piwik no script img

Obdachlosenhilfe trifft DrogennotdienstEin Bett für das ganze Jahr

In Kreuzberg eröffnet eine Notübernachtung für Obdachlose mit und ohne Suchterkrankungen. In Berlin ist das Projekt einzigartig.

Bald Geschichte? Berlin will bis 2030 die Obdachlosigkeit überwunden haben Foto: IMAGO / Emmanuele Contini

Berlin taz | „Wenn Sucht- und Wohnungslosenhilfe so zusammenarbeiten, ist das einzigartig für Berlin“, sagt Astrid Leicht. Die Geschäftsführerin vom Verein Fixpunkt ist am Montag in der Ohlauer Straße 22 in Kreuzberg, wo unweit des Görlitzer Park eine neue Notübernachtung für obdachlose Männer mit und ohne Suchterkrankungen eröffnet. „Obdachlosigkeit und Sucht im öffentlichen Raum sind Herausforderungen, für die wir in Kreuzberg und in ganz Berlin soziale Antworten brauchen“, sagt Bezirksbürgermeisterin Clara Hermann (Grüne).

Eine solche Antwort ist die Ohlauer 365, die von der Johanniter-Stiftung betrieben wird. Das Besondere: Es handelt sich um ein ganzjähriges Übernachtungsangebot mit 88 Plätzen. Insgesamt gibt es in Berlin laut Senatssozialverwaltung nur 372 ganzjährige Plätze – ohne die in der Ohlauer Straße. Neben Schlafplätzen gibt es auch warme Mahlzeiten, Kleidung sowie medizinische und soziale Angebote. Eine gesondertes Angebot für FLINTA* konnte laut Johannitern aus Raum- und Geldgründen nicht realisiert werden.

Bei der Eröffnung war auch die Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) vor Ort. Dass das Projekt trotz angespannter Haushaltslage gemeinsam mit dem Bezirk realisiert werden konnte, wertet sie als großen Erfolg. Finanziert wird die Unterkunft von der Senatssozialverwaltung mit 1,1 Millionen Euro für dieses und 1,6 Millionen Euro für das Jahr 2025. Wie die Finanzierung danach sichergestellt wird, steht noch nicht fest.

Die Ohlauer 365 befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Görlitzer Park, der als besonders konfliktbelastet gilt. Die aktuellen Debatten über die Umzäunung sowie nächtliche Schließung des Parks und den „Sicherheits-, und Reinigungsaktionen“ der BVG entlang der U8 verschärfen und verlagern das Problem, nach den Aussagen von Kritiker:innen.

Immer weiter an den Rand

„Gerade in Zeiten von zunehmender Verdichtung und Gentrifizierung wird es für Betroffene immer schwieriger, überhaupt noch Räume und Plätze zu finden, in denen sie sich ohne Repression aufhalten können“ sagt Astrid Leicht von Fixpunkt. In der Ohlauer 365 verfolgt der Verein einen konsum-akzeptierenden Ansatz und führt neben professioneller mehrsprachiger Sozialberatung auch Lehrgänge zur Drogennothilfe durch. „Vorrangig geht es um Stabilisierung und darum, die Notlage der Betroffenen zu lindern“, sagt Sozialarbeiter Ralf Köhnlein.

Für Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe, die seit 1975 im Kiez rund um den Görlitzer Park lebt, ist das Projekt ein wichtiger Baustein für das Ziel, die Obdachlosigkeit in Berlin bis 2030 zu überwinden. Am Mittwoch soll dazu auch eine Strategiekonferenz zur Wohnungslosenhilfe in der Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg stattfinden. Die Ver­an­stal­te­r:in­nen der Konferenz sehen in der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit eine der größten sozial- und wohnungspolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare