Linker Haushalt in einer rechten Welt: Begriffe schrubben

Ist Hausarbeit links oder rechts? Für den italienischen Philosophen Furio Jesi wohl eher Letzteres. Ein Dilemma wie das Reinigen von Silberbesteck.

Angelaufenes Silberbesteck in Seifenschaum

Wie bekommt man Silberbesteck wieder sauber? Foto: Westend61/imago

Haushalt ist Arbeit gegen die Natur. Insofern ist Haushalts­arbeit emanzipatorisch. Haushalt ist die dumpfe Bewahrung eines Status quo in Dauerschleife. Insofern ist Haushaltsarbeit konservativ. Haushalt ist links, weil es zumindest in einem Mehrpersonenhaushalt, gar einem mit Kindern, solidarische Arbeit ist, „Carearbeit“. Haushalt ist rechts, weil Haushaltsarbeit die Kleinfamilie zementiert und nicht umsonst in allen fortschrittlichen Gesellschaftsentwürfen, von der Kommune bis zum Kibbuz, auf eine breite, professionelle Basis gestellt wurde (was oft genug scheiterte).

Das sind Formulierungsansätze, Gedankensplitter, ein assoziatives Rumschrubben, so ähnlich wie meine Versuche, endlich eine schlüssige Methode zu finden, das Silberbesteck sauber zu kriegen. Auf die grundsätzliche Frage, ob Haushalt links oder rechts sei, kam ich im Nachklang zu einer Buchpräsentation im Italienischen Kultur­institut in Berlin Ende April.

Es ging um die – demnächst erscheinende – deutsche Übersetzung der Studie „Spartakus. Die Symbolik der Revolte“ des italienischen Philosophen und Germanisten Furio Jesi (1941–1980). Im Anschluss lud ich mir ein anderes Großessay von Jesi aufs Handy, „Cultura di destra“, das Sie unter dem Titel „Kultur von rechts“ auch in deutscher Übersetzung in der Bibliothek Ihres Vertrauens finden können.

Autorität und Gewissheit

Im Anhang dieses Buches findet sich ein Interview aus dem Jahr 1979 mit Jesi. Dort sagt er auf die grundlegende Frage, was denn Kultur von rechts eigentlich sei, unter anderem: „Eine Kultur, die aus Autorität gemacht ist, aus einer mythologischen Gewissheit, was die Normen des Wissens, des Lehrens, des Befehlens und des Gehorchens angeht. Der Großteil unseres kulturellen Erbes beruht auf dieser Kultur von rechts, und zwar auch für diejenigen, die gar nicht rechts sein wollen.“

Gibt es überhaupt linke Kultur in der realen, bürgerlichen, kapitalistischen Welt?

Auf die abschließende Frage, ob es denn überhaupt möglich sei, eine rechte von einer linken Kultur zu unterscheiden, antwortet Jesi dann, dass ihm eine solche Unterscheidung schwerfalle, und zwar nicht deswegen, weil er sie abstrakt nicht gegeben sähe, sondern weil „ich nicht ohne weiteres Beispiele für eine linke Kultur anführen könnte (wenn die rechte die ist, die ich beschrieben habe)“.

Klar, Jesi spricht von seinem zeitgenössischen Italien 1979; aber mich hat das dennoch geflasht, als hätte ich endlich diese saubere, unaufwendige und erfolgreiche Methode zur Reinigung von Silberbesteck gefunden.

Gefangen in einer Welt von rechten Werten

Denn was Jesi zumindest mir hier sagt, ist, dass die Frage, ob das Haushalten links oder rechts sei, insofern vorwissenschaftlich ist, weil es eine linke Kultur, die sich grundsätzlich von einer rechten unterscheidet, in der realen, bürgerlichen, kapitalistischen, eben rechten Welt, in der wir immer noch leben, gar nicht gibt und vielleicht – da wasche ich jetzt bildlich gesprochen meine eigene Wäsche – auch gar nicht geben kann.

Sogar wenn ich ein noch emanzipierterer Hausmann und Vater wäre, als ich es mit einem Blick auf die Statistiken zur unbezahlten Sorgearbeit („­Gender Care Gap“) objektiv leider schon bin, bliebe ich doch gefangen in einer Welt von rechten, „nicht zu diskutierenden, mit Großbuchstaben geschriebenen Werten“, wie Jesi in dem erwähnten Interview sagt. Und dabei habe ich globale Schieflagen noch gar nicht in den Blick genommen.

Furio Jesi starb übrigens 1980 an einer Kohlenmonoxidvergiftung durch einen defekten Heizstrahler: ein Haushaltsunfall eben.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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