Forscher über Keime in der Donau: „Abwässer werden direkt eingeleitet“

Alexander Kirschner hat die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen an der Donau untersucht. Sein Fazit: Vor allem menschliche Fäkalien sind ein Problem.

Das serbische Belgrad an der Donau

An der Donau liegen zahlreiche Großstädte, hier das serbische Belgrad Foto: Li Ying/imago

wochentaz: Herr Kirschner, antibiotikaresistente Bakterien können gut behandelbare Infektionen lebensbedrohlich werden lassen. Sie haben entlang der Donau von Deutschland bis Rumänien Wasserproben in der Nähe von Kläranlagen und anderen Zuflüssen genommen, um die Belastung mit Antibiotikaresistenzen zu analysieren.

Alexander Kirschner: Diese Studie war die erste, die entlang der gesamten schiffbaren Donau die Belastung mit Antibiotikaresistenz-Genen an 36 verschiedenen Probenstellen analysiert hat. Weltweit gibt es bislang keine derart große Studie in einem Flusssystem. Wir haben mit Fischökologen zusammengearbeitet, die uns im Schlauchboot auf die Donau gefahren haben. So konnten wir Wasserproben nehmen und haben Biofilme von Steinen gekratzt. Wir konnten damit erstmals die Hotspots der Resistenzbelastung und die Hauptquellen und Einflussfaktoren entlang der gesamten Donau identifizieren.

Stell­vertretender Leiter des Fach­bereichs für Wasser­qualität und Gesundheit an der Karl Landsteiner Privat­universität für Ge­sundheits­wissen­schaften.

Was sind Biofilme genau?

Das sind Gemeinschaften von Bakterien auf Oberflächen, die viele Vorteile bieten: Bakterien können hier kommunizieren, genetisches Material, darunter auch Resistenz-Gene, austauschen und sind durch schleimartige Substanzen besser vor Schadstoffen geschützt. Zudem ist die Nährstoffversorgung in einem Biofilm besser. Das sind dann dreidimensionale Gebilde, die etwa auf Steinen im Fluss ein paar Millimeter dicke Ablagerungen darstellen. Dabei können auch Algen und Moos eingewachsen sein. Auf der Wasseroberfläche gibt es keine derart stabilen Biofilme.

Und in diesem Biofilm fanden sich mehr Resistenz-Gene?

Genau, weil in diesen permanenten Strukturen die Wahrscheinlichkeit höher ist, resistente Bakterien zu finden, als in einer kurzfristig vorbeifließenden Wasserprobe und weil der Genaustausch hier effektiver funktioniert. Wir haben in einer weiteren Studie das Bakterium Escherichia coli untersucht, das ist ein Modellorganismus, der weit verbreitet und Haupterreger von Harnwegsinfekten ist. Dafür haben wir uns E. coli-Isolate aus einem Krankenhaus in St. Pölten geholt und diese mit Isolaten aus Wasser- und Biofilmproben oberhalb und unterhalb der dazugehörigen Kläranlage verglichen. Wir haben sie auf die Empfindlichkeit gegenüber 20 verschiedenen Antibiotika untersucht. Und es hat sich gezeigt, was nicht verwunderlich war, dass in den klinischen Proben mehr multiresistente Keime vorhanden waren als in den Umweltproben.

Allerdings fanden sich in den Biofilm-Proben deutlich erhöhte Belastungen im Vergleich zu den Wasserproben sowohl oberhalb als auch unterhalb der Kläranlage. Wir vermuten, dass die Donau eine generelle Grundbelastung aus flussaufwärts liegenden Kläranlagen aufweist, sodass ein kleiner Zulauf aus einer einzelnen Kläranlage in dem großen Fluss schnell verdünnt wird.

Wie sind diese Messungen medizinisch einzuschätzen?

In den Isolaten aus Urin-Proben von Patienten fanden wir keine Resistenzen gegen die Reserve-Antibiotika Imipenem, Tigecylin und Colistin, in einem Biofilm-Isolat konnten wir eine Resistenz gegen Tigecyclin nachweisen, was die Verbreitung dieser Resistenzen in der Umwelt beweist. Generell haben wir in Österreich keine alarmierende Situation. Das gilt auch für Deutschland. Dennoch sollten Antibiotikaresistenzen weiterhin minimiert werden. Daten aus unserer Studie sollen dazu beitragen, lokale und zeitliche Trends zu bewerten.

Sie haben auch herausgefunden, dass bei normaler Wasserführung der Donau vor allem humane Fäkalien und nicht die Landwirtschaft die Belastung erklären. Hatten Sie dazu eine andere Hypothese?

Die Donau ist ein stark von Menschen geprägter Flusslauf, darum hat uns dieses Ergebnis nicht verwundert. An der Donau liegen zahlreiche Großstädte wie Wien, Budapest oder Belgrad, die ihre Abwässer in die Donau einleiten. Unsere Partner an der Technischen Universität Wien und der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften haben im Vorfeld der Studie spezielle Testverfahren entwickelt, mit dem wir die Fäkalienbelastung auf ihren Ursprung zurückverfolgen konnten. Also, ob es sich um Belastungen vom Menschen, vom Wiederkäuer wie Rind und Schaf, oder vom Schwein handelt.

Die Landwirtschaft, die auch als Quelle von Antibiotikaresistenzen gilt – immerhin werden 80 Prozent aller Antibiotika in der Tiermast eingesetzt – war weniger einflussreich?

Ja. Wenn es allerdings zu starkem Regen und Hochwasser kommt, werden Felder geflutet, und dann steigt die Belastung mit Resistenzen aus der Viehzucht. Starkregen ist generell ein Problem, weil dann auch Kläranlagen überlaufen und die Belastung der Gewässer stark zunimmt, und zwar nicht nur mit Resistenzgenen, sondern auch mit Substanzen wie Pestiziden, Pharmazeutika oder Mikroplastik.

Die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen hängt also auch von der Kläranlage selbst ab?

Genau. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern entlang der Donau, was die Qualität der Abwasserinfrastruktur betrifft. Vor allem Länder wie Serbien, Bulgarien oder Rumänien haben keine oder noch eine mangelhafte Abwasserinfrastruktur, teilsweise laufen die Abwässer ungereinigt in die Donau. Das sind dann Hotspots, wo wir auch extrem hohe Belastungen mit Resistenz-Genen, aber auch mit Pestiziden und Schwermetallen gefunden haben.

Wozu haben Sie obendrein Schwermetalle und Pestizide untersucht?

Es gibt die Hypothese, dass Umweltbelastungen aller Art, also nicht nur die Belastung mit Antibiotika, die Entstehung von Resistenz-Genen in Bakterien fördert. Denn das Bakterium mag keine Fremdstoffe, da diese zur Zerstörung der Zelle führen können. Es pumpt daher diese Chemikalie aus seiner Zelle, hat also einen entsprechenden Mechanismus, der auch gegen andere Fremdstoffe wie Antibiotika resistent machen könnte, wir sprechen von Co-Selektion. In Folgestudien wollen wir in Hotspots schauen, ob etwa eine starke Schwermetallbelastung auch wirklich die Antibiotikaresistenzen fördert.

Wie wären nun mögliche Verbreitungswege der Resistenzen in der Donau auf den Menschen?

Auch das müssen wir in Folgestudien untersuchen. Dazu brauchen wir auch epidemiologische Daten, also, wo sind wie viele Menschen mit multiresistenten Erregern infiziert und stammt ein spezieller resistenter Keim aus der Donau, weil der Betroffene dort gebadet hat oder von einem Fisch, der dort gefangen wurde?

Wasser aus der Donau wird zudem für die Trinkwasserversorgung genutzt, die Wässerung von Feldern oder die Tränken von Tieren, auch hier wären also Übertragungen möglich. Im Krankenhaus sind die Infektionswege leicht nachvollziehbar, in der Umwelt aber nicht. Daher können wir die Übertragungswege momentan nur annehmen.

Was wären wichtige politische Konsequenzen?

Wir brauchen eine verbesserte Aufbereitung der Abwässer, müssten also die bestehenden Kläranlagen mit weiteren Aufbereitungsschritten aufrüsten. Aber so, dass nicht nur Bakterien eliminiert werden, sondern auch andere Schadstoffe wie Mikroplastik, Pharmazeutika oder Pestizide. Zudem muss weiterhin der Eintrag von Antibiotika in die Umwelt reduziert werden. Es sollten Antibiotika also sowohl in der Humanmedizin als auch in der Tierzucht noch weniger eingesetzt werden. Unsere Studie bestätigt, dass man ganzheitlich denken muss, nach dem „One Health Concept“: Nur wenn die Umwelt gesund ist, kann auch der Mensch gesund sein.

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