Streit um MSC-Einstieg: Kein sicherer Hafen für Hamburg

Bei einer öffentlichen Anhörung hagelt es Kritik: Der geplante Einstieg der Reederei MSC im Hamburger Hafen gefährde nicht nur Arbeitsplätze.

Hafenarbeiter demonstrieren mit einem Banner "Privatisierung stoppen"

Sind immer noch wütend: Hafenarbeiter protestieren vergangene Woche vor dem Hamburger Rathaus gegen den MSC-Deal Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Eine Vielzahl von Einwänden gegen den geplanten Teilverkauf des Hamburger Hafens und eine politische Befürchtung sind am Donnerstag bei einer öffentlichen Anhörung der Hamburgischen Bürgerschaft vorgetragen worden. Die Befürchtung: Die Abgeordneten, insbesondere der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen, könnten mögliche persönliche Bedenken bei dieser Jahrhundertentscheidung der Koalitionsräson unterordnen.

„Ist ein Jahr Machterhalt wichtiger als eine Weichenstellung für die nächsten 40 Jahre?“, fragte der Ingenieur Ulrich Malchow. Die Bürgerschaft soll noch vor der Sommerpause am 10. Juli über den sogenannten MSC-Deal abstimmen. Die Anhörung war auf Antrag der Linken angesetzt worden.

Hamburgs Senatsspitze hatte im vergangenen September angekündigt, sich für den wichtigsten Umschlagbetrieb im Hafen die weltgrößte Reederei als Partner zu holen. Künftig soll die Schweizer MSC-Reederei 49,9 Prozent an der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) halten, die Stadt 50,1 Prozent. Der Senat erhofft sich dadurch frisches Geld für Investitionen und eine Bindung der Reederei an Hamburg, um dem Hafen eine Perspektive zu geben. Bisher gehören der Stadt knapp 70 Prozent der HHLA.

Drei der vier Hamburger Containerterminals betreibt die HHLA. Im vergangenen Jahr wurden darüber 5,9 der insgesamt 7,7 Millionen Standardcontainer in Deutschlands wichtigstem Hafen umgeschlagen – 7,5 Prozent weniger als im Jahr davor. Der Umschlag stagniert seit Jahren. Der Senat befürchtet, dass der Hamburger Hafen von seinen Konkurrenten abgehängt werden könnte.

Ausgerechnet die SPD privatisiert

Die HHLA war bis 2007 komplett in Besitz der Stadt, ehe der damalige Senat unter Ole von Beust (CDU) beschloss, rund 30 Prozent der Aktien in den Streubesitz zu verkaufen. Den Einstieg einer Reederei hatte der Senat bislang immer ausgeschlossen. Nur an einzelnen Terminals kam es in der Vergangenheit zur Beteiligung von Reedereien. Für bundesweite Diskussionen sorgte die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco am HHLA-Containerterminal Tollerort.

Die in der Anhörung geäußerten Sorgen bezogen sich auf die Privatisierung an sich und mögliche negative Folgen für die Beschäftigten. Es ging um die Zukunft der betrieblichen Mitbestimmung, die Arbeitsplatzsicherheit und die Enttäuschung darüber, dass ausgerechnet die SPD das Herzstück des Hafens quasi aus der Hand geben werde.

Mit MSC hole sich die Stadt einen Partner ins Haus, der ein paar Nummern zu groß für sie sei und sie dominieren könnte. Die Größe sei kein Vorteil, sondern ein Nachteil für Hamburg. Zudem stärke der Senat die ohnehin schon gewaltige Macht der großen Reedereien, indem er MSC den Zugriff auf das HHLA-Bahnunternehmen Metrans verschaffe.

Claus Bunk, nach eigener Aussage 30 Jahre in der Transportberatung tätig, wies darauf hin, das MSC wohl vor allem Interesse an dieser Bahntochter habe, die Container vom Hafen weit ins Binnenland transportiert. „Durch Metrans fahren fast keine LKW nach Tschechien“, sagte Bunk. MSC sei im Begriff, in ganz Europa Bahnunternehmen zu kaufen und damit einen weiteren Teil der Transportkette zu beherrschen. „Ich würde niemals die Bahntransporte in die Hände eines Reeders geben“, sagte Bunk. „Das ist tödlich.“

Ein Gewerkschafter warnte „aus beruflicher Erfahrung“, dass selbst eine Stadt wie Hamburg einem Konzern wie MSC unterlegen sei. MSC verdiente im gerade glänzenden Jahr Medienberichten zufolge 36 Milliarden Euro und verfügt über liquide Mittel von 63 Milliarden. Hamburg plant 2024 mit Einnahmen von 19 Milliarden. Die begrenzte Kompetenz der Hamburger Verhandler habe sich etwa dabei gezeigt, dass sie geglaubt hätten, die Immobilien der HHLA ohne Weiteres aus dem Deal ausnehmen zu können.

Hamburg für MSC nur ein kleiner Fisch

Malchow argumentierte wie viele andere, dass MSC Metrans zu billig bekomme. Die Zusage, in Zukunft eine Million MSC-Container bei der HHLA umzuschlagen, sei letztlich nicht verbindlich. Dass Hamburg ein „Hub“, also eine Umschlagdrehscheibe für MSC in Europa werden solle, sei nicht seriös, denn MSC betreibe gar keine Hubs. Und die neue Zentrale in Hamburg gehe bloß zu Lasten Bremens. Bei 70 Terminalbeteiligungen von MSC weltweit sei Hamburg nur ein kleiner Fisch.

Christian Baranowski, Konzernbetriebsratsvorsitzender der HHLA, warnte, dass, anders als vom Senat behauptet, die Mitbestimmung eben nicht erhalten bleibt. Das liege daran, dass über der HHLA und ihrem mitbestimmungspflichtigen Aufsichtsrat eine Beteiligungsgesellschaft vorgesehen ist, in der nur der Senat und die MSC-Geschäftsführung das Sagen haben. Mehrere Arbeitnehmervertreter wiesen darauf hin, das MSC die Tarifverträge infrage stellen und die Arbeitsbedingungen verschlechtern könne. Betriebsbedingte Kündigungen sind nur für fünf Jahre ausgeschlossen.

Kleinaktionäre wiesen darauf hin, dass selbst das kleine bisschen Mitreden, das der Besitz einer Aktie mit sich bringe, in Zukunft wegfalle, wenn alle Aktien der Stadt und MSC gehören. „Ich appelliere an Ihr Gewissen, dass Sie den Hafen nicht aus der Hand geben“, sagte Baranowski, an die Abgeordneten gewandt.

Der ehemalige HHLA-Betriebsrat Gerd Müller warf der SPD eine Abkehr von ihrem Standpunkt vor, die Stadt müsse beim Hafen Herr im eigenen Hause bleiben. Im Übrigen könne er keine Strategie des Senats erkennen. Aus seiner Sicht wäre die vielfach geforderte Kooperation der deutschen Seehäfen eine Möglichkeit, der Macht der Reeder etwas entgegenzusetzen. Senatsvertreter kamen bis Redaktionsschluss nicht zu Wort.

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