Strippenziehen gegen die PKK

Zum ersten Mal seit 13 Jahren reist der türkische Präsident Erdoğan in den Irak. Sein Kalkül: Mehr Wasser für den Irak, dafür Unterstützung gegen die kurdische PKK

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Bei einem Besuch in Bagdad und der kurdischen Autonomieregion im Nordirak hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Montag eine große Militäroperation gegen die kurdische PKK-Guerilla vorbereitet. „Unterschrift unter das Todesurteil für die PKK“ titelte die größte türkische Zeitung, Hürriyet, am Dienstag über das Ergebnis des Treffens von Erdoğan mit dem irakischen Präsidenten Abdul Latif Raschid und Premierminister Mohamed Schia al-Sudani.

Erstmals seit 13 Jahren hat Erdoğan das Nachbarland Irak am Montag wieder besucht. Der Besuch war sorgfältig vorbereitet worden und soll nun eine neue Ära im Verhältnis der beiden Nachbarländer einläuten.

Dabei war viel von gemeinsamen Projekten die Rede. So soll die Türkei in den kommenden Jahren ein 17 Milliarden Dollar (knapp 16 Milliarden Euro) teures Straßen- und Eisenbahnnetz quer durch den Irak vom Persischen Golf bis in die Türkei bauen.

Doch im Kern ging es um einen einzigen Deal: Die Türkei will die Unterstützung der irakischen Regierung für die militärische Verfolgung der kurdischen PKK-Guerilla, die im Nord­irak ihr Hauptquartier hat. Der Irak verlangt im Gegenzug, dass die Türkei endlich wieder mehr Wasser aus den Flüssen Tigris und Euphrat in das Nachbarland lenkt.

Iraks Ministerpräsident al-Sudani hat im Verlauf des Besuchs klargemacht, dass der Irak auch deshalb unter für sein Land lebensbedrohendem Wassermangel leidet, weil die Türkei an den Oberläufen der beiden Flüsse zu viel von dem kostbaren Stoff zurückhält. Die Türkei hat jahrelang abgewiegelt und immer wieder darauf verwiesen, dass in den Wirren der irakischen Politik kein Ansprechpartner für Verhandlungen über Wasserrechte zur Verfügung stünde. Nun hat Erdoğan eingeräumt, dass ein gemeinsames Wassermanagement zwischen beiden Ländern notwendig ist.

Eine Kommission soll nun auf wissenschaftlicher Grundlage klären, welche Wassermenge dem Irak aus dem Tigris und mittelbar auch aus dem Euphrat zusteht. „Wir werden uns bemühen, den irakischen Erwartungen nachzukommen“, sagte Erdoğan in Bagdad. Dafür, so der türkische Präsident, „haben wir klare Erwartungen an den Irak“. Eine dieser Erwartungen: Der Irak soll die PKK zur Terrororganisation erklären. Bislang hat die irakische Regierung die PKK zur unerwünschten Organisation erklärt, aber noch nicht zur Terrororganisation. Erdoğan wolle dabei „helfen“, dass der Irak „von dieser Terrororganisation befreit wird“.

So weit ist es aber trotz gegenteiliger Behauptungen von Hürriyet und anderen türkischen Medien noch nicht. Bei einem Treffen im März zwischen den Verteidigungsministern beider Länder hatte der Irak deutlich gemacht, dass er sich nicht an Militäroperationen gegen die PKK beteiligen werde. Daran hat auch der Besuch Erdoğans am Montag nichts geändert.

Allerdings könnte die irakische Regierung – abhängig davon, ob es eine Einigung in Sachen Wasser geben wird – türkische Militäroperationen gegen die PKK auf irakischem Territorium dulden.

Das Gebiet im Nordirak, in dem sich die PKK aufhält und ihr Hauptquartier aufgebaut hat, gehört jedoch zur Selbstverwaltungszone der irakischen Kurden. Für die Türkei kommt es deshalb vor allem auf deren Kooperation an. Erdoğan flog deshalb am Montagabend von Bagdad aus noch nach Erbil, in die Hauptstadt des kurdischen Autonomiegebietes, um sich dort mit Nechirvan Barsani, dem Präsidenten des Autonomiegebietes zu treffen.

Erdoğan hat seit Langem ein gutes Verhältnis zur Barsani-Familie, die mit der Demokratischen Partei traditionell einen Teil des Nord­iraks beherrscht. Im anderen Teil hat die zweite große Kurdenpartei, die PUK, das Sagen – und die macht bei dem Deal zwischen der Türkei und den Barsanis bislang nicht mit. Ihr Gebiet um die Stadt Suleimania steht der PKK nach wie vor offen.

Dennoch bereitet die türkische Armee derzeit bereits einen großen Militäreinsatz gegen die PKK im Nordirak vor, der noch im Frühjahr oder spätestens im Frühsommer losgehen soll. Ziel ist das PKK-Hauptquartier in den Kandilbergen und die Einrichtung einer Pufferzone entlang der türkisch-irakischen Grenze.