Ein Naturranger über seinen Traumjob: „Ich muss draußen sein“
In der DDR versorgte Detlef Baumung Rinder. Heute arbeitet er in Brandenburg in der Döberitzer Heide, wo Wisente und andere Tiere ausgewildert sind.
wochentaz: Herr Baumung, Sie haben den Ruf, ein Wisentflüsterer zu sein. Sind Sie das?
Detlef Baumung: Das will ich nicht gesagt haben. Man kennt sich ein bisschen aus (lacht).
Was heißt das?
Ich habe früher mal Rinderzüchter gelernt, in der DDR. Mit Berufsschule und allem drum und dran. Mit Melken, im Kälberstall, im Jungbullenstall, alles. Wir hatten 1.200 Mastbullen in der LPG Seeburg, wo ich gearbeitet habe. Der Wisent ist ja auch ein bisschen wie ein Rind.
1963 in Staaken (DDR, heute zu Berlin-Spandau gehörend) geboren, wächst Delef Baumung in dem brandenburgischen Dorf Seeburg auf, dort lebt er bis heute. Nach der 10. Klasse Ausbildung zum Zootechniker/Mechanisator, Spezialisierung Rinderproduktion. Bis zur Wende arbeitet er bei einer LPG in der Bullenmast, anschließend verdingt er sich als Fernfahrer. Seit 2005 ist er bei der Heinz-Sielmann-Stiftung in der Döberitzer Heide als Tierpfleger beschäftigt. (plu)
Inzwischen sind Sie schon lange bei der Heinz-Sielmann-Stiftung, Naturlandschaften Döberitzer Heide – sozusagen vor den Toren Berlins – beschäftigt. Was machen Sie genau?
Anfangs hieß es mal Tierpfleger, jetzt heißt es neudeutsch Naturranger oder Landschaftspfleger. Auch für die Verkehrssicherung des Geländes bin ich zuständig.
Bis zur Wende war die Döberitzer Heide Truppenübungsplatz der Sowjets. Die Sielmann-Stiftung hat das Gelände danach gekauft, um beinahe ausgestorbenen Tierarten einen Lebensraum zu geben. Mit geschätzt 130 Tieren lebt dort heute Deutschlands größte Wisentherde. Wie gut kennen Sie die Tiere?
Die leben wild auf einer Fläche von knapp 2.000 Hektar, die mit einem Zaun gesichert ist. Wir sprechen von der Kernzone. Manchmal kriegt man sie tagelang nicht zu Gesicht. Anders als in der Anfangszeit, als die Herde noch deutlich kleiner war, kenne ich nicht mehr jedes einzelne Tier. Anfangs waren die Tiere auch noch viel zutraulicher, wenn man sie gerufen hat, sind sie angerannt gekommen.
Können Sie bitte mal so rufen?
Formt die Hände zu einem Trichter vor dem Mund und ruft: KOMMA! KOMMA! Ein bisschen lauter natürlich (lacht). Die alten Bullen und die alten Kühe bleiben auch heute noch stehen, die kennen noch unsere Autos, manche kommen auch noch angerannt. Aber die ganze Nachzucht, die, die draußen geboren sind, die kennen das nicht mehr, die hauen ab.
Westlich von Berlin hat die Heinz-Sielmann-Stiftung seit 2004 aus dem früheren Truppenübungsplatz Döberitz ein Naturschutzgebiet gemacht. 3.700 Hektar groß ist das Gelände. In einer rund 2.000 Hektar umfassenden Kernzone, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, leben einstmals vom Aussterben bedrohte Wildtiere wie Wisent und Przewalski-Pferd – das mongolische Wildpferd war nach Ende des Zweiten Weltkriegs nahezu verschwunden. (plu)
Können Sie die Alttiere anfassen?
Nee, so dicht kommen sie nicht ran. Ist auch nicht gewollt.
Wie fing das mit den Wisenten in der Dörberitzer Heide an?
Die ersten Wisente sind im April 2006 bei uns angekommen: 7 Tiere, sie stammten aus dem Wisentgehege Springe bei Hannover und aus dem Zoo Karlsruhe. Zuerst haben wir die Tiere in einem Schaugehege gehalten und Kälber gezüchtet. Das waren 3 Gehege mit jeweils 7 Hektar. Die hatten wir gebaut, auch um unseren Besuchern die 3 Tierarten vorzustellen, die wir dann auswildern wollten.
Wisente, Przewalski-Pferde und Rotwild.
Das Schaugehege war der erste Schritt. 2007 haben wir angefangen, draußen das erste Eingewöhnungsgehege zu bauen und weitere Tiere von außerhalb nachgeholt. Das waren 50 Hektar. 2010 sind wir dann fertig gewesen mit dem Einzäunen des großen Gebiets …
… der Kernzone, die nur zu Forschungszwecken betreten werden darf.
Mit einem großen Fest haben wir die Schleuse aufgemacht und die Tiere in der Kernzone freigelassen. Vor allem die Anfangszeit des Schaugeheges, als die Wisente neu hier waren, war ziemlich aufregend. Manchmal sind wir mehr bei den Wisenten gewesen, als zu Hause (lacht). Auch nachts sind wir noch mal gucken gefahren, ob alles in Ordnung ist.
Sie wussten, wie man mit Rindern umgeht. Wie hilfreich war das?
Sehr. Sie müssen ruhig an die Tiere rangehen. Egal ob Bulle oder Kuh, die merken sofort, wenn Sie hektisch sind. Sie müssen die Tiere auch immer ansprechen, wenn Sie sich von hinten nähern, sonst bekommen Sie ruckzuck einen Huf ab. Die keilen ja aus.
Im Jahr 1927 wurde der letzte frei lebende Wisent im Kaukasus erschossen. Dank einer damals gegründeten internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents wurde im vergangenen Jahrhundert aus 12 Gründertieren, die in Zoos und Gehegen erhalten geblieben waren, mit einem aufwendigen Zuchtprogramm weltweit wieder ein halbwegs stabiler Bestand von 8.000 bis 10.000 Tiere aufgebaut. Auswilderungen fanden unter anderem in Polen, der Slowakei, Russland und Rumänien statt. Seit 2019 läuft ein Auswilderungsprogramm des WWF im Kaukasus in Aserbaidschan, an dem Zoologischer Garten und Tierpark Berlin beteiligt sind. Auch ein Wildpferd-Auswilderungsprojekt ist dort geplant. Die Wisentherde in der Döberitzer Heide ist mit rund 130 Tieren die größte in Deutschland. Von den Przewalski-Pferden jedoch gibt es dort lediglich 23 Tiere. (plu)
Die LPG Seeburg, wo Sie 10 Jahre bis 1991 gearbeitet hatten, war auf Mastbullen spezialisiert. Wie muss man sich das vorstellen?
Wir haben sämtliche Bullenkälber der anderen LPGs aufgekauft und bei uns bis zur Schlachtreife großgezogen. Das bedeutete, dass wir zeitgleich bis zu 1.200 Tiere im Stall zu versorgen hatten.
Standen die Bullen ihr ganzes Leben im Stall?
So lang war das Leben ja nicht. Zwei Jahre, zweieinhalb, dann waren sie so groß, dass sie Schlachtreife hatten. Und dann kam ein Viehtransporter und jeder wurde einzeln von der Kette abgemacht und durch einen Gang auf den Wagen getrieben.
Klingt nicht ohne, da ist ja ganz schön viel Testosteron im Spiel.
Ja (lacht), da muss man mit umgehen können. Die haben sich auch manchmal von den Ketten losgerissen, da hatte man schon manchmal Schwierigkeiten, den wieder einzufangen und an seinen Platz zu bringen.
Die Bullen hatten aber Nasenringe?
Nö, nur Halfter. Sonst macht es ja keinen Spaß mehr.
Wie bitte?
Wenn Sie den am Nasenring haben, macht er ja, was Sie wollen und so hat er gemacht, was er will.
Das hat Ihnen gefallen?
Ja (lacht), das hatte seinen Reiz. Sie müssen schon ein bisschen Obacht geben. Sie müssen überlegen, wie ist der drauf. Wenn er schon angefangen hat, zu randalieren, dürfen Sie sowieso nicht rangehen, oder wenn einer frei war. Ein bisschen beobachten mussten Sie den schon. Und wenn Sie merken, dass Sie Vertrauen aufbauen können zu den Tieren, vertrauen die einem auch.
Funktioniert das bei Wisenten auch?
Im Prinzip schon. Der Unterschied ist allerdings, das Wisente Wildtiere sind und nicht so ein Vertrauen entwickeln sollen.
Sind Sie ein eher ruhiger Typ?
Den Tieren gegenüber ja, denke ich mal.
Und Menschen gegenüber?
Schweigen wir (lacht). Auf jeden Fall bin ich ruhiger geworden im Laufe der Jahre.
Und einer, der gerne lacht?
Ich denke ja. Man muss schon ein paar Späße machen, das Leben ist ernst genug.
Wieso haben Sie damals nicht bei der LPG im Kuhstall angeheuert, wo Sie doch auch Melken gelernt hatten?
Das war Teil der Ausbildung. Wir mussten ein Vierteljahr in Blankenfelde, der größten Milchviehanlage Europas, arbeiten: 5.000 Milchkühe unter einem Dach. Dort mussten wir sämtliche Melkscheine machen: Ketten-Melkstand, Karussell-Melkstand, Handmelken. Aber dadurch, dass ich in Seeburg aufgewachsen bin, bin ich bei der hiesigen LPG geblieben und die hatte nun mal die Bullenmastproduktion. Mein Vater und meine Mutter waren auch schon in unserer LPG.
In welcher Funktion?
Mutter war in der Küche, Vater bei den Rindern. Ich bin schon als Kind immer mit in den Stall, sobald ich aus der Schule gekommen bin. Ein bisschen gefegt, ein bisschen Milch angerührt für die Kälber, also keine schwere Arbeit. Was ich eben helfen konnte als 8-, 9-jähriger Bengel.
Mussten Sie?
Nee, nee, ich wollte. Und dadurch kam das eben mit den Tieren und das alles.
Sie wollten nie weg aus Seeburg?
Wo soll ich denn weiter hin? Hier war es doch schön gewesen. Kleines Dorf. Sie kannten ringsherum alle.
Wie ging es mit Ihnen nach der Wende weiter?
Da war ich beim Tiefbau, 10 oder 12 Jahre lang. Die LPG wurde ja abgewickelt nach der Wende, es musste ja weitergehen. Beim Tiefbau bin ich Lkw gefahren, Fernfahrertouren, Inland. 2005 habe ich dann erfahren, dass die Sielmänner Personal suchen. Mundpropaganda. So bin ich dann wieder in meinen alten Beruf reingerutscht.
Wie viel Stunden am Tag sind Sie so draußen im Gelände?
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Von den 8 Stunden Arbeitszeit bestimmt 6 oder 7. Wir fangen um 7 Uhr an, aber ich bin schon immer um 6 Uhr hier. Ich bin das von früher gewöhnt. Ich muss immer alles in Ruhe angehen morgens, meinen Kaffee trinken, egal auf was für Arbeitsstellen ich war.
Wer ist wir?
Wir sind hier draußen 4 Mann, also die Arbeiter, die direkt mit den Tieren zu tun haben. Wir machen auch jeden Tag eine Zaunkontrolle. Auf den 22 Kilometern rings um die Kernzone fließt ja Strom. Eigentlich ist das nur ein Weidestrom, eher dazu da, dass Besucher nicht über den Zaun klettern. Die Strecke fahren wir immer ab. Wir müssen Protokoll führen, wenn mal was passieren sollte, was wir nicht hoffen, dass ein Tier ausbricht oder so. Gott sei Dank ist das noch nie vorgekommen. Und dann sind wir immer noch dabei, größere Flächen freizumachen, damit sich die Heidelandschaft und die dazugehörigen Pflanzen und Lebewesen ausbreiten können. Die größte Gefahr ist ja die Verbuschung.
Was heißt das?
Noch schaffen es unsere ausgewilderten Tiere nicht, die Landschaft durch Fressen und Trampeln mit den Hufen offenzuhalten. Also müssen wir nachhelfen. Wir müssen die großen Flächen zum Beispiel vom Ginster befreien, sonst würde alles zuwuchern. Den Ginster fressen die Tiere nicht, das ist das Problem.
Nicht nur die bedrohten Wisente, auch die beinahe ausgerotteten Przewalski-Pferde haben in der Döberitzer Heide einen Lebensraum bekommen. Identifizieren Sie sich mit dem Naturschutzgedanken des Projekts?
Natürlich, sonst wäre ich jetzt nicht schon das 20. Jahr hier.
Wie macht sich der Klimawandel in der Döberitzer Heide bemerkbar?
Natürlich sieht man das. An den Bäumen, wenn man in den Wald fährt, die Trockenheit in den letzten Jahren. Das kriegt man hier sehr deutlich mit, auch wenn man kein Forstwirt ist, kein Gelernter. Wie die großen Eichen absterben, wie die großen Birken absterben.
Im Oktober sind in Brandenburg Wahlen. Die AfD hat sehr hohe Umfragewerte. Die leugnen den Klimawandel und dadurch bedingte Veränderungen.
Ich hoffe es nicht, dass die jemals an irgendeiner Regierung beteiligt werden. Meiner Ansicht nach hat man die AfD unterschätzt. Die großen Parteien haben die doch die ersten Jahre belächelt. Das hätte man ganz anders angehen müssen, mit Gegenargumenten, dass die gar nicht erst so viel Wähler an sich ranziehen können.
Gibt es in Ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis in Seeburg Menschen, die AfD wählen wollen?
Noch habe ich nichts gehört, ich hoffe es nicht. Bei uns in Seeburg ist es aber auch nicht so, dass es großartig eine Ortsgruppe oder so gebe. Aber im Moment, das muss ich auch ganz ehrlich sagen, wüsste ich auch nicht, welche Partei ich wählen würde, wenn morgen Wahlen werden. Weil, richtiges Vertrauen hat man eigentlich zu keinem mehr im Moment.
Seeburg liegt am Rand der Döberitzer Heide, einen Katzensprung von Berlin entfernt. Hat sich das Dorf seit der Wende verändert?
Früher war das ein kleines Dorf, jetzt ist es um das Dreifache gewachsen, ist ja Randlage Berlin. Ungefähr 1.200 Einwohner.
Gibt es im Ort eine Kneipe oder Einkaufsmöglichkeit?
Wir haben jetzt wieder, was früher in DDR-Zeiten der Konsum war, einen kleinen Dorfladen, so nennt er sich. Da kriegen Sie Brötchen, Zeitungen und Grundnahrungsmittel. Kneipe haben wir keine mehr.
Bedauern Sie das?
Ja.
Wie lange schon nicht mehr?
Ach, die ist bestimmt schon – lassen Sie mich lügen – aber 10 Jahre ist die bestimmt schon weg. Da ist jetzt ein Wohnhaus drin (lacht). Früher in der Kneipe war immer was los. Das war so ein zentraler Mittelpunkt gewesen. Nicht, dass Sie da jeden Tag besoffen rausgekommen wären, aber wenn Sie aus dem Kuhstall gekommen sind, haben Sie kurz angehalten, ein bisschen gequatscht, ein Bierchen getrunken und dann sind Sie nach Hause gefahren. Da hat sich ja keiner großartig festgesetzt. Weil, zu Hause hatten Sie ja auch noch ihre Wirtschaft.
Sie selbst hatten auch einen Hof und eine kleine Landwirtschaft?
So ein bisschen nebenbei, ja. Schweine, Hühner, Kaninchen, 2 Ziegen. 2007 mussten wir da leider endgültig raus. Der Alteigentümer hat den Hof zurückgekriegt, was keiner verstehen kann, normalerweise. Meiner Ansicht hatte er da gar keinen Anspruch mehr drauf. Der war ja entschädigt worden, nachdem er nach dem Krieg rübergesiedelt war in den Westen. Also das mit dem Einigungsvertrag, da haben sie die alte DDR ganz schön verkauft.
Auf dem Hof sind Sie aufgewachsen?
Ja, seit meiner Kindheit habe ich da gelebt, über 40 Jahre. Mein Vater und meine Mutter waren auch ein bisschen Bauern nebenbei gewesen. Bisschen Landwirtschaft, Enten, Hühner, Kaninchen, großen Garten, man war ein halber Selbstversorger.
Wo sind Sie mit Ihrer Frau und der Tochter dann hingezogen?
In einen Neubaublock in Seeburg, Dreizimmerwohnung. Wir wohnen da immer noch. Die ersten Jahre war es schwer, das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Ich kannte das nicht, dass über mir, unter mir, neben mir Nachbarn sind. Ungewohnt. Eng. Das muss man erst mal auf die Reihe kriegen. Bis ich dann einen kleinen Garten übernehmen konnte von einer älteren Dame, danach ging es, weil ich wieder einen Rückzugsort hatte.
Die Anstellung in der Döberitzer Heide war für Sie vermutlich ein Glücksfall.
Mit Sicherheit, gerade auch nach der ganzen Fernfahrerei. Ich könnte nicht den ganzen Tag im Büro sitzen, da würde mir die Decke auf den Kopf fallen. Ich muss die Natur haben, ich muss draußen sein. Oder in einer Werkhalle am Fließband stehen, da würde ich verrückt werden. Dazu kommt, dass wir hier draußen relativ eigenverantwortlich arbeiten, weil die Chefs auch wissen, sie können sich auf unser Team verlassen.
Auch die Wisente führen ein Eigenleben, oder füttern Sie zu?
Unsere Wisente versorgen sich selbst. Nur in extrem kalten Wintern würden wir eine Ausnahme machen und zufüttern. In der Kernzone stehen sechs solarbetriebene Tränken, das ist das einzige technische Unterstützung. Wasser ist immer da.
Wer hat in der Herde eigentlich das Sagen?
Die Leitkühe, in der Regel handelt es sich um Mutterkuhherden mit 15 bis 20 Tieren. Die adulten Bullen laufen übers Jahr meistens alleine, manchmal auch zu zweit. Nur wenn Brunft ist – im August, September um den Dreh – gesellen sie sich zu den Kühen. Danach ziehen sie sich wieder zurück.
Finden in der Paarungszeit heftige Kämpfe statt?
Weniger. Ein ausgewachsener Wisentbulle wiegt bis zu einer Tonne. Die Jungbullen wissen, dass sie gegen die Großen keine Chance haben. Bei den Rothirschen ist in der Paarungszeit deutlich mehr Stimmung. Wenn die sich Ende September, Oktober gegenüberstehen, anbrüllen und loskämpfen mit krachenden Geweihen, das ist herrlich!
Dann halten Sie Ihren weißen Jeep auch mal an?
Natürlich, das muss man hören und sehen!
Was sind für Sie die schönsten Momente in der Heide?
Mit das Schönste ist, wenn Sie morgens kommen und da rennt auf einmal so ein Lütter mittenmang mit rum. Wir haben in den Autos ja auch Ferngläser. Aber da kommt man absolut nicht ran, da passen die Kühe auf. Früher im Schaugehege konnte man das noch besser verfolgen. Wenn Sie sehen, dass da wieder etwas Neues entsteht. Auf einmal rennen da zwei Wisentkälber rum, die am Abend vorher noch nicht da waren. Da muss kein dreiköpfiges Tierarzt-Team dabei sein. Die Geburt und alles machen die Muttertiere ganz alleine. Natürlich gehört der Tod auch mit dazu. Wenn Sie kommen, und da liegt einer.
Sind Sie dann auch traurig?
Natürlich. Man kennt das ja von früher, wenn im Kuhstall auch mal ein Kalb tot gewesen ist. Leben und Tod gehört nun mal zusammen. Es ist auch besser ein Tier von seinem Leiden zu erlösen, wenn es schwer krank ist. Wenn man sieht, wie manche ältere Damen oder Herrschaften, die einen uralten Hund haben, der schon fünfmal Krebs hatte, ihre letzten Ersparnisse in das Tier stecken. Aber das ist meine persönliche Meinung.
Haben Sie einen Überblick, wie viele Wisentkühe in diesem Frühjahr trächtig sind?
Keine Ahnung … Die Tiere leben ja wild, das kann man also überhaupt nicht sagen. Geburtszeit ist in der Regel im Mai, das hängt auch ein bisschen vom Wetter ab.
Dann ist das für Sie ja gerade eine ziemlich spannende Zeit!
Auf jeden Fall! Letztes Jahr waren es bestimmt 10, 15 Kälber gewesen. Wenn das Futterangebot gestimmt hat, der Winter war ja nicht so doll, kann es durchaus wieder so ein gutes Jahr werden. Müssen wir abwarten. Wir haben zwar einen Haufen Wildkameras aufgestellt, aber man kriegt ja doch nicht alles mit, was da draußen abgeht.
Was auch gut ist, oder?
Vollkommen richtig. Ist ja Natur, die braucht auch ihre Geheimnisse. Das betrifft ja nicht nur die Großtiere. Wenn Sie den ersten Wiedehopf rumspringen sehen. Wenn die Vorboten vom Frühling wieder angekommen sind. Nee, nee, das ist schon eine spannende Angelegenheit da draußen.
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