Bundesweiter Schul-Toiletten-Gipfel: Entwicklungshilfe im eigenen Land

Nicht nur an Berliner Schulen sind die Sanitäranlagen in einem desaströsen Zustand. Schuld ist auch die Sparpolitik der letzten Jahrzehnte.

Eine Keramiktoilette aus der Froschperspektive

Zugang zu funktionierenden Toiletten ist ein Menschenrecht, nicht aber für Kinder an Berliner Schulen Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

BERLIN taz | Warum klingt es so kurios, wenn die German Toilet Organization auf dem Schultoiletten-Gipfel, der am Dienstag in Mitte stattfand, zusammen mit Ver­tre­te­r:in­nen aus Politik und Wissenschaft versucht, die „Probleme rund um den Brennpunkt Klo“ endlich in den Griff zu kriegen? Vermutlich, weil funktionierende Toiletten an Schulen eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten, ähnlich wie fließendes Wasser oder elektrischer Strom.

Sollten. Denn alle, die schon mal in den Genuss der Sanitäranlagen in Berliner Grundschulen kommen durften, wissen, dass der Klo-Gipfel bitterer Ernst ist. Eltern aus der Kreuzberger Galilei-Grundschule haben sogar eine Petition gestartet, um die Toilettensituation an der Schule zu verbessern. „Unsere Kinder stehen wiederholt vor verschlossenen Toilettentüren und machen sich oft erfolglos auf die Suche nach funktionierenden Toiletten“, heißt es darin. Und weiter: „Mehrere Kinder aus den ersten Klassen haben sich in die Hose gemacht.“

Die Galilei-Schule ist kein Einzelfall. Verdreckte und kaputte Schultoiletten sind mittlerweile von einem Ärgernis zu einer Frage der öffentlichen Gesundheit geworden. Weil sie nicht auf Toilette gehen können oder wollen, trinken Kinder weniger Wasser und halten Stuhl zurück, was wiederum zu Verstopfungen und Bauchschmerzen führt. Für Mädchen, die zum ersten Mal ihre Periode in der Schule bekommen, können nicht verschließbare Türen oder fehlende Mülleimer eine verstörende Erfahrung sein.

Vandalismus und verfehlte Sparpolitik

Als Gründe für die Klo-Misere identifiziert die German Toilet Organization vor allem Vandalismus durch Schü­le­r:in­nen und, wenig überraschend, zu lange Reinigungszyklen. Überraschender hingegen ist, dass beide zusammenhängen: Wird mehr geputzt, wird weniger kaputt gemacht.

Dumm nur, dass auch in Berlin der Senat seit Jahrzehnten an der Schulreinigung spart, indem er die Instandhaltung der Toiletten an externe Dienstleister auslagert. Diese liefern sich einen Unterbietungswettbewerb; es leiden die Qualität und die Arbeitsbedingungen. Die Rekommunalisierung scheint angesichts der Sparvorgaben der Bezirke in weite Ferne gerückt.

Das Ergebnis ist, dass die German Toilet Organization, die eigentlich gegründet wurde, um die Versorgung mit Sanitäranlagen in Südostasien nach dem Tsunami von 2004 sicherzustellen, sich nun auch mit der Situation an deutschen Grundschulen beschäftigen muss – Entwicklungshilfe im eigenen Land quasi. Der erste Toiletten-Gipfel wird somit sicher nicht der letzte sein.

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