Marcus Thuram und der RN: Einsatz für die Nation

Marcus Thuram ist nicht der große Star des französischen Teams. Vielleicht aber ist er der aufrechteste. Er ist klar gegen den Rassemblement National.

Das französische Nationalteam steht Arm in Arm im Stadion, darunter Marcus Thuram

Herausragend: Marcus Thuram (Nummer 15) im Kreise der Nationalmannschaft Foto: Action Pictures/imago

Reden wir über Marcus Thuram! Der junge Franzose, 26, ist Stürmer und spielt beim italienischen Meister Inter Mailand. Er ist einer der großen Helden des ersten Turnierwochenendes, obwohl er keine Minute auf dem Feld gestanden hat. Frankreich steigt erst am Montagabend mit dem Spiel gegen Österreich ins Turnier ein. Und doch gebührt Marcus Thuram schon jetzt die größte Wertschätzung. Bei einer Pressekonferenz im fränzösischen Teamquartier in Paderborn wurde er zur politischen Situation in Frankreich gefragt und was er davon halte, dass mit dem Rassemblement National bald schon eine rassistische Partei an die Macht kommen könnte. Ruhig und unaufgeregt antwortete er. Und eindeutig: „Wir müssen alles dafür tun, damit sich der RN nicht durchsetzt.“

Derartige Bekenntnisse sind selten im französischen Profisport. Oft drücken sich die hochbezahlten Athleten, auch wenn sie eine eindeutige Meinung haben mögen, um eindeutige Antworten. Zwei Tage zuvor hatte etwa Frankreichs Ousmane Dembélé angesichts der geringen Beteiligung an der EU-Wahl von knapp über 50 Prozent die Menschen in Frankreich dazu aufgefordert, wählen zu gehen. Er tat dies, nachdem er sein Entsetzen über den Wahlsieg der Partei von Marine Le Pen halbwegs verdaut hatte. Schockiert sei die Mannschaft gewesen, als sie nach dem Testspiel gegen Kanada am Wahlabend in der Kabine die ersten Ergebnisse erfahren hätten. Auch die Spieler Olivier Giroud und Benjamin Pavard haben für die Stimmabgabe geworben.

Marcus Thuram ist das zu wenig. Für ihn ist klar, dass es um mehr geht, als nur die Stimme abzugeben. Und so beantwortete er geduldig weitere Fragen zur politischen Situation in Frankreich. Auch das ist ungewöhnlich. Nicht selten grätschen Pressesprecher Fragen ab, die sich nicht ums rein Sportliche drehen. Für Marcus Thuram war es an diesem Samstag in Paderborn selbstverständlich, sie zu beantworten. Er fühlt sich in der Verantwortung, Stellung zu beziehen. „Nein“, sagte er, „das ist nicht schwer für mich, solche Fragen zu beantworten. So bin ich erzogen. Und ich weiß, dass mir auf Social Media viele Menschen folgen. Denen gegenüber fühle ich mich verpflichtet, gewisse Botschaften zu vermitteln.“

In Deutschland erinnert man sich noch, wie der damalige Stürmer von Borussia Mönchengladbach nach dem Vorbild des ehemaligen US-Football-Spielers Colin Kaepernick vor dem Spiel auf die Knie gegangen ist, um nach dem von einem Polizisten begangenen Mord an George Floyd gegen Rassismus zu protestieren. Gegenwärtig ist vielen auch das Engagement seines Vaters Lilian Thuram, Mitglied des französischen Weltmeisterteams von 1998, der nach seiner Karriere als engagierter Kämpfer gegen Rassismus auftritt. „Ich bin mit ihm aufgewachsen und fühle mich verpflichtet, seine Botschaft weiterzutragen“, sagte Marcus Thuram auf seinen Vater angesprochen, und er wurde nicht müde zu mahnen.

Auch Meloni angesprochen

So sprach er auch über die Lage in Italien. Das Land, in dem er lebt, wird von der Postfaschistin Giorgia Meloni regiert. „Ist das für mich direkt ein Problem? Nein, ich bin Fußballspieler, die Leute kennen mich“, sagte er. „Aber ich weiß, dass es für Schwarze in Italien ein Problem ist.“ Was für ein Auftritt!

Thuram weiß nur zu gut, dass es bisweilen auch die großen Fußballstars sind, die Opfer rassistischer Beleidigungen werden. Der französische Torhüter Mike Maignan hat im Januar seinen Platz im Tor von AC Mailand während des Spiels verlassen, nachdem ihn Fans von Udinese Calcio aufs Übelste rassistisch beschimpft hatten. Und in Spanien wurden gerade drei Fans des FC Valencia zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie Vinicius Jr., den brasilianischen Star von Real Madrid, rassistisch angegangen waren. Beiden Opfern wurde große Solidarität zuteil. Marcus Thuram weiß, dass diejenigen, die über keine Fußballprominenz verfügen, oft allein gelassen werden mit ihren Rassismus­erfahrungen.

Er ist gewiss nicht der größte Star im französischen Team. Zwanzigmal hat er für die Auswahl gespielt, zwei Tore dabei erzielt. Ob er am Montag gegen Österreich überhaupt auflaufen wird, steht nicht fest. Ohnehin wird Superstar Kylian Mbappé alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn das Spiel einmal läuft. Und dennoch ist Marcus Thuram schon jetzt einer der Spieler des Turniers.

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