Rafael Nadal und die Grand Slams: Der alte Mann will mehr

Rafael Nadal bezwingt im Finale der Australian Open Daniil Medwedew. Trotz anfänglichem 0:2-Rückstand kann der Spanier das Finale gewinnen.

Blick von oben auf den Tenniscourt der Australian Open. Viele Menschen jubeln, auf dem Platz sieht man den spanischen Profi Rafael Nadal

Rafael Nadal kann es immer noch: Begeisterte Zuschauer beim Finale der Australian Open Foto: Elliott/reuters

Als Rafael Nadal schließlich Daniil Medwedew dessen Aufschlag erneut abgenommen hatte und der Spanier im fünften und entscheidenden Satz in diesem denkwürdigen Finale der Australian Open mit 3:2 in Führung ging, riss es die Zuschauer in der Rod-Laver-Arena nicht nur endgültig von den Sitzen, es herrschte auch eine Stimmung wie in einem südamerikanischen Fußballstadion. Die Leute sangen und klatschten. Mit 0:2-Sätzen lag der 35-Jährige schon hinten. Er hatte kaum Chancen gegen Medwedew, der wie gewohnt unbequem und unberechenbar auftrat.

Alles sprach für den Russen. Auch das Alter. Medwedew ist zehn Jahre jünger als ­Nadal. Aber dieser von der Natur gegebene körperliche Vorteil war nach zwei Sätzen auch plötzlich weg. ­Nadal wühlte sich hinein in diese Partie. Das Unfassbare geschah: Angetrieben von den Zuschauern gelang es dem Mallorquiner, sich im Stile eines Entfesselungskünstlers aus der scheinbar aussichtslosen Situation zu befreien. Am Ende gewann ­Nadal wirklich dieses Match. Nach gut fünfeinhalb Stunden Spielzeit hieß es in Melbourne schließlich 2:6, 6:7, 6:4, 6:4 und 7:5 aus der Sicht des Routiniers.

Es klingt immer so blöd, aber dieses Spiel war tatsächlich ein Match für die Ewigkeit. Es gab unzählige Wendungen, irrsinnige Ballwechsel, Verletzungspausen, es wurde das Publikum beschimpft, es wurde sich mit dem Schiedsrichter angelegt, Nadal verbrauchte in der schwülen Hitze dieses Marathons zehn T-Shirts, ja sogar ein politischer Aktivist sprang kurzzeitig auf den Platz. Man hoffte sehr, dass das alles niemals aufhören würde.

Als Nadal seinen Matchball verwandelte, sah er wie ein ungläubiges kleines Kind aus. Er brauchte ein paar Momente, um zu realisieren, was gerade passiert war. Dann brach er, kniend auf dem blauen Boden des Hartplatzes, in Tränen aus. Im wichtigsten Match seiner Karriere hat Nadal das wichtigste Comeback seiner Karriere gefeiert. Das Historische war vollbracht: Nadal hat jetzt 21 Grand-Slam-Titel gewonnen. Mit dem Sieg bei den Australian Open hat er in dieser elitären Wertung der Besten Roger Federer und Novak Đoković überholt.

Comeback trotz schwieriger Fußerkrankung

„Die ganze Wahrheit ist, dass ich vor anderthalb Monaten nicht wusste, ob ich überhaupt in der Lage wäre, noch einmal zurück zu kommen“, sagte Nadal im Anschluss an das epische Spiel bei seiner Siegerrede. Als er sprach, hatte er Tränen in den Augen. „Keiner kann sich vorstellen, wie hart ich dafür gekämpft haben.“ Monatelang hatte der in der Weltrangliste vor dem Turnier auf Platz 5 zurückgefallene Nadal wegen einer komplizierten Fußverletzung pausieren müssen. Bei den French Open Anfang Juni, als er im Halbfinale in vier Sätzen dem späteren Sieger Novak Đoković unterlag, brach die Verletzung wieder auf. Nadal machte die Sache erst Wochen später öffentlich.

Rafael Nadal 21 Grand-Slam-Titel

„Wie hart ich dafür gekämpft habe!“

Schon 2005 wurde beim 35-Jährigen das „Müller-Weiss-Syndrom“ diagnostiziert. Dabei handelt es sich um eine Verknorpelung des linken Kahnbeins, eines Knochens zwischen Ferse und Fußballen. Seitdem gibt es die Schmerzen, die immer dann auftreten, wenn die Belastung des Fußes zu groß ist. Selbst eine Operation könne kaum Heilung bringen, bestenfalls Linderung, sagen Mediziner.

Ab August ging bei Nadal gar nichts mehr. Wegen der Fußgeschichte musste er Wimbledon, die Olympischen Spiele, die US Open und auch die ATP-Finals absagen. Er spielte 2021 überhaupt nur sechs Turniere. Die ersten Würdigungen für sein sportliches Lebenswerk wurden schon verfasst. Eine Corona-Infektion störte die Vorbereitung auf die neue Saison zusätzlich empfindlich. Sein Start bei den Australian Open war lange höchst fraglich gewesen. Und nun diese Wiederauferstehung.

Nadal hatte sich im Laufe des Turniers seine eigene Perspektive geschaffen. Er war einfach nur froh, wieder dabei zu sein. „Ich bin hier und ich danke dem Leben dafür“, sagte er nach den Viertelfinale gegen Denis Shapovalov. Die Aussicht auf den historischen 21. Grand-Slam-Titel war es gar nicht so sehr, die ihn angetrieben hat. „Diese zwei Wochen werde ich für immer in meinem Herzen tragen“, sagte Nadal noch bei der Siegerehrung. Dann küsste er den Pokal.

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