contra zentralbahnhof: Berlin in Geiselhaft der Bahn
Bislang war es so: Wer im ICE nach Köln oder Stuttgart surren wollte, konnte je nach Wohnort am Ostbahnhof oder Zoo einsteigen. Viel zu aufwändig, meint die Bahn AG, und will nun den ICE-Verkehr von der Stadtbahn nehmen. Glück denen, die wenigstens in der Nähe der ICE-Bahnhöfe Spandau und Papestraße wohnen.
Für alle anderen heißt es: Auf zum Hauptbahnhof Lehrter Bahnhof. Dass da, anders als am Bahnhof Zoo, keine zwei U-Bahnlinien und 20 Buslinien halten, ist der Bahn egal. Offiziell lautet das Argument: vier Minuten Fahrzeit weniger. Tatsächlich aber will sich die Mehdorn-Truppe die Blamage ersparen, ins Jahr der Fußball WM mit einem „Hauptbahnhof/Lehrter Geisterbahnhof“ zu starten.
Dass dafür eine ganze Stadt in Geiselhaft genommen wird, ist der Bahn egal. Schon in der Vergangenheit hat sie immer wieder unter Beweis gestellt, dass die Unternehmensphilosophie nicht Kundenfreundlichkeit heißt, sondern Entscheidung nach Gutsherrenart. Nicht einmal das Debakel bei der Tarifreform hat die Verantwortlichen Mores gelehrt. Nun geht es sehendes Auges ins nächste Unglück.
Denn das wird mit Sicherheit kommen. Von den vier Minuten Zeitersparnis hat der Kunde nämlich gar nichts, es sei denn, er rast – selten genug – durch Berlin durch. Für die andern dagegen heißt es: mehr Zeit in der S-Bahn verbringen, Staus auf den Straßen in Mitte, Gedrängel beim Ein- und Ausstieg, Gerangel um die Plätze. Wer danach entnervt das Handtuch wirft, kann ja immer noch shoppen gehen im neuen Bahnhofsgebäude. Oder den Gutsherrn dreifach verfluchen. UWE RADA
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