeln“ vom Evangelischen Johannesstift und der Johannesstiftdiakonie. Die Ini­tiative richtet sich an „Kinder und Jugendliche aus Familien, deren Zugang zu Bildung und Kultur eingeschränkt ist.“ Ziel sei es, durch die Projekte für mehr Selbstsicherheit durch Bildung zu sorgen. Oft finden die Aktionen außerschulisch statt, sie gehen zum Beispiel ins Rathaus, in Museen, Bibliotheken und Kulturzentren. Am Donnerstag bleibt es aber ganz klassisch beim Klassenzimmer. Der Workshop in der 6A wird von zwei externen Päd­ago­g:in­nen der Bildungskampagne angeleitet, Theresia Asmussen und Bernadette Kowolik.

Es wird zurück und in die Zukunft geblickt

Erstmal geht es um Abschied und Rückblick. Gefragt wird dabei auch, ob die Schü­le­r:in­nen schon die Zusage der weiterführenden Schulen haben, die sie ab nächstem Herbst besuchen werden. Einige aus der 6A wissen schon genau, wo es hingeht, andere müssen noch um eine Rückmeldung bangen. Beim Anfertigen eines Abschiedsbuchs sollen die Kinder ihre Einschulung, ihr Lieblingsfach, ihre schönste Erinnerung und ihren Lieblingsort in der Schule aufmalen. Letzterer ist für viele Schülerinnen das Mädchenklo. Ein wenig überraschend, schließlich zeigte der erste bundesweite Toilettengipfel vor drei Tagen den desaströsen Zustand der Sanitäranlagen in Berliner Schulen.

Im zweiten Teil des Workshops geht es um die Zukunft. Die Kinder sollen auf großen Blättern ihre Sorgen, Ängste und Pläne aufschreiben. Viele befürchten, auf der neuen Schule keine Freun­d:in­nen zu finden. Bei „größter Angst“ steht außerdem mehrmals „Spinnen“, aber auch „Mein Vater“. Die Päd­ago­g:in­nen lassen das unkommentiert.

Einige Kinder wollen nach Dubai und Geld verdienen

Nach der Schule wollen viele Kinder eine Ausbildung machen. Wo sie später mal wohnen wollen? Dubai. Mit Abstand die häufigste Antwort. „Ist spannend da“, meint ein Schüler“. Außerdem ganz klar für viele der Kinder: unbedingt Mil­lio­nä­r*in werden. Eines der Mädchen will lieber einen Millionär heiraten. Erst mal aber Oberschule, einen Platz hat sie schon.

Der Workshop zeigt auch: Einige der Kinder haben noch immer Schwierigkeiten beim Schrei­ben. Eine Lehrerin hilft von der Seite: „Ich weiß, dass du das kannst“, ermutigt sie eine Schülerin. So etwas können die externen Päd­ago­g:in­nen weniger leisten. Sie kennen die Kinder kaum, wissen nichts über ihre Stärken und Schwächen. Dass sie den Schü­le­r:in­nen an nur einem Tag mit ihren innigsten Sorgen und Zukunftsängsten helfen können, erscheint daher schwierig. Fest steht aber: Das selbstgemalte Abschiedsbuch wird bleiben.

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