piwik no script img

Rafael Nadal vor den French OpenDer König von Paris tritt ab

Ein letztes Mal tritt Rafael Nadal in Paris an. Sagenhafte 14-mal hat er da gewonnen. Die Aufregung um den müde gewordenen Spanier ist grenzenlos.

Unbeschreib­liches Glück: Rafael Nadal, nachdem er 2019 zum 12. Mal in Paris den Titel geholt hatte Foto: ap

Paris taz | Jetzt streunen sie wieder in Scharen durch das 16. Pariser Arrondissement, die Tennisromantiker. Ihr Sehnsuchtsort: das Stade de Roland Garros am südlichen Rand des wunderbaren Bois de Boulogne in der französischen Hauptstadt. Dieser Tenniskomplex gilt in der Szene als heimlicher Star der vier großen Grand-Slam-Turniere.

Es ist nicht so laut und prollig wie in New York bei den US Open, die französischen Tennisfans trinken zwar auch viel – so wie die Melburnians bei den Australian Open – aber sie saufen eben mit Stil. Und ja, Wimble­don hat die größte Tradition, zur Wahrheit gehört aber auch: Der Dünkel der Briten im ehrfürchtigen All England Club ist manchmal schwer auszu­halten.

Roland Garros ist hipper. Einfach lässiger. Und die diesjährige Ausgabe des zweiten Grand-Slam-Turniers des Jahres verspricht auch spektakulärer zu werden, als alles, was in diesem Tennisjahr bisher so passiert ist. Der Grund heißt Rafael Nadal. Seit Dienstag ist der Spanier in Paris. Seine Ankunft in einem schwarzen Van wurde auf sämtlichen Roland-Garros-Kanälen live übertragen. Viel zu sehen war nicht. Ein Tennisspieler in Sportklamotten und mit einer überdimensionalen Schlägertasche über der rechten Schulter stieg aus einem Auto. Er grüßte einmal kurz mit der linken Hand und entschwand im Players-Bereich auf der Anlage.

Aber nein, stopp! Es ist Nadal. Haltet die Maschinen an! Niemand wusste vorher, ob der 37-Jährige überhaupt kommen würde. Die Anfälligkeit seines in über 15 Profijahren geschundenen Körpers lässt schon lange keine Verlässlichkeit mehr zu. Wird der chronisch verletzte Fuß halten? Was machen die Bauchmuskeln? Hält das Knie? Und die Rippen? Richtig nachhaltig ist die Lage um Nadal schon lange nicht mehr.

Aufgeben ist keine Option

Es ist zum Verzweifeln. Aber aufgeben will er nicht. Schon gar nicht jetzt, so kurz vor Paris. 14-mal konnte Nadal auf der berühmten „terre battue“, dem ziegelroten Belag, schon gewinnen. Es ist ein Rekord für die Ewigkeit. Nadal ist hier der König. 2022 holte er den Titel mit einem betäubten Fuß. 2023 konnte er gar nicht spielen. Nun besucht er diesen für ihn so besonderen Ort wohl ein letztes Mal. Die Tenniswelt wird Kopf stehen, wenn er am Sonntag den Platz betritt, um in der ersten Runde gegen den Deutschen Alexander Zverev zu ­spielen.

Der Mallorquiner hat selbst gesagt, dass er seine Karriere 2024 ausklingen lassen möchte. Alle können das verstehen, alle weinen trotzdem. Tränen, Sturzbächen gleich, werden fließen, sollte Nadal ausscheiden. Falls er das Turnier sogar gewinnen sollte, wird die Seine über ihre Ufer treten.

Aber noch ist es nicht so weit, gerade kommen vor allem die Romantiker auf ihre Kosten. Man muss sich das mal vorstellen, am Mittwoch trainierte Nadal auf dem, auf seinem Court Philippe Chatrier bei kühlen Temperaturen und Regenschauern für genau eine halbe Stunde. 8.000 Fans schauten gebannt zu. Jeder Trainingssatz wird gerade bis ins Kleinste analysiert. Die Leute fragen sich, ob es reicht?

Um eine rea­lis­ti­sche Einschätzung zu geben, muss man ein bisschen zurückschauen: Der 37-jährige Linkshänder war wegen einer Hüftverletzung fast das gesamte Jahr 2023 ausgefallen. Nach seinem Comeback im Januar 2024 musste er wegen eines Muskelfaserrisses auf die Australian Open verzichten. Danach scheiterten mehrere Versuche des Olympiasiegers von 2008, auf die Tour zurückzukehren. Erst Mitte April beim Turnier in Barcelona gelang ihm der Wiedereinstieg ins Tagesgeschäft.

Schwierige Rückkehr

In der zweiten Runde unterlag er dort dem Australier Alex de Minaur mit 5:7 und 1:6. Daraufhin folgte das Masters-Event von Madrid. Im Vorfeld ließ Nadal abseits der Plätze keine Gelegenheit aus, die Erwartungen an sich so niedrig wie möglich zu halten. „Ich werde nicht in Paris spielen, wenn ich mich so fühle wie heute“, hatte er damals auf einer Pressekonferenz gesagt und damit schon auch für Verwunderung gesorgt. Denn da hatte das Turnier für ihn noch nicht mal angefangen.

Madrid lief dann besser. Mit drei Siegen sammelte er gute Argumente für Roland Garros. Trotzdem klang Nadal dort auch manchmal resigniert und so, als würde er eigentlich selbst nicht mehr daran glauben, zum eigentlichen Höhepunkt der Sandplatzsaison, den French Open, wirklich auf Augenhöhe mit den Besten zu sein. Mit Spielern wie Novak Đo­ko­vić, Jannik Sinner, Daniil Medvedev oder eben Alexander Zverev. Das ist ja das Ziel.

In Rom vor zehn Tagen war Nadal in der zweiten Runde klar an Hubert Hurkacz gescheitert. „Ich habe nicht viel Tennis gespielt in den letzten zwei Jahren. Ich brauche Zeit, mich anzupassen. Ich beobachte auch sehr genau, ob ich besser werde. Darum wird es am Ende gehen“, sagte er danach. Die Zeit ist jetzt abgelaufen. Roland Garros startet am Sonntag. Die Tennisbubble tuschelt nur, keiner traut es offen auszusprechen. Aber an mehr als zwei, drei Nadal-Matches glauben die wenigsten.

Andererseits ist es eben Nadal. Und es ist Paris. Der Spanier ist auf dem Tennisplatz ein gnadenloser Wettkämpfer, der seine Gegner mit einer unverwechselbaren Mischung aus Athletik und Intensität bekämpft. Kommt Nadal in die, wie Tennisspieler sagen, „Zone“, kann über dem Stade de Roland Garros ein Sturm unvorhersehbaren Ausmaßes hereinbrechen.

Sucht nach Titeln

Einer der Nadal gut kennt ist Se­bas­tián Fest. Der argentinische Autor und Publizist begleitet den 22-fachen Grand-Slam-Champion seit Jahren auf der Tour. Fest hat auch ein Buch über den Mallorquiner geschrieben und viel mit ihm und Leuten aus dem Umfeld gesprochen. „Es ist wie eine Sucht bei ihm“, sagt Fest. „Er denkt wirklich, dass er es noch mal schaffen kann. Und er meint damit nicht nur ein paar Matches, sondern die ganz großen Titel.“

Toni Nadal ist der Onkel von Nadal. Bis vor wenigen Jahren hat er seinen Neffen noch selbst trainiert. „Er geht nicht nach Roland Garros, um in der zweiten Runde zu verlieren, sondern nur wenn er glaubt, dass er das Turnier gewinnen kann“, so Onkel Toni. Blufft Nadal am Ende gar nur, und hat er sich das Beste für ganz zum Schluss aufgehoben? Schwer vorstellbar.

Es gibt bei Youtube ein kurzes Video, in dem Patrick Mourat­oglou, ehemaliger Trainer von Serena Williams und eine der einflussreichsten Figuren im Welttennis, erklärt, wie Rafael Nadal es geschafft hat, große Titel zu gewinnen. Mouratoglou, der in seiner Akademie in Südfrankreich, die Stars von morgen ausbildet, seziert in dem Video das Spiel Nadals. Es geht um Vorhandschläge, kurze Bälle, um die Technik generell, aber es geht auch um das große Ganze. „Resilienz“, sagt Mouratoglou, sei schon immer Nadals Schlüssel zum Erfolg gewesen. Die Widerstandsfähigkeit. Schafft es der Schmerzensmann ein letztes Mal, sich zu überwinden?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 /