Neues Hochhaus an der Jannowitzbrücke: Höher und sozialer

An der Jannowitzbrücke soll ein 115 Meter hoher Turm entstehen. Der Bezirk will künftig mehr Einfluss. Das Hochhaus­leitbild kann nur bedingt helfen.

Die Visualisierung eines Hochhaus-Entwurfs des Berliner Büros Müller Reimann.

Auch der Entwurf des Berliner Büros Müller Reimann konnte die Jury überzeugen Foto: Visualisierung: Müller Reimann Architekten

BERLIN taz | Mitten im Spiel die Regeln ändern? Der slowakische Investor HB Reavis versucht das gerade bei einem Hochhaus, das an der Jannowitzbrücke gebaut werden soll. Statt wie bisher geplant 68 Meter in die Höhe zu gehen, soll der „Central Tower Berlin“ nun 115 Meter hoch werden. Dabei seien „Nutzungsmischung“ und „Nachhaltigkeit“ selbstverständlich, verspricht Oliver Fuchs, Head of Development bei HB Reavis Germany.

„Gemeinsam mit dem Bezirk Berlin-Mitte und dem Berliner Senat haben wir begonnen, das bestehende Konzept zu überarbeiten, um es an moderne städtebauliche Anforderungen – wie Mobilität, Nutzungsmischung und Nachhaltigkeit – anzupassen“, kündigt Fuchs an.

Eine solche Anpassung ist allerdings schon deshalb zwingend, weil der bisherige Bebauungsplan aus dem Jahr 2012 an der Stelle ein reines Bürohaus vorgesehen hat. Inzwischen hat sich der Senat allerdings ein Hochhausleitbild verpasst – und das sieht unter anderem vor, dass ein Drittel der Fläche keine Büronutzung sein darf.

Mittlerweile hat HB Reavis seinen Central Tower nicht nur im Bezirk Mitte vorgestellt, sondern auch beim Berliner Baukollegium. Die derzeitige Planung sehe dabei vor, dass die nicht als Büroraum genutzten Flächen vor allem im Sockelbereich, also den unteren Geschossen vermietet werden, sagt Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). Dazu gehören unter anderem Mikroappartments für Studierende, auch eine Klinik ist im Gespräch. Vermietet werden sollen die Flächen für 30 Euro pro Quadratmeter.

Vorbild ist München

Gothe ist das nicht genug. Er fordert, auch über die Bodenpreise und die Gewinne zu reden, die sich durch die Baugenehmigung durch den Bezirk erhöhen würden. „Warum soll die Allgemeinheit von dem Gewinn, den der Investor dadurch bekommt, nicht auch profitieren“, fragt Gothe. „Warum soll der Investor nicht zwei Drittel seines Planungsgewinns in soziale Infrastruktur investieren?“ Gothe verweist dabei auf München, wo sich eine solche Zwei-Drittel-Regelung bereits bewährt habe.

Mit seiner Forderung geht Gothe über das hinaus, was in Berlin derzeit Praxis ist. Bei großen Wohnungsbauvorhaben müssen Investoren lediglich ein Drittel Sozialwohnungen bauen. So sieht es das sogenannte Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung vor, das der rot-schwarze Senat 2014 beschlossen hat. Voraussetzung dafür ist ein Bebauungsplan. Baugenehmigungen ohne B-Plan sind davon nicht betroffen.

Derzeit diskutiert der Senat darüber, die Quote der kooperativen Baulandentwicklung von 30 auf 50 Prozent zu erhöhen. Bei Hochhäusern würde das allerdings nicht automatisch dazu führen, dass mehr Wohnungen gebaut werden. Ein Beispiel dafür ist der „Amazon Tower“ in Friedrichshain. „Das ist ein reiner Büroturm“, sagt Florian Schmidt (Grüne), Baustadt von Friedrichshain-Kreuzberg. Wäre das Hochhausleitbild bei seiner Genehmigung bereits gültig gewesen, hätte der Investor auch ein Ärztehaus darin unterbringen können. Auch damit wäre der Vereinbarung Rechnung getragen, 30 Prozent der Flächen nicht mit Büros zu nutzen.

Wie Gothe plädiert auch Schmidt dafür, die Erteilung einer Baugenehmigung künftig an ein Mehr an Wohnungen oder sozialer Infrastruktur zu knüpfen. „Natürlich muss es sich für den Investor rechnen“, sagt Schmidt. Sonst sei die Gefahr groß, dass sich der Investor an den Senat wende und der das Genehmigungsverfahren an sich ziehe. „Wenn man sich aber einig ist, dann kann man bei den Verhandlungen sagen: Schau mal, das sind die Regeln. Wenn du die nicht einhältst, gibt es keinen Bebauungsplan.“

Das im Februar 2020 vom Senat verabschiedete Hochhausleitbild sei für solche Verhandlungen aber nicht das passende Instrument, betont Martin Pallgen, Sprecher von Bausenator Christian Gaebler (SPD). Pallgen spricht lieber von einer „Selbstverpflichtung im Umgang mit Hochhausvorhaben im Land Berlin“.

Diese Selbstverpflichtung gelte vor allem für „Qualitätsvorgaben, Planungsgrundsätze und Prozessvorgaben“. Die rechtliche Umsetzung oder Genehmigung von Hochhausvorhaben, so Pallgen, erfolge dann auf der Grundlage des Baugesetzbuches, der Bauordnung oder anderer rechtlicher Regelungen wie dem Denkmalschutz.

Das war auch beim geplanten Central Tower von HB Reavis der Fall. Vor allem der Denkmalschutz brachte bei der Sitzung des Baukollegiums am vergangenen Montag seine Bedenken vor. Von einer „ganz großen Konkurrenz“ für den Fernsehturm auf bestimmten Sichtachsen war die Rede. Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt wertete die angestrebte Mischnutzung statt einer reinen Büronutzung deshalb als „deutliche Bereicherung“. Aber sie sagte auch: „Wir hängen einfach an der Höhe.“

Ephraim Gothe stimmt ihr zu. „Wir haben zwischen Alexanderplatz viele Hochhäuser mit 60 bis 70 Metern“, sagt Gothe der taz. Er könne sich deshalb 75 bis 85 Meter vorstellen, aber keine 115. Diese seien übrigens wegen der lukrativen Nutzungen im Sockel für den Investor auch nicht wirtschaftlich notwendig.

Mehr Wohnungen kann er allerdings nicht erzwingen. Das sieht das Hochhausleitbild nicht vor. Welche Nutzung sie in den 30 Prozent unterbringen, die keine Büros sein dürfen, ist den Investoren selbst überlassen.

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