Bahn und Hochwasser: Positive Signale

Flut und Tote in Bayern, Hungerstreikende in Berlin: Der Klimawandel ist da, doch nichts passiert. Die Wahl am Sonntag ist deshalb wichtig.

Ein Protestcamp in Berlin hinter einer Wasserfläche

Wir gehen unter, wenn die Regierung nicht zu ihren Versprechen steht Foto: Paul Zinken/dpa

Die Bahn und ich hatten einen Deal. Ich buche eine Reise, am besten eine längere, nach Frankreich oder Österreich, und sie sorgt dafür, dass dann entweder gestreikt wird oder Niederschläge das Fortkommen verunmöglichen. Jetzt hat die Bahn aber offenbar genug davon, das ganze Land in Mitleidenschaft zu ziehen, damit ich ein bisschen Abenteuer erleben kann. Jedenfalls habe ich diese Woche eine Mail vom Bahncard-Service bekommen: „Mit der Bahn einfach hin und weg.“ Weiter heißt es, und ich lese einen flehentlichen Unterton heraus: „Einfach einsteigen und ohne Umschweife ankommen? Klingt verlockend? Nichts einfacher als das.“ Na, wenn es für die Bahn nichts Einfacheres gibt, als ihre Passagiere straight ans Ziel zu bringen, dann gehe ich den neuen Deal ein. Schließlich will ich demnächst schon wieder im Zug sitzen. „Ohne Umschweife“ einfach mal durchfahren, das hätte doch auch mal was.

Und klar, es geht ja nicht (nur) um mich. Auch wenn ich am Montag auf Social Media schon einen separatistischen Freistaatwitz gemacht habe, weil einfach jeder ICE-Halt an bayerischen Bahnhöfen ausgefallen war, der Zug ab Mannheim (mit ­Verspätung) aber fuhr, ist mir durchaus bewusst: Das Hochwasser in Süddeutschland hat nicht nur Infrastruktur zerstört, Häuser unbewohnbar gemacht und viele um ihre Existenzgrundlage gebracht; Menschen sind verletzt worden, gestorben, und einige gelten noch als vermisst.

Für Wetterereignisse dieser Art kann man wahrlich die Bahn nicht verantwortlich machen, und sie kann auch nicht verhindern, dass Regenfluten und Überschwemmungen Gleise unter Wasser setzen oder dass Bäume auf die Schienen fallen. Die Bahn ist sogar eines der Unternehmen – und vor allem eines der Verkehrsmittel –, die am wenigsten Verantwortung dafür tragen. Denn sie ist ein vergleichsweise CO2-armes Verkehrsmittel. Auto und Flugzeug sind das Gegenteil. Doch im Klimawandel nehmen Extremwetterereignisse zu.

Allein in Deutschland gab es dieses Jahr bereits drei Hochwasserlagen: neben der aktuellen noch die Saarlandflut und den Dauerregen im Frühjahr im Nordwesten. Und wir erinnern uns noch gut an die verheerenden Überschwemmungen im Ahrtal vor drei Jahren. Die Klimakrise bringt Zerstörungen mit sich und kostet Leben.

Hungerstreik gegen die Tatenlosigkeit der Bundesregierung

Und doch tut Deutschland zu wenig dagegen, die ­Kohlendioxidemissionen einzudämmen. Eine Gruppe von Männern will Bundeskanzler Olaf Scholz nun mit einer drastischen Maßnahme dazu bringen, öffentlich einzugestehen, dass das Land sein Klimabudget schon verbraucht hat: Sie sind im Hungerstreik. Einer von ihnen, Wolfgang Metzeler-Kick, isst schon seit mehr als 90 Tagen nichts mehr.

Am Montag erlitt er einen Kreislaufzusammenbruch und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Noch am selben Tag entließ er sich selbst und ging zurück ins Camp vor dem Bundeswirtschaftsministerium. Zunächst wollten die Aktivisten ab Donnerstag in den trockenen Hungerstreik treten, also auch nichts mehr trinken. Doch stattdessen verkündeten sie, teils wieder Säfte, teils wieder feste Nahrung zu sich zu nehmen. Sie wollten den Vorwurf, sie würden Kanzler Scholz erpressen, entkräften.

Außerdem hätten sie „positive Signale“ vom Kanzler vernommen, sagten sie gegenüber Medien. In einer Regierungserklärung zur Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland hatte Scholz am Donnerstag gesagt: „Der menschengemachte Klimawandel ist die größte globale Herausforderung, vor der wir stehen.“ Die Häufung extremer Wetter­ereignisse sei „ein Ergebnis des Klimawandels“. Scholz habe damit guten Willen gezeigt. Aber das reiche noch nicht, sagte Metzeler-Kick laut RBB.

Wie Deutschland mit der Klima­krise künftig umgehen wird, entscheidet sich teils auch am Sonntag. Die EU muss bis 2050 klimaneutral werden. NGOS fordern, das Ziel auf (mindestens) 2040 vorzuziehen. Und wenn rechte Parteien im Parlament stärker werden, dann könnten sie die schon jetzt nur schwachen Klimaziele noch aufweichen. Die EU-Wahl ist also in vielerlei Hinsicht eine Richtungswahl. Deshalb: Gehen Sie wählen!

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