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Brassband Banda Communale im Osten„Sachsen positiv besetzen“

Die Brassband Banda Comunale tourt durch die sächsische Provinz. Dort spielt sie gegen Rechtsextremismus und sagt: Es gibt noch viel zu tun.

Laut werden gegen Nazis: Banda Communale mit Michal Tomaszewski, knieend vorne rechts Foto: Trikont
Interview von Juliane Streich

taz: Michał Tomaszewski, Ihre Blaskapelle Banda Comunale hat sich vor mehr als 20 Jahren in Dresden gegründet und unterstützt Demos gegen Nazi-Aufmärsche musikalisch. Warum haben Sie in den letzten Monaten vor allem bei Protesten gegen rechts in Orten wie Colditz, Meißen und Bautzen gespielt?

Michał Tomaszewski: Was viele – auch wir selbst – aus den Augen verloren hatten, sind Kleinstädte. Dort trifft man Leute mit einer anderen Haltung als in Großstädten.

Was meinen Sie mit anders? Anders als in Dresden?

Ja, weil viele Menschen in der Provinz seit Jahren nicht „rausgekommen“ sind aus ihrem näheren Umfeld. Wir treffen dort Ältere, die sagen: Ich bin das erste Mal seit der Wende wieder auf einer Demonstration. Es ist sehr wertvoll, dass man auf dem flachen Land Proteste organisiert, die einen breiten Konsens herstellen. Also, dass man auch lokalen CDU-Politi­ker:Innen Raum bietet, dort etwas zu sagen. Das sind oft bürgerliche Demos, die an durchsanierten Marktplätzen stattfinden.

Was meinen Sie mit durchsaniert?

Banda Communale unterwegs

Die Band: Gegründet 2001 in Dresden. Tritt oft bei Protesten gegen rechts auf. Inzwischen spielen 20 Mu­si­ke­r:In­nen aus Syrien, Palästina, Schottland, Israel, Brasilien, Italien, Russland, Polen, dem Irak und Deutschland mit. So international klingt auch ihr Sound, der Jazzarrangements mit Rap, orientalischer Melancholie, groovendem Afrobeat und Balkansound zum Amalgam verbindet. Zurzeit tourt die Brassband durch die sächsische Provinz, um dort die Zivilgesellschaft im Wahljahr zu unterstützen. Michał Tomaszewski ist Klarinettist in der Band.

Das Album: Banda Comunale: „Klein ist die Welt“ (Trikont/Indigo)

Die Tour: 27. 4.2024, „Europafest“, Zittau; 30. 4. 2024, „Walpurgisnacht“, Reick; 1.5. 2024, „Kiezerwachen“, Potsdam; 24.5. 2024, „Schwesternhäuser Kleinwelka“, Bautzen; wird fortgesetzt

Es ist paradox: Diese Kleinstädte sind äußerlich schmuck. Ähnlich behutsam renovierte altstädtische Marktplätze wie in Ostdeutschland finden sich im Westen ja gar nicht mehr. Und dort treffen sich nun bei den Protesten gegen rechts Leute, die sich lange nicht begegnet sind und sich nun gegenseitig bestärken. Das ist ein schönes Momentum.

Neben den Menschen, die jetzt zum ersten Mal demonstrieren, gibt es auch diejenigen, die sich gerade in der sächsischen Provinz seit Jahrzehnten gegen rechts engagieren.

Genau, sie stehen nun zusammen. Jugendliche mit antifaschistischen Sprüchen und daneben etwas bedröppelte ältere Leute, die sich darin nicht so richtig wiederfinden, aber das trotzdem mittragen. Denn es geht teilweise um sehr konkrete, persönliche Bedrohungen. Im Erzgebirge-Städtchen Dippoldiswalde erzählten uns zwei ältere Menschen, wie sie sich um eine Geflüchtetenfamilie kümmern und dann das halbe Dorf dagegen mobil machte.

Am Rand werden die Proteste manchmal auch von rechtsradikalen Jugendlichen begleitet. Es wirkt, als hätten die 1990er Jahre nie aufgehört. Da müsste man den CDU-Ministerpräsidenten Kretschmer und den Kultusminister Piwarz mal fragen, was sie eigentlich machen und welche Angebote die Jugendlichen auf dem Land bekommen. Denn das ist jetzt schon die zweite oder dritte ­Generation der sächsischen Baseballschläger-Sympathisanten, die ganz selbstverständlich nazi­mäßig daherkommt.

Sie unterstützen Demos gegen rechts als Band mit Blasmusik. Kann Musik dabei ein verbindendes Element sein? Und wo sind ihre Grenzen?

Was Popkultur kann, hat man schon während der Coronapandemie gesehen, bei Protesten gegen Pegida-Demos, oder als in Chemnitz „Hetzjagden“ stattfanden. Ich bin aber etwas verwundert, dass sich bisher noch nicht mehr Künst­le­r:In­nen hier im Osten daran beteiligen.

Was könnten Mu­si­ke­r:In­nen denn konkret tun?

Wenn etwa ein Roland Kaiser in so einem Zusammenhang als Schlagerstar wieder auftauchen würde, wäre das natürlich wirkmächtiger als der Protest von Bands wie Kafvka und Feine Sahne Fischfilet. Auf jeden Fall hat Helene Fischer mit ihrer Positionierung gegen rechts kürzlich wahrscheinlich mehr Staub aufgewirbelt als Bands, bei denen die politische Richtung eh klar ist.

Gibt es nennenswertes regio­nales Engagement?

In Bautzen gibt es mit dem „Happy Monday“ zum Beispiel die Idee, jeden Montag, bis zu den Kommunalwahlen am 9. Juni öffentliche Plätze mit Kultur zu besetzen. Wir treten sowieso sehr viel in der Provinz auf, wir sind schon eine sehr lokalpatriotische Band. Und wir machen seit über sieben Jahren Schulworkshops im gesamten Bundesland.

Inwiefern ist Ihre Bandgeschichte auch politisch-demokratische Bildungsarbeit?

Auf niedrigschwellige Weise ist das so. Es geht uns allerdings mehr um den kulturellen Hintergrund als um konkrete politische Inhalte. Also, unser Kollege Eduardo, der brasilianische Wurzeln hat, bringt Kindern einen brasilianischen Rhythmus bei. Oder Sagit aus Israel spielt ein Stück auf Hebräisch. Oder Yara eine syrische Melodie. Damit wollen wir zeigen, dass sich Erwachsene auf der kulturellen Ebene gut verstehen und befreundet sind. Das ist ziemlich simpel, aber stark nachgefragt.

Inwiefern ist in Ihrer internationalen Band, in der etwa Mu­si­ke­r:In­nen aus Israel und Palästina spielen, Weltpolitik wie der Nahostkonflikt ein Thema?

Der Krieg in Israel/Gaza ist ein ganz sensibles Thema. Wir haben im November ein großes Benefizkonzert veranstaltet im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden und haben Mu­si­ke­r:In­nen aus verschiedenen Kulturbereichen zusammen auf die Bühne gebeten, das war ein großer Erfolg. Aber die Situation ist unglaublich kompliziert. Das können wir momentan von hier aus schwer auflösen, weil man auch nicht alle Themen gleich gut bedienen kann.

Auf welches Thema konzentrieren Sie sich nun?

Was wir schaffen, ist, eine gemeinsame Haltung demgegenüber aufzubauen, was in Deutschland droht und was in Sachsen wirklich wie ein Damoklesschwert über uns hängt: Und das ist diese starke, sehr beängstigende AfD-Präsenz.

Sie haben sich als lokalpatriotisch bezeichnet. Leute in Sachsen sagen oft: Wenn die AfD die Landtagswahl gewinnt, ziehen sie weg. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht?

Das ist ein naheliegender Gedanke, zumal wenn man Kinder hat. Oder einfach auch keinen Bock, in einem Naziland zu leben. Aber wenn wir Erinnerungskultur ernst nehmen und uns aus der gutsituierten, privilegierten Bubble heraus Gedanken machen, wie es zur Machtergreifung der Nazis 1933 kommen konnte, muss die Antwort sein: Nein, wir ziehen natürlich nicht weg. Die Frage ist eher die nach den Formen des Widerstands. Ich finde, da sind Kul­tur­einrichtungen, Betriebe und Wirtschaft vielmehr gefordert als Privatpersonen und sollten sich jetzt positionieren.

Was geht für Sie zu weit?

Was für mich echt nicht geht, ist eine Antwort wie: Das ist alles noch im demokratischen Rahmen, hohe Wahlergebnisse für die AfD müssen wir aushalten und dann mal gucken. Dann ist es aber schon zu spät. Ich finde die Diskussion über ein AfD-Verbot absolut berechtigt. Diese Partei ist eine Bedrohung für die Demokratie.

Nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund …

Ja, wir sind ja alle keine Profimusiker, sondern arbeiten unter anderem im Kultursektor oder in den Behörden. Und gerade Bildung und Kultur sind die ersten Felder, die von rechts eingenommen werden. Das sieht man ganz gut an Polen, meinem Heimatland, das mich in den letzten zehn Jahren traurig gemacht hat. Die amtierende liberale Regierung hat große Mühe, all das zurückzudrehen, was die Rechtspopulisten zuvor geändert haben. Daran sollte man sich ein Beispiel nehmen, dass es sich nicht lohnt, die Demokratie so zum Fraß vorzuwerfen, nur weil man glaubt, man könne Rechtsradikalen mit Argumenten beikommen und sie würden sich irgendwann entlarven.

Was wäre die bessere Strategie?

Man muss sich wirklich darauf berufen: Worauf ist unser Staat gegründet? Was ist die Idee des Grundgesetzes und einer freiheitlichen Demokratie? Diese muss sich nicht alles gefallen lassen – schon gar nicht eine Partei, die die Demokratie mit Ansage zerstören will.

Haben Sie einen Ratschlag für Menschen in Sachsen, damit sie hier bleiben und dabei nicht verzweifeln?

Nach guten Erfahrungen in vielen kleineren Kommunen müssen wir feststellen: Es gibt unglaublich viele coole Leute, die das Herz am rechten Fleck haben. Und das sind nicht nur junge Leute, das sind auch viele ältere Menschen. In all diesen Dörfern oder Kleinstädten, die als rechts gelten, ist die Mehrheit immer noch bereit, die Demokratie zu verteidigen. Es gibt noch Hoffnung, wenn diese Menschen die Marktplätze für sich wiedergewinnen und über Demokratie, über Realpolitik und vor allem über Zukunft sprechen.

Das kriegt unser Ministerpräsident Kretschmer nämlich nicht gebacken: über eine positive Zukunft zu sprechen. Es ist so ermüdend immer den Weltuntergang parat zu haben: Gendern – die Kultur geht unter, Heizungsgesetz – Deutschland fährt gegen die Wand. Mehr Superlative gibt es kaum. Dafür habe ich nur Spott übrig. Aber manche Menschen leben offenbar stetig in der Angst, dass alles kaputtgeht. Doch das ist nicht wahr.

Was läuft gut in Sachsen?

Auch dieses Bundesland hat sich in den letzten 30 Jahren positiv und weltoffener entwickelt. Es gibt natürlich noch sehr viel zu tun. Aber dieses Tun ist auch eine kreative und schöne Aufgabe: Initiativen zu gründen, sich vor Ort um bestimmte Menschengruppen und Anliegen zu kümmern, die direkte Demokratie in irgendeiner Weise herauszufordern und Dinge anzupacken anstatt mit Treckern alles zu blockieren. Man muss Sachsen einfach positiv besetzen!

Transparenzhinweis: Banda Communale ist dieses Jahr in Sachsen für den Panter Preis der taz Panter Stiftung für unabhängigen Journalismus nominiert. Die Preisverleihung findet am 24. August in Chemnitz statt.

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1 Kommentar

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  • "als hätten die 90er nie aufgehört" - sie haben nie aufgehört. Und von der AfD hört man auch nichts, was man nicht seit 30 Jahren im Osten (und andernorts) hört.